Der falsche Gelehrte. Winfried Wolf

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Der falsche Gelehrte - Winfried Wolf

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beweisen, ich habe keine Gelegenheit gehabt, ein Personenfeststellungsverfahren in die Wege zu leiten, dafür hätte mein Gefühl auch keine Begründung geliefert. Der Mann sah aus wie Prager, ich glaubte auch die Stimme wieder zu erkennen, aber ich werde trotzdem das Gefühl nicht los, dem falschen Prager begegnet zu sein. Meier nickte und fuhr sich mit der Hand ans Kinn, das machte er immer, wenn er die Dinge abzuwägen begann. Herr Fuchs, ich würde jetzt gerne sagen, Sie haben mir sehr geholfen, aber das stimmt nicht. Sie haben bei mir eher gewisse Zweifel genährt. Wir sollten auf jeden Fall in Kontakt bleiben, es kann sein, dass ich Sie einmal bitten muss, für ein Protokoll ins Präsidium zu kommen. Ja klar, habe ich mir schon gedacht. Ich bin jedenfalls froh, dass ich Ihnen das jetzt erzählt habe. Sie sehen, Herr Kommissar, die Polizei kann auch entlasten.

      Meier winkte einen Kellner herbei und beglich die Rechnung. Einen Espresso und einen Cappuccino, das macht 3,50 Euro. Meier gab fünf Euro und wehrte die Danksagung des Psychiaters mit der Bemerkung ab: Ich bin ja froh, dass ich für den Glitzerschmuck hier keine Verwendung habe, aber wenn Sie Ihrer Frau noch etwas einpacken lassen wollen, ich warte gern.

      Beim Deutschen Haus verabschiedete sich Hauptkommissar Meier von Dr. Fuchs. Ihren Heimweg traten beide in verschieden Richtungen an. Meier ging über den Augustinerplatz, vorbei an der Modeboutique Adèle. Um diese Zeit waren die Geschäfte schon geschlossen, er hätte sonst der aparten Frau Körner noch einen Besuch abgestattet. Er überlegte kurz, ob er noch im Café Aspekt in der Bertoldstraße vorbeischauen sollte. Hier hatte ihm Gerlinde Körner von der seltsamen Begegnung ihrer Freundin Hannah mit einem Mann erzählt, der sie in der Umkleidekabine eines Kaufhauses belästigt hatte. Das Kuriose daran war, dass sie diesen Mann zuerst für ihren eigenen Mann gehalten hatte, dann aber feststellen musste, dass sie ein Unbekannter an den Busen gegriffen hatte. Meier musste noch einmal mit Gerlinde Körner sprechen. Sie kannte Prager am besten und wusste vielleicht auch, wo der sich gerade aufhielt. Er würde sie morgen anrufen und ein Treffen mit ihr vereinbaren. Die Aussicht auf dieses Treffen heiterte ihn etwas auf. Er war nicht der Typ, der auf Frauen zuging, eine Annäherung auf dienstlichem Wege aber schien ihm nicht verwerflich zu sein.

      Titel

      Nihil in terra sine causa fit oder Nichts auf Erden geschieht ohne Grund.

      Er nahm die Straße über Miamou , Plora und Platanos und erreichte nach zwei Stunden die Ausgrabungsstätte der antiken Stadt Gortyn . Die weiter nach Heraklion führende Hauptstraße führte direkt durch das ehemalige Zentrum der antiken Stadt, die unter den Römern die Hauptstadt Kretas gewesen war. Die meisten Touristen, die hierher mit dem Bus oder einem Mietwagen kamen, besuchten fast ausnahmslos die sog. Odeion mit seinen berühmten Gesetzestafeln. Wenige verirrten sich in den großen Olivenhain südlich der Hauptstraße. Hier lagen weitere antike Ausgrabungen versteckt und hier wollte Prager nun schon zum wiederholten Mal in aller Ruhe zwischen den alten Olivenbäumen nach den Überresten der antiken Stadt suchen. Einzelne Ruinen waren hier noch in einem erstaunlich guten Zustand.

