Im Sturzflug nach Merkwürdistan. Frank Sommer
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Am nächsten Morgen machten wir uns auf zum Flughafen, um einerseits Henrys Gepäck abzuholen und andererseits mit dem Ziel, bei seiner Fluggesellschaft zu protestieren, damit diese ihn noch am selben Tag mit nach Europa nehmen sollte. Zwar bekam Henry sein – drogenfreies – Gepäck nach einigen Mühen zurück, doch seine Fluggesellschaft weigerte sich, vor Ablauf ihrer willkürlich gesetzten Dreitagesfrist über eine Ersatzbeförderung auch nur zu reden. Daraus und aus meiner fortlaufenden Häme reifte im angehenden Juristen Henry ein Groll, der den Grundstein für eine berufliche Karriere legen sollte. Henry kaufte sich sofort für einen Wahnsinnspreis ein Ticket mit einer anderen Fluggesellschaft, welches ihn auf unendlich langen Wegen mit Zwischenstopps in der Karibik, London und Frankfurt doch noch mit Abflug am selben Tag nach Hause bringen sollte. Die Aufregung war Henry unmissverständlich anzusehen, schließlich musste er nun keine 24 Stunden nach seiner Zurückweisung wieder durch die Schleuse, die ihm beim ersten Anlauf zum Verhängnis wurde. Henrys Logik war jedoch die, dass er nach allen ihm zur Verfügung stehenden Informationen eben nicht von Behördenvertretern zurückgewiesen wurde, sondern von der ersten Fluggesellschaft, mit der er gebucht hatte. Demnach müsste er nun für den Flug mit der anderen Airline problemlos die Kontrollen passieren können. Exakt so geschah es dann auch. Henry ging problemlos durch die Kontrollen und als er mir von der Gangway zum Flugzeug zuwinkte, konnte ich auch aus großer Entfernung noch gut erkennen, wie froh er nun war, dass die gefühlte Gefangenschaft auf der Insel beendet war. Zurück in Deutschland machte Henry das, was alle braven Jurastudenten tun: Er lernte Paragraphen. Und da alle Theorie nur Schall und Rauch ist, entschied er sich auch für einen kleinen Praxis-Exkurs… und verklagte die namhafte holländische Fluggesellschaft, die ihn abgewiesen hatte, auf Erstattung der enormen Mehrkosten für die Ersatzbeförderung nach Hause. Henrys Gesellenstück gelang und der Großteil seiner Kosten wurde ihm ersetzt. Heute ist Henry übrigens ein renommierter Anwalt. Ich schätze, dass er jetzt vor jedem Boarding auf eine ähnliche Abweisung wartet, um einen unterhaltsamen Prozess daraus zu machen, aber etwas Derartiges ist ihm seitdem leider oder zum Glück nicht mehr passiert. Das Abonnement auf Reisekatastrophen habe seitdem ja auch bekanntlich ich gebucht. Bei meiner eigenen Abreise fiel mir eine Woche später übrigens auf, dass der Flughafen-Kiosk direkt am Abflug-Gate, den man erst nach dem Passieren der berüchtigten Sonderkontrolle erreicht, Käse-Bällchen mit dicker Aufschrift „Bolitas“ verkauft. Die haben echt Humor, die Jungs!
Fotos zur Geschichte:
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Fluch(t aus) der Karibik
Die Rache dafür, dass ich Henrys missglückte Rückreise von Curacao mit Spott und Häme überzog, folgte auf dem Fuße und als hätte auch das Schicksal Humor, traf es mich bei dem Versuch, – man ahnt es schon – von Curacao zurück nach Hause zu reisen. Nachdem ich einen sehr langen und anstrengenden Winter mit viel Beziehungsstress hinter mich gebracht hatte, entschloss ich mich, nochmals für zwei Wochen nach Curacao zu fliegen, um dort abermals etwas zu entspannen und meine dortigen Freunde zu besuchen. Wie das Leben manchmal so spielt, lernte ich erst kurz vor der Abreise meine neue Frau kennen. Auch die Dame meiner Träume war viel auf Reisen, so dass die Schnittmenge unserer gemeinsamen Zeit rar und kostbar war. Da der hinter mir liegende Winter aber wirklich außerordentlich dunkel, unfassbar kalt, ganz besonders lang und fürchterlich kräftezehrend war, beschloss ich, die Reise in die Karibik dennoch anzutreten, um mir die verdient geglaubte Entspannung zu genehmigen. Ich kann aus heutiger Sicht nicht sagen, dass diese Entscheidung rückblickend besonders schlau gewesen wäre. Im Gegensatz zum Wetter in Deutschland war es in der Karibik diesmal im Wesentlichen leider durchgehend bedeckt und das bisschen Entspannung, welches ich trotz mich zerfressender Sehnsucht nach der neuen Liebe genießen durfte, wurde mit der Rückreise ultimativ wieder ausradiert. Auch in diesem Fall also das Fazit, lieber dem Herzen zu folgen. Aber nun zu besagter Rückreise: Obwohl es natürlich toll war auf Curacao, fieberte ich nach zwei Wochen wirklich sehr intensiv dem Moment entgegen, an dem ich nach Hause kommen und meine neue Liebe wieder in die Arme schließen würde. Die vermeintlich
letzte Nacht auf der Insel war recht kurz, denn ich wachte zwei Stunden früher auf als sonst. Ausgeschlafen war ich noch lange nicht, aber irgendwas juckte an meinem linken Arm. Nach kurzer Fehleranalyse aus dem Augenwinkel war als Ursache auszumachen, dass mein Unterarm in dieser Nacht mit einer etwa nord-südlich ausgerichteten Trasse zu einer Ameisenautobahn umfunktioniert wurde. Das war nicht schön, aber ich war wach. Und hätte ich die kleinen Freunde auf meinem Arm nicht direkt ins Jenseits befördert, dann hätte ich ihnen für ihr Tun später sehr, sehr dankbar sein müssen.
Müde torkelte ich aus meinem Zimmer vorbei an meinen Freunden, die als praktizierende Frühaufsteher schon beim dritten Tässchen Kaffee am Tisch saßen. Schlaftrunken und noch etwas verwirrt wankte ich in Richtung Toilette dezent grüßend an beiden vorbei, die ihrerseits mit einer merkwürdigen Kombination von Begriffen antworteten. Ich hörte so etwas wie: „Vulkan, Europa, Wolke, Flughafensperrung, haste jetzt echt Pech...“. Ich kommentierte dies nicht, auch da ich dringende Gründe hatte, mein Ziel ohne Verzögerungen zu erreichen. Im mußevollen Umfeld der Toilette dachte ich dann über diese Wortfragmente nach und kam zu der Erkenntnis, dass ich die Pointe