Der falsche Gelehrte. Winfried Wolf

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Der falsche Gelehrte - Winfried Wolf

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ob Sie das wissen, der Herrmann war früher bei einer Unterabteilung der NVA beschäftigt. Die Bundeswehr hat nach der Wende einige Kollegen übernommen und so ist der Herrmann zu uns nach Baden-Württemberg gekommen. Wir waren eine Zeitlang zusammen an einer Dienststelle in Koblenz, von daher kenne ich den Herrmann.

      Herr Kübler, da ist eine Sache, bei der Sie uns vielleicht helfen können. Auf dem Küchenboden fanden wir eine aufgeschlagene Zeitung. Ein Artikel darin war mit Bleistift markiert worden. In dem Artikel war die Rede von alten Aktenbeständen, welche die Bundeswehr von der ehemaligen Nationalen Volksarmee übernommen hatte. Ein Großteil der Akten sei kurz vor oder nach der Wiedervereinigung vernichtet worden. Nun will man die verbliebenen Akten, die momentan noch im Bundeswehrarchiv lagern, kritisch unter die Lupe nehmen. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob darin belastendes Material über Herrmann Schmidt zu finden ist, aber es ist sicher nicht zu weit hergeholt, wenn ich diesen Zeitungsartikel mit dem Selbstmord in Verbindung bringe. Wie sehen Sie das, Herr Kübler? Ich habe davon gehört. Es kann durchaus sein, dass da noch ein paar Dinge hochkommen, die für den einen oder anderen Kameraden unangenehm sein können, aber ich sehe keinen Zusammenhang mit dem Tod meines Freundes. Ist denn die Leiche schon freigegeben worden? Ja, die Staatsanwaltschaft sah keine Veranlassung, eine Obduktion durchführen zu lassen. Da sich Schmidt eine Feuerbestattung gewünscht hatte, musste aber eine zweite Leichenschau vorgenommen werden.

      Habe ich Sie richtig verstanden, Herrmann wollte verbrannt werden? Also, das überrascht mich denn doch. Der Herrmann war noch keine sechzig, über den Tod haben wir nie gesprochen. Petzold blätterte in seinen Unterlagen. Herr Schmidt hat so etwas wie ein Testament hinterlassen. Eine Feuerbestattung ist für den Fall seines Ablebens ausdrücklich vermerkt. Ihnen hat er übrigens auch etwas hinterlassen, schmunzelte Petzold. Ein schwarzes Lederkoppel mit Gürtelschloss und DDR-Emblem, dazu ein goldenes Reservistenabzeichen, auch aus DDR-Zeiten. Kübler musste lachen, er wusste, dass ich Abzeichen sammle. Meiner Frau gefällt das nicht, aber wir beim Militär sind da anders. Kübler überkam nun ein Gefühl der Rührung. Er hatte Schmidt nie zu seinen besten Freunden gezählt, aber jetzt wurde es ihm fast ein wenig schwer ums Herz.

      Petzold schloss die vor ihm liegende Mappe und sah seinem Gegenüber ins Gesicht. Sobald die Sachen freigegeben werden, erhalten Sie von uns oder einem Anwalt eine Benachrichtigung. Herr Schmidt wurde übrigens gestern in aller Stille beigesetzt. Ich bitte um Entschuldigung, dass wir Ihnen nicht rechtzeitig Bescheid geben konnten, nochmals herzlichen Dank, dass Sie heute kommen konnten. Petzold und Kübler standen schon an der Tür, als dem Kommissar noch etwas einfiel: Herr Kübler, wussten Sie, dass Ihr Freund Beruhigungsmittel einnahm? Nein, das wusste ich nicht. Ich hatte nicht den Eindruck, dass Herrmann das nötig hatte. Aber ganz hineinschauen kann man ja in die Menschen nicht.

      Nachdem sich Petzold von Kübler verabschiedet hatte, dachte der Kommissar noch eine Weile über das Gespräch mit seinem Besucher nach. Man hätte bei Schmidt vielleicht doch eine Obduktion durchführen sollen, jetzt war es zu spät. Mit einer ausreichenden Mischung aus Schlafmitteln und Barbituraten hätte sich Schmidt auch umbringen können, man hatte im Bad entsprechende Mittel gefunden. Aber warum hätte er sich dann noch aufhängen sollen? War Schmidt in Behandlung gewesen? Diesen Fragen wurde nicht nachgegangen, weil zunächst alles so klar schien. Petzold hatte kein gutes Gefühl aber der Fall war jetzt abgeschlossen.

      Kübler traf seine Frau wie verabredet im Altstadt-Café. Ihm gefiel die Einrichtung des Lokals nicht, aber der Vollkorn-Himbeerkuchen und die Schwarzwälderkirschtorte waren eine Empfehlung. Frau Kübler schaute ihren Mann erwartungsvoll an. Wie ist es gelaufen? Du, das ist jetzt etwas blöd, aber kannst du dir vorstellen, noch ein wenig ohne mich auszukommen? Ich möchte gern noch bei diesem Maywald in der ehemaligen Standortverwaltung vorbeischauen. Das Gespräch mit dem Kommissar hat mich ein bisschen verwirrt, ich muss dringend mit dem Maywald reden. Am fragenden Blick seiner Frau erkannte Kübler, dass er noch eine Erklärung nachschicken musste. Maywald heißt der Kollege, mit dem Herrmann zusammengearbeitet hat. Ich muss einfach herausbekommen, warum ich mich ganz offensichtlich in Herrmann getäuscht habe. Hattest du den Eindruck, dass Herrmann an Depressionen litt? Frau Kübler schüttelt den Kopf. Na siehst du, das muss ich klären. Wir sehen uns in zwei Stunden am Parkplatz, einverstanden?

