Nur ein Wunder ist genug. Winfried Paarmann
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Winfried Paarmann
Nur ein Wunder ist genug
Die Geschichte einer Entführung
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Inhaltsverzeichnis
Das Reisevideo
Lukas hatte sich unter die Gäste gemischt, die die Gartenparty für eine halbe Stunde unterbrachen, um im großen Empfangsraum der Villa ein Reisevideo anzuschauen. Ein älteres Ehepaar hatte es von einer kürzlich unternommenen Autofahrt durch Osteuropa mitgebracht. Der „Eiserne Vorhang“ war vor wenigen Jahren gefallen, es ging durch Ungarn, durch das nördliche Jugoslawien, dann durch Rumänien.
Der Film näherte sich dem Marktplatz einer rumänischen Kleinstadt, man sah einen Dorfbrunnen und davor einen Feuerschlucker, der kurz darauf mit bunten Ringen jonglierte, die Kamera wanderte zu einer alten Kirche, dann zurück auf den Marktplatz, vor einem Marktstand mit aufgehängten Blusen, Seidentüchern und Schuhen streifte sie zwei Kindergesichter, das eines dunkelhaarigen Jungen, etwa zehn Jahre alt, das eines dunkelblonden Mädchens, etwa zwei Jahre jünger.
Lukas riss es von seinem Stuhl, wie elektrisiert. „Halt! Halt!
Noch einmal zurück - die Stelle von eben!“
Er sprang zu dem älteren Ehepaar, das den Ablauf des Films über den Videoprojektor überwachte. Der Film lief zurück.
Wieder der Markplatz, die Kindergesichter.
„Anhalten! Anhalten!“ rief Lukas. Er trat ganz nah an die Leinwand.
Er stammelte. „Sie sind es. Meine Kinder.
Sie sind es…
Dieser Marktplatz – wo ist es gewesen? Wie ist der Name der Stadt?“
Weder der Mann noch die Frau konnten ihm eine sichere Antwort geben. Es war ein kurzer Zwischenstopp auf ihrer Reise zwischen Brasov und den südlichen Karpaten. Doch sie versprachen, es herauszufinden.
Lukas blickte sich entschuldigend zu den versammelten Zuschauern um. „Ich habe an ihren Särgen gestanden. Jetzt vor eineinhalb Jahren…“, murmelte er.
Dies war geschehen:
Seine rumänische Frau war ohne sein Wissen mit dem Auto nach Rumänien aufgebrochen. Er selbst befand sich zu einer einwöchigen Gastdozentur in Kanada. Nie hätte er zu dieser Reise sein Einverständnis gegeben, schon gar nicht wenn sie diese Reise mit den Kindern allein unternahm. Doch ihre Sehnsucht, ihre Eltern in Rumänien wiederzusehen, vor allem den kranken Vater, war zuletzt unwiderstehlich geworden.
Er telefonierte täglich mit ihr, auch während sie schon auf Reisen war. Sie verriet es mit keinem Wort.
Dann blieben alle Versuche, sie zu erreichen, vergeblich.
Er telefonierte mit den Nachbarn. Die sagten, sie sei vor drei Tagen mit den Kindern im Auto aufgebrochen und seitdem nicht zurückgekehrt.
Es befiel ihn eine erste dunkle Ahnung.
Er versuchte, eine telefonische Verbindung in das rumänische Fâgâras zu den Eltern Catalinas, seiner Frau, herzustellen. Auch dies vergeblich.