Amor ist auf den Hund gekommen. Christa Mollay
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Nein, das stimmte nicht ganz.
Ein einziges Mal hätte es geklappt. Super Wohnung, super Lage, etwas überteuert, aber da zeigten sich die Wohnungseigentümer mehr als entgegenkommend, als sie von Walters beruflicher Tätigkeit erfuhren. Kein Wunder, als beim netten Gespräch vier schulpflichtige Kinder nach und nach auftauchten und deren Mutter mit sichtlicher Hoffnung auf künftige bessere Noten bereits ein freudiges Glitzern in den Augen hatte.
Aber für Walter hatte es sich da ausgeglitzert.
Grausame Erinnerungen an Nachhilfestunden, die er in seiner Studentenzeit gegeben hatte, waren ihm, trotzdem schon einige Jahre vergangen waren, noch immer im Gedächtnis geblieben.
Er lief die Treppen nochmals nach unten und bemerkte erstaunt, dass er nur mehr ein Drittel der Bücher nach oben zu schleppen hatte.
Einige Mitbürger hatten sich seiner erbarmt und sich mittlerweile aus der Schachtel bedient.
Wieder oben angekommen, verstaute Walter die letzten Habseligkeiten und warf sich auf das mit Dagobert Duckbettwäsche überzogene Bett.
Relikt aus seiner Kindheit.
Dagobert Duckbettwäsche war, jetzt abgesehen davon, dass er den Dreißiger bereits über-schritten hatte, absolut unpassend.
Berta hatte ihn bei der Scheidung abgezockt.
Sein Fauxpas hatte ihn die Wohnung, das Ersparte und das Auto gekostet.
Im Nachhinein war es müßig darüber nachzudenken, ob alle Schuld wirklich nur bei ihm zu finden war. Aber das war jetzt ohnehin egal. Er war froh dem Ehemartyrium entkommen zu sein.
Wenn er wenigstens von dem vermeintlichen Ausrutscher etwas gehabt hätte, aber selbst das hatte ihm die gute Ex vermasselt.
Seine Mutter riss die Türe zu seinem Zimmer auf und rief voller Freude: „Berta ist da, wir können essen!
Walter!“, rügte sie ihn: „warum liegst du auf dem frisch gemachten Bett?
So geht das nicht, ich kann nicht immer hinter dir her räumen! Ich bin auch nicht mehr die Jüngste!“
Margarethe Klein war dreiundsechzig Jahre alt, aber schon seit ihrem Fünfziger auf dem Greisinnentrip.
Diesen Eindruck unterstrich sie noch durch ihren wöchentlichen Besuch beim Friseur, der ihre ergrauten Haare zunächst auf weiß färben musste und dann eine altmodische Dauerwellenfrisur auf ihrem Haupt kreieren durfte.
Jede Hundertjährige hätte den Friseur gewürgt.
Aber vielleicht war es auch so der Wunsch seiner Mutter gewesen.
Walter hatte überhaupt keine Lust auf ein gemeinsames Mittagessen, aber die Konsequenzen wegen verweigerter Nahrungsaufnahme waren nerviger als das frostige Zusammensein.
Er schlich in die Küche und wollte sich an den Küchentisch setzen.
„Wasch dir die Hände!“, erklang der mütterliche Befehl.
Walter machte kehrt und schlurfte Richtung Bad.
„Heb’ die Füße beim Gehen!“, rügte die Mutter.
Er ließ im Bad das Wasser über seine Hände laufen und warf einen Blick in den Spiegel.
Groß, schlank, blond, blaue Augen. Ein Typ wie der junge Hugh Grant. Ein Frauenschwarm, wie ihm sein Freund neidlos bestätigte.
Aber irgendwas lief immer schief, sonst stünde er nicht hier und musste belämmert in Mutters Alibert glotzen.
Zurückgekehrt an den Esstisch sah Berta freundlicherweise durch ihn hindurch und ignorierte ihn völlig.
Walter war dafür äußerst dankbar, was die gute Berta allerdings nicht im Geringsten ahnte.
Sie überreichte ihrer Exschwiegermutter einen Strauß Rosen.
Die schmachteten schon welk in der Folie und Walter war sich sicher, dass seine Ex wieder einmal ein gutes Geschäft vorhatte.
Was sie sich jetzt zu Mittag einverleiben würde, plus der Speisen, die sie dann in ihrem Plastikgeschirr mit nach Hause nahm, deckte locker die Ausgaben für das offensichtliche bereits verbilligte, verblühte Grünzeug.
Margarethe Klein tischte auf.
Walter konnte sich, wie so oft, nicht des Verdachts erwehren, dass seine Mutter in sich eine nicht geringe Boshaftigkeit beheimatet hatte.
Es gab Rotkraut mit Kartoffeln und Bratwurst.
Walter hasste Rotkraut.
Mama Klein klatschte zwei gehäufte Schöpfer auf Walters Teller.
Seinen leisen Einwand tat sie resolut damit ab, indem sie ihn fragte: „Glaubst du, dass dir Gemüse schadet?“
Und gleich ging es weiter.
„Ich stehe nicht Stunden in der Küche und dann wird nichts gegessen!“
Walter war kein Koch, aber er wusste, dass gefrorenes Rotkraut auftauen und Bratwürste in die Pfanne werfen, nicht Stunden dauern kann.
Selbst die Kartoffeln aufzusetzen und dann zu schälen, konnten schwerlich einen ganzen Vormittag in Anspruch nehmen.
Und mit Tiefkühlkost und Dosenfraß kannte er sich aus, denn damit war er während seiner Ehe zur Genüge gefüttert worden.
Berta säuselte: „Danke Margarethe, du kochst immer so köstlich.“
In seine Richtung, aber wie immer ihn keines Blickes würdigend, warf sie ein verächtliches: „Ich möchte nicht wissen, wie dankbar viele Söhne wären, wenn ihre Mutter für sie kochen würde.“
„Danke, liebe Berta“, sagte gerührt die Gelobte.
Berta strich ihr liebevoll über den Arm.
Walter würgte am Rotkraut.
Berta, zu ihrer Exschwiegermutter gewandt, nuschelte, dank vollem Mund, mit sorgenvoller Stimme: „Margarethe, du trägst ja noch immer schwarz?
Ich glaube, du hast ohnehin schon länger als sechs Wochen Trauer getragen. Damit hast du mehr als deine Pflicht erfüllt. Und jetzt ist Sommer, da ist die schwarze Kleidung zu heiß! Denk an deine angeschlagene Gesundheit“, mahnte die besorgte Exschwiegertochter und steckte sich den letzten Zipfel Bratwurst in den Rachen.
Margarethe griff sich sofort ans Herz.
Walters Tante Brunhilde, die Schwester seiner Mutter, war gemeinsam mit ihrem Mann bei einem Flug über die südlichen Anden, bei Santiago de Chile tödlich verunglückt.
Es gab eine hinterlegte Verfügung, dass beide in Chile beerdigt werden wollten. Hier hatten die Beiden auch einen kleinen Zweitwohnsitz.
Margarethe war über diese Entscheidung sehr empört gewesen.