MINUS. Jon Pan
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу MINUS - Jon Pan страница 8
»Natürlich in seinem Büro«, rutschte es Violette heraus.
»Was heißt hier natürlich!«, reagierte Frau Werenfels gleich. »Ich habe Sie etwas gefragt und will eine anständige Antwort! Bemerkungen dieser Art können Sie sich sparen, Fräulein«! Den Namen ließ sie weg. »Also rufen Sie ihn schon! Und nicht per Telefon! Es schadet nicht, wenn man seine Beine benutzt, ein so junges Ding wie Sie – also bitte!« Die runde Pelzmütze auf dem Kopf, starrte sie Violette an, sprühende Unzufriedenheit in einem käsigen, faltigen Gesicht. Ihre Hand fuchtelte kurz, als verscheuchte sie ein lästiges Insekt.
Violette machte sich auf den Weg, um Mangold zu holen. Warum sie die Dame nicht einfach zu ihm begleiten konnte, begriff sie nicht. Mangold schien die Anwesenheit von Frau Werenfels sofort auf die Stimmung zu schlagen. Violette glaubte sogar, dass er noch bleicher wurde.
»Ahh, Frau Werenfels«, begrüßte er sie mit gedämpfter Stimme, kaum stand er unter der Tür, um ihr dann zuvorkommend entgegenzueilen.
»Ich werde Sie nun zur Rede stellen, Herr Mangold!«, wurde er jedoch sofort angekeift. »Wenn es sein muss, vor allen Mitarbeitern. Das geht nämlich zu weit!«
Violette konnte beobachten, wie der Buchhalter in sich zusammensackte, wie seine freundliche Miene, die er sich mit aller Kraft aufgesetzt hatte, zu einer ängstlichen Grimasse verfiel Er glitt in eine lächerliche Kriecherpose hinein.
»Sie können nicht eigenmächtig über die Firma verfügen!«, fuhr ihn Frau Werenfels an. »Sie glauben wohl, durch die Abwesenheit meines Mannes selber Dinge entscheiden zu können und Änderungen vorzunehmen, zu denen Sie überhaupt nicht berechtigt sind! Oder wer hat ihnen erlaubt, das Geld für die Löhne eigenmächtig bei der Bank auszubuchen?«
Er wollte etwas einwenden, doch Frau Werenfels herrschte ihn weiter an: »Sie haben keine Vollmacht. Das sollten Sie wissen. Die Bank hat mich soeben informiert! Unterlassen Sie das in Zukunft, sonst wird es Konsequenzen für Sie haben, das garantiere ich ihnen!«
Violette stand erstarrt da. Noch selten hatte sie eine solche Demütigung eines Menschen erlebt. Warum setzte sich Mangold nicht zu Wehr? Aber nein, er stellte sich nicht gegen diese gemeinen Attacken, die aus den blutleeren, trockenen Lippen der Frau des Chefs gegen ihn abgefeuert wurden. Stattdessen entschuldigte er sich für den Vorfall.
»Gut, dass Sie das einsehen, Herr Mangold.« Frau Werenfels wurde unerwartet versöhnlich. Dabei wölbte sie ihre Brust etwas vor und drückte mit beiden Händen die Pelzmütze zurecht. »Kommen Sie mit!«, befahl sie dann dem Buchhalter. »Ich will etwas im Lager nachschauen, nicht dass dort die Hälfte fehlt!«
Mangold schritt vor. Wie Frau Werenfels unter der Tür stand, drehte sie sich um und fuhr Violette an: »Schließen Sie die Tür! Wir heizen hier nicht für die Katz!«
Wie lange konnte das so weitergehen? Fast ein wenig wehmütig dachte Violette an die Zeit zurück, als Herr Werenfels noch die Führung der Firma hatte. Er würde wieder kommen, aber wann, das war die Frage …
Kapitel 4
Violette verließ kurz nach halb sechs Uhr abends die Weinhandlung. Es hatte seit Tagen nicht mehr geregnet. Trotzdem trug sie zur Sicherheit den Regenschirm bei sich, da der Himmel stark bewölkt war. Die Dunkelheit senkte sich auf die Häuserreihen herab, ließ sie grösser und mächtiger wirken. Teils waren Fenster schon beleuchtet, gelbliches Licht schien in die noch immer feuchte Luft.