      Wie schon bei seinem letzten Besuch stellte Prager den Mietwagen auf dem Parkplatz des zentralen archäologischen Geländes von Gortyn ab. Jetzt, Ende Mai waren erst wenige Touristen unterwegs. Aber ein Bus aus Agia Galini mit dem Schild „Schauinsland“ hinter der Frontscheibe hatte einen Schattenplatz nicht weit vom Eingang des umzäunten Geländes gefunden. Prager vermutete, dass der kleinen Ausflugsgruppe gerade die Gesetzestexte im römischen Odeion gezeigt wurden. Die Führung ist sicherlich auf Deutsch und könnte eine Anregung sein, dachte Prager. Entgegen seiner ursprünglichen Absicht, sich heute eingehend die Palastanlage des römischen Provinzgouverneurs anzusehen, kaufte er sich eine Eintrittskarte für das kleine Museum auf dessen Areal sich auch die Titus-Basilika und das Odeion befanden. Als er sich dem Rundbau näherte, sah er schon die Besuchergruppe auf der Agora der antiken Stadt stehen. Beim Herankommen hörte er, dass eine blonde Frau, die eine Gruppe von etwa 15 Touristen um sich geschart hatte, Erklärungen in deutscher Sprache gab. Prager setzte sich etwas entfernt auf eine Stufe des alten Theaters und lauschte, was die Frau zu sagen hatte. Es waren die üblichen Erklärungen, die man in jedem kleinen Kretaführer nachlesen konnte: Was Sie hier im geschützten Bereich des Odeions sehen können, befand sich ursprünglich an den Wänden eines öffentlichen Gebäudes an der Agora. Erhalten sind nur zwölf der Tafeln, die sich auf den Wänden eines hellenistischen Gebäudes befanden, das in römischer Zeit in den Bau hier mit einbezogen wurde. Bei der „Großen Inschrift“ handelt es sich um Gesetzestexte. Da finden Sie z. B. Regeln aus dem Familienrecht. Ich lese Ihnen da mal was vor, damit Sie sich eine Vorstellung machen können. Die Frau mit den kurzen, aber nicht unweiblich wirkenden blonden Haaren, kramte einen Zettel aus ihrer Umhängetasche und las: , Wenn Mann und Frau sich scheiden, soll sie das Ihrige haben, was sie mitbrachte zu dem Manne, und von dem Ertrage die Hälfte, wenn solcher aus ihrem eigenen Vermögen vorhanden ist, und von dem, was sie erarbeitete, die Hälfte, was es auch ist.. .‘ Also immer nur die Hälfte, rief ein Mann aus der Gruppe, das ist ja heute nicht anders. Eine kleine Dicke im viel zu kurzen Jeansrock kicherte, siehst du Egon, wie ich gesagt habe, immer die Hälfte. Die Frau mit der Kurzhaarfrisur wollte sich aber jetzt nicht unterbrechen lassen. Liebe Gäste, es ist leider etwas komplizierter, es geht ja hier nicht nur um die Rechtsstellung geschiedener Frauen und Witwen, sondern auch um die nach einer Scheidung geborenen Kinder und die Kinder, die aus Mischehen hervorgegangen sind. Der Zwischenrufer von eben fragte: An welche Mischehen ist denn hier zu denken? Die Führerin hob etwas unsicher die Schultern. Na, ich denke mal, dass damit Ehen zwischen Personen bezeichnet werden, die unterschiedlichen Religionen angehören. So viel ich weiß, gab es doch bei den Griechen und Römern die Vielgötterei, wie soll das denn dann geregelt werden? entgegnete der Mann.

      Prager musste grinsen, solche Typen konnten jede Führung zerlegen. Die blonde Führerin tat ihm leid. Ihr fehlte jetzt offensichtlich der nötige Humor, um mit solchen Situationen souverän umgehen zu können.

      Prager stand auf, vorn beim Museumsladen gab es eine kleine Restauration, ein Tee wäre jetzt nicht schlecht. Die deutsche Gruppe würde hier sicherlich mit ihrer blonden Führerin noch eine kleine Rast einlegen, schließlich wollten auch Karten für die Lieben daheim gekauft werden. Prager musste nicht lange warten, bis die Gäste aus Deutschland den Kartenständer umlagerten. Die Führerin der Gruppe hatte sich auf einen Gartenstuhl neben der Skulptur eines Philosophen niedergelassen. Gute Wahl, dachte Prager. Er nahm seinen Klappstuhl und setzte sich, ohne eine Antwort auf sein „Gestatten Sie?“ abzuwarten, neben sie. Entschuldigen Sie, aber einer deutschen Stimme folgt man hier gern. Ich habe ohne Ihre Erlaubnis an Ihrer Führung teilgenommen, im Nachhinein herzlichen Dank. Darf ich Ihnen einen Tee oder eine Limonade bringen? Die Frau lachte, so viel Anteilnahme bin ich gar nicht gewohnt, aber wenn Sie mich schon so fragen, ich hätte gern einen Tee. Prager legte seinen Strohhut auf die Sitzfläche seines Gartenstuhls und holte von der Theke das Gewünschte. Reisen Sie allein, fragte die Frau, nachdem sie einen Schluck zu sich genommen hatte. Ja, ich habe das Vergnügen. Ist es wirklich ein Vergnügen, allein zu reisen? Wenn man sein ganzes Interesse der Geschichte widmet, kann es von Vorteil sein, lächelte Prager. Oh, dann waren Sie eben ein kritischer Zuhörer meiner Ausführungen. Wie Sie vielleicht bemerkt haben, war meine Gruppe heute auch etwas kritisch. Prager las das Namenskärtchen ihres Reisebüros auf der Bluse. Sie haben Ihre Sache sehr gut gemacht, Frau Gloger, aber es gibt wohl in jeder Gruppe ein paar Banausen. Allerdings, wenn ich das sagen darf, bei Ihren Erklärungen zur Mischehe lagen Sie nicht ganz richtig. Sie haben die moderne Form der Mischehe angesprochen. Bei den alten Griechen aber handelte es sich dabei um Ehen zwischen Sklaven und Freien. Das hat die Regelungen im Familienrecht damals erheblich verkompliziert, aber, das muss man sagen, es wurde immerhin geregelt und konnte nicht nach Gutdünken gelöst werden. Frau Gloger lachte, da kann ich ja froh sein, dass Sie nicht in meiner Gruppe waren. Vielleicht wäre es dann das Beste gewesen, Ihnen die Erklärungen zum Familienrecht zu überlassen. Prager wehrte ab, die Frau gefiel ihm. Jetzt hatte sie ihren Humor zurückgewonnen und gut sah sie in ihrer olivfarbenen Schlabberhose mit der eingesteckten hellgelben Bluse auch aus. Die kurzen Haare passten zu ihrer sportlichen Erscheinung und ihrer gebräunten Haut.

      Meine

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