Nur ein Wunder ist genug. Winfried Paarmann
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Nur ein Wunder ist genug - Winfried Paarmann страница 5
Wieder traf sein Blick mit dem der Cellospielerin zusammen. Sie erlaubte sich plötzlich ein flüchtiges Lächeln dabei.
Der Kellner trat an den Tisch.
Gerd bestellte für sie beide einen Aperitif.
Dann den Kaviarsalat. Auch diese Sache sah er bereits als geregelt.
„Also – Musikdozent bist du. Und mit Leidenschaft. Ich erinnere mich jetzt. Du hast im Schulorchester die Posaune gespielt.
Hättest auch eine Karriere als Posaunist machen können?“
„Nein. Es blieb nur ein Hobby.“
„Hochschuldozent, Musik.“ Gerd wiegte den Kopf. „Jedenfalls ein sicherer Posten.“
Die Ungesprächigkeit von Lukas bereitete ihm weiter Unbehagen. Schließlich holte er seine Brieftasche hervor und entnahm ihr einige Fotos.
Er schob ein erstes davon Lukas zu: zwei kleine Mädchen, beide mit völlig identischen Gesichtern, beide artig lächelnd, beide im gleichen Sommerkleidchen mit brav geknoteten Zöpfen.
„Zwillinge?“ fragte Lukas.
„Eineiig!“
Gerd schob Lukas ein paar weitere Fotos zu – wieder mit seinen Zwillingstöchtern, dann eins mit seiner Frau. Schließlich das Foto einer modernen Villa mit Gartengrundstück. Davor ein parkender BMW.
Die Villa hatte Stil. Lukas nickte anerkennend.
„Selbst gebaut… Also – jedenfalls war es mein Entwurf.
Ja, in mir schlummerte einmal ein Architekt. Habe ihn sträflich verkümmern lassen.
Macht nichts. Man kann nicht alles haben.
Und Du? auch Familie? auch schon eigenes kleines Krabbelvolk?“
Er lachte. Er wartete.
Wieder kam von Lukas keine Antwort.
Machte er etwas verkehrt?
Der Blick von Lukas blieb auf die Tischplatte gesenkt. Schweigen. Gerd sammelte die Fotos wieder ein, zunehmend irritiert.
Plötzlich bewegte sich etwas durch die Tür, schwarz, von der Größe einer ausgewachsenen Bulldogge, es war ein Puma, er zog eine Halsleine hinter sich her, leicht fauchend trabte er auf die Tische zu.
Einige Damen schrien erschreckt auf und zogen die Beine ein.
Der Puma schnüffelte, trottete weiter von Tisch zu Tisch. Jetzt war er beim Musikerduo angelangt. Die zwei unterbrachen ihr Spiel, der junge Mann rückte schützend sein Keyboard in den Weg, die Cellospielerin ihr Cello. Dann flüchtete sie sich gleichfalls hinter das Keyboard. Der Puma stand still, fauchte.
Lukas war aufgestanden. Er ging geradewegs auf den Puma zu.
Er näherte sich von hinten, dann hatte er das Tier am Halsband gegriffen.
Der Puma bemerkte es. Er begann, heftig den Nacken zu schütteln.
Lukas hatte vorgesorgt. Er hatte sich einen Schaschlikspieß von einem der Tische gegriffen. Den streckte er nun dem Puma entgegen.
Der schnappte nach dem Fleisch, sein Widerstand war für Augenblicke gebrochen.
Er fraß. Lukas hielt ihn am Halsband fest.
Einer der Gäste stand auf und brachte einen zweiten Schaschlikspieß.
Das Tier spuckte den ersten Spieß aus. Wieder fraß es, fast eine Minute verging.
Das Fleisch war verzehrt. Lukas wollte den Puma am Halsband mit Vorsicht wieder in Richtung der Tür ziehen. Das missfiel dem Tier allerdings, vor allem, dass es sich noch immer fest im Griff von Lukas befand. Es wollte sich jetzt losreißen, ein regelrechter Kampf setzte ein. Der Puma fauchte zunehmend aggressiv, er versuchte nach Lukas zu schnappen. Doch der blieb völlig kühl, auch wenn es ihn äußerste Anstrengung kostete, er hielt das Tier auf Distanz.
Ein Mann und eine Frau, beide schon etwas betagt, offenbar ein Ehepaar, stürmte durch die Tür. Immer abwechselnd riefen sie: „Geriot! Geriot!“
Die beiden Besitzer des Pumas.
Jetzt hatten sie Lukas und den Puma erreicht, der Mann griff das Halsband und tätschelte sein Tier, auch die Frau war zur Stelle und tätschelte es, der Puma wedelte erfreut mit dem Schwanz, ein friedliches sanftes Geschöpf.
Die Frau wandte sich an die Gäste im Saal, ein bisschen so wie man ein Theaterpublikum begrüßt. „Entschuldigung an Sie alle! Tausendmal Entschuldigung! Ein kurzer unbewachter Augenblick...
Ist jemand zu Schaden gekommen?“
Die Gäste murmelten. Es war ein Gemisch von noch immer rumorendem Schrecken und Erleichterung.
Die Frau machte nochmals Eintracht beschwörende Gesten in Richtung ihres Publikums, dann wandten sie und der Mann sich wieder der Tür zu, den Puma zwischen sich, der jetzt brav an der Leine trottete.
Die Cellospielerin griff wieder ihr Cello und begann es nach zu stimmen.
Lukas flog ein freundliches offenes Lachen entgegen. „Danke,“ sagte sie, als er sich wieder näherte. „Das hätte gefährlich ausgehen können.“
Lukas war wie ausgetauscht. Was eben geschehen war, hatte ihn an den Mann erinnert, der er einmal gewesen war.
„Sie spielen famos,“ sagte er. „Der Tango ist ihre Spezialität?“
„Das würde ich so nicht sagen. An diesem Nachmittag habe ich bei einer Hochzeitsgesellschaft das Largo aus Xerxes von Händel gespielt - falls Sie es kennen.“
„Das Largo von Händel -?“ Lukas begann die Anfangstakte zu singen. Seine Stimme war nicht exzellent, doch es genügte, um die junge Frau zu beeindrucken. Er war ein Kenner.
„Also auch Klassik -?“ fragte Lukas.
„Von Spezialisierungen auf E- oder U-Musik halte ich nichts. Für mich gibt es nur gute und schlechte Musik.
Sie selbst sind Dompteur?“
„Dompteur?“
„Wegen Ihrer eindrucksvollen Raubtiernummer soeben.“ Doch ihre Stimme hatte schon verraten, dass es nicht ernst gemeint war.
„Noch einmal bedanke ich mich.“
„Keine Ursache. Ich sah Ihre virtuosen Finger.
Da sagte ich mir: Besser ich opfere meine Finger stattdessen.“
„Das haben Sie im Ernst gedacht?“ Wieder das offene einnehmende Lachen.
„Also - einer wäre