Amor ist auf den Hund gekommen. Christa Mollay
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Rücksichtslos wie immer von ihrer Schwester. Wie sollte sie mit ihrem angeschlagenen Herzen je ihr Grab besuchen können?
Das Klima würde sie umbringen.
Aber Brunhilde hatte ja nie auf irgendjemanden Rücksicht genommen.
Egoistisch hatte die nur ihre Ziele und Interessen verfolgt!
Walter kannte diese Litaneien auswendig und dachte an seine Tante.
Er war sehr traurig gewesen, als er vom Ableben Brunhildes erfuhr.
Er hatte sie sehr gemocht, auch wenn er sie nur maximal zweimal im Jahr sah.
Brunhildes Mann war ein bekannter Reisejournalist gewesen und seine Frau war eine kongeniale Partnerin an seiner Seite.
Die beiden hatten keine Kinder.
Ob gewollt oder ungewollt wusste er nicht.
Vielleicht war es ihnen einfach nicht beschieden gewesen eigene Kinder zu haben. Geliebt hatten sie einander sicher sehr.
Seine Mutter vertrat eher die Ansicht, dass die Kinderlosigkeit reiner Egoismus seitens ihrer Schwester war.
Mit einem Kind hätte sie nie so viel in der Weltgeschichte herum gondeln können, wie sie es tat.
Sie, Margarethe, hatte sich für ihr Kind aufgeopfert.
Und was war der Dank dafür?
Ein vernichtender Blick beider Frauen traf Walter.
„Mein Kind hat mein Leben auf den Kopf gestellt. In meinem Alter sollte man zur Ruhe kommen und keine Sorgen haben!“
Margarethe drückte einige Krokodilstränen hervor.
„Und meine liebe Schwiegertochter hast du mir auch genommen!“
„Sie ist ja noch da“, bemerkte Walter lapidar.
Margarethe brauste auf.
„Ja, weil Berta mir Trost spendet!“
„Und weil Berta dein Essen so gut schmeckt“, konterte er.
„Ich verbiete mir deinen Zynismus!
Du und Brunhilde!
Nur auf das eigene Vergnügen aus. Von mir hast du das nicht geerbt!
Keiner kann ahnen, wie viele Opfer von einer Mutter abverlangt werden“, ging es larmoyant weiter.
Und aus dem Fundus der Entsagungstruhe kamen die wohlbekannten Geschichten.
Das Rotkraut auf Walters Teller musste wiederum aus der Trickkiste eines Magiers stammen.
Er wurde immer mehr.
Apropos Opfer.
Davon konnte er etliche Lieder, nein Arien singen.
Zum Beispiel den Fraß runter zu würgen war ein Opfer!
Das allergrößte Opfer aber war, als ihm seine Mutter Berta aufs Auge drückte und ihn damit in eine Ehehölle hinein manövrierte.
Berta entlockte Margarethe noch einige Geschichten über die verunglückte Brunhilde.
Margarethe war in ihrem Element.
Walter reichte es.
Er stand auf, kippte den Rest des Rotkohls in die kleine Biotonne und verschwand in sein Zimmer.
Es dauerte nur Sekunden und Margarethe riss die Türe auf.
„Es ist heiß! Du musst die Türe und die Fenster offenlassen, damit es durchzieht!“
Walter setzte sich brav an seinen alten Schreibtisch und wollte die Immobilienannoncen einiger Tageszeitungen durchblättern.
Seine Mutter hatte keinen Internetanschluss. Sie brauchte dieses unnütze, neumodische Zeug nicht! War auch egal, denn auch seinen Laptop hatte sich Berta gekrallt. Aber für die rasche Freiheit war ihm bei der Scheidung alles recht gewesen.
In der Küche schluckte Berta einige Pülverchen. Die brauchte sie zur Nervenberuhigung, seit der Trennung von Walter.
„Mein armes, armes Kind!“, bedauerte sie Margarethe.
Berta seufzte: „Du und ich haben es beide nicht leicht! Es wird noch dauern, bis wir beide das verkraftet haben“, jammerte Berta laut genug, damit Walter es auch hören konnte.
„Ich habe noch immer diesen fürchterlichen Anblick vor mir!“, flüsterte Berta und schlug die Hände vors Gesicht.
In Erinnerung an die entsetzlich ungustiöse Geschichte schluckte auch Margarethe sicherheitshalber ihre Herztropfen.
Walter war sich sicher, dass es nur Placebomedizin war, denn sooft wie seine Mutter die Tropfen einnahm, musste sie schon längst eine Vergiftung haben.
Oder sie hatte die Konstitution eines sibirischen Elchs.
„Tante Brunhilde“, seufzte er leise.
Sie hatte recht gehabt.
„Bub!“, hatte sie laut ausgerufen, als sie von der bevorstehenden Eheschließung erfuhr.
„Heirate ja nicht diese übriggebliebene Betschwester!
Wohlerzogenheit und beste Manieren hin oder her, aber da muss man einen Trennungsstrich ziehen!
Wenn deine Mutter sie will, dann soll sie die Alte heiraten, heute ist das kein Problem.
Kümmere dich um das Kind, aber triff nie eine Entscheidung, die dir jemand anderer einreden will.
Merk dir das, Bub!“
Brunhilde hatte immer zu ihm gehalten.
Damals, als er mit dreizehn Jahren am Silvesterabend mit einigen Freunden Kracher warf. Nicht nur im nahe gelegenen Park und am Gehsteig.
Irgendwann erspähte er das offene Klofenster der bissigen Hausbesorgerin. Er warf zwei Kracher hinein.
Blöderweise als diese gerade in Begleitung ihrer Lieblingslektüre, in Ruhe eine Sitzung am stillen Örtchen starten wollte.
Als guten Einstieg für das Neue Jahr gab es eine Anzeige bei der Polizei.
„Mit dem Bankert werden sie noch eine Freude haben, Frau Professor!“ prophezeite hämisch die Hausmeisterin.
„Der hat eine kriminelle Energie!“
Mama Klein war am Boden zerstört.
Die Schande!
Die Nachbarn!
Als