MINUS. Jon Pan

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MINUS - Jon Pan

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sah, wie Hardmeier sich dort umschaute. »Sie haben doch eine Freundin?«, sagte sie.

      »Verlobte«, verbesserte Hardmeier. »Sie ist meine Verlobte.«

      »Und was suchen Sie hier?«, fragte Violette, wobei ihre Stimme strenger klang.

      »Ein kleiner Besuch bei einer Arbeitskollegin ist doch nichts Unmoralisches!«, antwortete Hardmeier, der nun beim Fenster stand, den Vorhang etwas zur Seite schob und auf die Straße hinunter schaute.

      Violettes befand sich nun unter der Wohnzimmertür. Mit der Hand prüfte sie unauffällig nach, ob der Bademantel vorne auch ganz geschlossen war.

      Hardmeier holte eine Packung Zigaretten und Feuerzeug aus der Manchesterjacke und fragte: »Darf man hier rauchen?«

      Was sollte sie ihm antworten. Was sollte sie überhaupt tun? Da er die Zigarette schon angezündet hatte, ging sie in die Küche und kam mit einer Untertasse zurück, die sie auf den Esszimmertisch stellte. Hardmeier schaute Violette direkt an, die brennende Zigarette hing im Mundwinkel. »Danke«, murmelte er.

      »Ich möchte nicht, dass jemand aus der Firma von ihrem Besuch hier erfährt«, verlangte sie.

      »Wovor haben Sie Angst?«, fragte er und nahm einen kräftigen Zug von der Zigarette. »Vor Werenfels oder gar vor seiner Alten, die in den letzten Tagen so großartig in der Firma herum spuckt? Oder würde es Sie stören, wenn Mangold davon erfährt?«

      »Ich will das einfach nicht, Herr Hardmeier! Und ich bitte Sie, das zu respektieren!«

      »Das werde ich tun, darauf können Sie sich verlassen«, garantierte er ihr, griff sich an den Mund und betonte: »Ich kann schweigen wie ein Grab!«

      Begriff er denn nicht: Sie wollte nichts mit ihm zu tun haben!

      »Wir könnten doch mal zusammen ausgehen«, schlug er wieder vor. »Sie sehen immer so schlecht gelaunt aus, was ich schade finde. Sie müssen ab und zu unter die Leute gehen, sich ein bisschen amüsieren, dann fühlen sie sich besser.«

      »Was erlauben Sie sich eigentlich!«, empörte sie sich. »Mir geht es gut.«

      »So.« Er schaute sie kritisch an. »Dann erzählen Sie mir mal, was Sie abends so treiben. Es muss – «

      „Ich treibe nichts«, unterbrach sie ihn.

      »Sie spielen ihre Rolle schlecht«, sagte er plötzlich erstaunlich ernsthaft, wobei er für Sekunden diese oberflächliche Art verlor und einen Zug an sich hatte, der gar nicht zur sonstigen Person Hardmeier passte. Vermutlich begriff er das selbst nicht, aber Violette nahm es voll und ganz in sich auf.

      »Ich fühle mich wohl«, beharrte sie, »sehr wohl sogar. Jeder lebt sein Leben so, wie es ihm gefällt. Und da trennen sich die Ansichten eben.«

      Hardmeier schritt zum Esstisch und drückte die gerauchte Zigarette in der Untertasse aus. »Es ist doch Scheiße in der Firma, nicht?«, sagte er dann.

      Das kantige Gesicht des Fahrers strahlte keine besondere Intelligenz aus. Violette blickte in zwei Augen, die in naiven Erwartung fast fiebrig glänzten. Sie mochte diesen Ausdruck nicht, er war ihr zu unbedeutend, er spiegelte eine Hilflosigkeit, die sie in anderer Form an sich selbst nur zu gut kannte.

      »Es ist doch so«, hakte Hardmeier nach.

      »Wie kommen Sie darauf?«, fragte sie zurück.

      »Man muss zusammenzuhalten«, antwortete er.

      Auch wenn dahinter eine eindeutige Absicht versteckt sein sollte, so wirkte sie durch eben sein Gesicht niemals raffiniert.