      Maywald war allein in seinem Büro als Kübler ihn aufsuchte. Er stelle sich als ehemaligen Freund von Herrmann Schmidt vor und kam ohne langes Herumreden zur Sache. Ist Ihnen an Herrmann in den letzten Tagen vor seiner Pensionierung etwas Besonderes aufgefallen? Wirkte er irgendwie anders als sonst? Maywald lehnte sich in seinen Schreibtischsessel zurück und sah an die Decke. Der Herrmann war kein sehr mitteilsamer Mensch, sagte er nach einer kleinen Denkpause. Er hat nie viel geredet und Persönliches hat er schon gar nicht rausgelassen. Ich kann mir vorstellen, dass Sie sein einziger Freund waren. Eigentlich wollte ich mit ihm zum Abschluss einen trinken gehen, aber irgendwie kam immer was dazwischen. Naja, als Arbeitskollegen habe ich den Herrmann Schmidt schon geschätzt. Maywald lachte, er hat alles sehr genau genommen, war mir fast ein bisschen zu pingelig, wenn Sie wissen, was ich meine. Um auf Ihre Frage zurückzukommen, nein, etwas Besonderes konnte ich an seinem Verhalten nicht feststellen. Er wirkte vielleicht etwas hektischer als sonst, aber das hing vermutlich mit seiner bevorstehenden Pensionierung zusammen. Kübler unterbrach: Mein Freund Herrmann hat sich aufgehängt. Haben Sie dafür eine Erklärung, Herr Maywald?

      Maywald stand auf und ging ans Fenster, sah hinaus und schwieg, dann wandte er sich wieder seinem Besucher zu. Kann ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten? Kübler lehnte dankend ab und wartete auf die Antwort auf seine Frage. Maywald stützte sich am Fensterbrett ab und sah wieder auf die Straße hinaus, dann drehte er sich abrupt um und deutete auf den Bildkalender an der Wand. Es gehörte zu Herrmanns Aufgaben, am Ende eines jeden Monats aufs nächste Bild umzublättern. Im Juli war ein Bild von Santorin zu sehen, man kennt ja den tollen Blick auf die Caldera. Herrmann sagte nur, das kann ich mir vorstellen, weiße Häuser, blaues Meer. Dass er Wochen später Selbstmord begangen haben soll, will mir nicht in den Kopf. Kübler nickte, er sah es genauso. Kennen Sie jemanden, mit dem Herrmann außer uns noch Umgang pflegte? Hatte er eine Freundin? Nicht, das ich wüsste. Von Frauen hat er nie etwas erzählt, dabei, ich meine, er sah ja nicht schlecht aus. Er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit unserem Ministerpräsidenten, wirkte aber weniger streng, grinste Maywald. Walter Kübler dachte daran, wie er einmal mit seiner Frau darüber gesprochen hatte. Sie hatten sich gewundert, dass Herrmann nie eine Frau erwähnte und Roswitha hatte gesagt, dass sein Freund ein Mann sei, auf den die Frauen stehen würden. Er wollte wissen, wie sie das denn meine. Naja, hatte Roswitha gesagt, in seinen Augen liegt so etwas Geheimnisvolles und einen Bauch hat er auch noch nicht. Dabei hatte sie so an ihm herunter geschaut: das war nicht schön von ihr.

      Kommissar Meier verfolgt eine neue Spur

      Missmutig und grußlos hatte er das Präsidium betreten. Erst als ihm Kollegin Stumpf die Tür zum Büro aufhielt, quälte er sich ein brummiges Guten Morgen über die Lippen. Schlecht geschlafen, Chef? Das auch, was mir aber auf dem Magen liegt, sind die unerledigten Fälle. Meier wies auf den Aktenstapel auf seinem Schreibtisch. Wir kriegen das Alte nicht weg und das Neue erschlägt uns! Darf ich einen Vorschlag machen, Chef. Ich fang‘ mal an, unser Wandprotokoll zum Fall Prager abzuräumen. Ich denke, bevor wir da wieder einsteigen, müssen erst neue Fakten auf den Tisch. Vielleicht geht es Ihnen ja so wie mir. Wenn ich täglich die Fotos, Karten und Bewegungsabläufe zu einem alten Fall vor Augen habe, kann ich mich auf neue Sachen nicht konzentrieren. Wenn Sie einverstanden sind, packe ich das alles jetzt zwischen zwei Aktendeckel. Machen Sie das, Frau Stumpf. Ach übrigens, wie lange kann ich denn noch auf Ihre Mitarbeit zählen? Mit gespielter Verwunderung sah Helene Stumpf ihren Chef an. Er dachte ganz offensichtlich an ihre bevorstehende Beförderung zur Hauptkommissarin. Und ja, natürlich ergaben sich dann neue berufliche Möglichkeiten. Sie arbeitete zwar gern mit Meier zusammen aber irgendwann war es Zeit, selbst eine Ermittlung zu führen. Im Duo ging das nun mal nicht, es lag in der Natur der Sache, dass sie nach neuen Ufern Ausschau halten musste.

      Am Freitag wollte sie im kleinen Kreis ihre Beförderung feien, eingeladen waren Meier, Kriminalrat Koch, Staatsanwalt König und Frau Dr. Keeser

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