Der heutige Nachmittag mit Frau Werenfels war äußerst mühsam gewesen. Violette fühlte sich müde und verbraucht. Es lag ein schlechter Tag hinter ihr, der schlimmste bisher, wie sie fand.
War das möglich! Mangold stand schon bei der Bushaltestelle! Er musste die Firma vor Violette verlassen haben. Das tat er sonst nie. Hatte ihn die Demütigung, mit der Frau Werenfels ihn gequält hatte, dazu veranlasst?
Sie durfte nicht langsamer werden, ihr Schritt musste konstant bleiben. Und etwas in ihr zwang sie dazu, den Kopf zu senken. Und doch sah sie deutlich das Bild des wartenden Buchhalters vor sich: halblanger, dunkler Mantel, dunkler Hut, der schmale Mund und die tiefliegenden Augen hinter dem Glas der randlosen Brille. Violette hätte die Straßenseite wechseln können, wenn auch ganz plötzlich und dadurch auffällig. Zu spät. Sie hob den Kopf und sagte laut und deutlich: »Gute Nacht und bis morgen, Herr Mangold.«
»Ja, bis morgen«, sagte er leise zurück, und seine Brillengläser blitzten durch das Scheinwerferlicht eines vorbei fahrenden Wagens kurz auf.
Sie befand sich genau auf seiner Höhe. Und blieb stehen, schaute kurz die Straße hinunter. Der Bus war nirgends zu sehen.
»Warten Sie auch auf den Bus?«, fragte Mangold überraschenderweise, wobei er ihr sogar das Gesicht zu wandte.
»Ich nehme doch nie den Bus«, antwortete Violette. Warum ging sie nicht weiter? Wäre der Bus gekommen, so hätte es Klarheit in die Situation gebracht. Aber der kam nicht. Jetzt musste sie sich entscheiden – ob weitersprechen oder weitergehen.
»Haben Sie etwas von Herrn Werenfels gehört?«, sprach sie weiter.
Mangolds Gesicht blieb regungslos. Vielleicht dachte er nach. Aber warum antwortete er nicht? »Es wird noch dauern«, sagte er dann mit abwesendem Blick.
Warum sprach es Violette nicht aus? Es drängte in ihr nach Befreiung, dieses Gefühl, von dem sie nicht genau wusste, woher es kam und weshalb sie es ausgerechnet in diesem Moment so stark verspürte. Mitleid mit diesem Mann, oder was es auch immer war!
»Bestimmt noch zwei bis drei Wochen«, ergänzte Mangold.
»Das ist sehr lange«, bemerkte Violette. Und dann sprach sie es aus: »Es ist sehr unangenehm, wie Frau Werenfels sich benimmt.«
Mangold zeigte keine besondere Reaktion. Aber was erwartete sie denn von ihm? Er konnte sich zurückhalten, schlucken, verdrängen, genau wie sie das selbst ebenfalls beherrschte. Da gab es momentan nichts, das er ihr hätte zeigen können.
»Es wird vorbeigehen«, bemerkte er nur und schaute sich uninteressiert um.
»Ich finde es auf jeden Fall ungerecht«, sprach Violette weiter und realisierte, dass sie damit eine Grenze überschritt, die bisher tabu gewesen war.
»Ja, ungerecht«, wiederholte er. »Kann sein.« Und dann fragte er etwas, das sie von ihm nie erwartete hätte, den Blick gesenkt: »Hätten Sie kurz Zeit, mit mir einen Kaffee trinken zu gehen?«
Violette blickte auf ihre Armbanduhr, ohne dabei die Zeit wahrzunehmen. Eine Verlegenheitsgeste, sekundenschnell und beiläufig, bevor sie leicht lächelnd meinte: »Das lässt sich machen, Herr Mangold.«
Der Buchhalter schlug ein Café vor, das ganz in der Nähe lag. Violette kannte es von außen, weil sie täglich daran vorbei ging. Damit war sie einverstanden.
Sie schritten nebeneinander her, schwiegen beide.
Hatte die Einladung mit dem Benehmen von Frau Werenfels zu tun? Wollte Mangold versuchen, sich Violette gegenüber zu rechtfertigen?
Sie betraten das Lokal. Der Buchhalter bemühte sich zuvorkommend um das Öffnen und Schließen der Eingangstür, hinter dem ein roter, steifer Vorhang aus plastifiziertem Material hing. Es gab einige kleine Tische in dem