      »Darüber will ich nicht reden«, sagte sie. »Ich bin nun wirklich müde und muss mich schlafen legen. Also, gehen Sie jetzt.«

      Er schritt neben ihr vorbei. Sie folgte ihm, nicht sehr dicht, die Untertasse mit dem Zigarettenstummel in der Hand. Bei der Wohnungstür drehte sich Hardmeier um. Violette blieb auf Distanz, steif, unbeholfen.

      »Dann also«, verabschiedete sich der Fahrer, wobei er die Hand leicht hob. »Ich hoffe nur, dass Sie mich nun nicht noch mehr nicht mögen!«

      Der Satz klang deplatziert. Hardmeier setzte ein Grinsen auf, öffnete lässig die Tür und trat hinaus.

      Keineswegs wirkte er geschlagen, denn er hatte vermutlich nur umdisponiert und ein neues Abkommen mit sich vereinbart.

      Violette fand anschließend keine Ruhe. Im Bett liegend, wälzte sie sich hin und her, stand wieder auf, setzte sich in die Küche, trank eine Tasse Tee.

      Wie sie so ins Schlafzimmer zurück ging und ihr Blick kurz ins verdunkelte Wohnzimmer fiel, atmete sie den Rest abgestandenen Zigarettenrauchs ein und konnte gar nicht glauben, dass sich ein Mann wie Hardmeier dort drinnen aufgehalten hatte!

      Als Violette am nächsten Morgen bei der Weinhandlung ankam, sah sie, dass das Tor zum Hinterhof offen stand. Vielleicht war Hardmeier schon da gewesen, früher als sonst? Oder Mangold, der bereits im Büro saß, hatte das Tor geöffnet. Aber wieso hätte er das tun sollen? Der Lieferwagen stand nicht hinten bei der Rampe.

      Nur wenig später klopfte Violette gegen die Tür des Buchhalters. »Ja, bitte«, hörte sie seine matte Stimme und trat ein. Sie hatte eine Rechnung in der Hand, eine kleine Unklarheit betreffend der Zahlungsmodalität, eigentlich unnötig, deswegen den Buchhalter zu fragen. Und das war auch nicht der Grund, warum sie den Mann aufsuchte. Die Sache mit der Rechnung war schnell geklärt. Schon bei der Tür angekommen, blieb Violette stehen und fragte: »Herr Mangold, haben Sie zufällig einen Schlüssel für das Tor zum Hinterhof?«

      Er hob den Kopf, schaute sie an: »Einen Schlüssel für den Hinterhof«, wiederholte er. »Nein. Das Schloss funktioniert sowieso schon lange nicht mehr.«

      »Dann haben Sie also das Tor gestern nicht geschlossen?«, fragte Violette weiter.

      »Nein«, antwortete Mangold, und sein Gesicht verriet, dass ihn diese Frage erstaunte. »Warum sollte ich das Tor schließen? Damit habe ich nichts zu tun. Es steht sowieso immer offen. Aber vielleicht hat Herr Hardmeier – «

      »Das glaube ich nicht«, unterbrach sie ihn und wollte das Büro verlassen.

      »Gibt es Probleme?«, wurde sie zurück gehalten. »Ich meine, wozu interessiert es Sie, ob das Tor zu oder offen steht? Das gehört nicht zu ihren Aufgaben!«

      »Ich dachte nur, es wäre zu gewesen, gestern, als ich nach Hause ging«, antwortete sie. »Aber es spielt ja keine Rolle.« Sie sah noch, wie Mangold ihr nachschaute, vielleicht wollte er noch etwas sagen, doch da war sie schon draußen.

      Hardmeier kam kurz vor zwölf die Post holen. Er verhielt sich unerwartet zurückhaltend und spielte in keiner Weise auf seinen gestrigen Besuch an.

      Sollte sie eine Bemerkung wegen dem Tor machen? Er hatte doch gelogen, war unter einem Vorwand bei ihr in der Wohnung vorbei gekommen. Sie sagte nichts. Aber die Gedanken um den Vorfall beschäftigen bis nach der Mittagspause, genau genommen bis zu dem Zeitpunkt, als Frau Werenfels angetrabt kam.

      Fünf nach drei Uhr war es genau, als die Tür zu Violettes Büro aufging und die unverkennbar Stimme der Frau des Chefs sich in die vorher so angenehme Stille hineinzwängte. Es folgte das Zeremoniell mit dem Pelzmantel,

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