Afghanistan Horsegirl. Norbert F. Schaaf
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Jäh und unvermittelt erschallte sein einsamer Kampfschrei, schneidend und scharf und langgezogen wie der des jagenden Steppenwolfes, als der junge Mensch, angetrieben von Peitsche und Sporen, sich in das Gewühl stürzte. Keiner der Chapandas war auf diese Attacke von hinten gefasst gewesen. Das Reiterpaar durchbrach wie ein Geschoss die Reihen der Kämpfenden, ließ sich mit äußerster Geschicklichkeit gen Boden fallen, und fand sich unvermittelt, genau nach seiner Berechnung, um eine Armeslänge von dem Hammelkadaver entfernt. Das Aas wie im Flug packend, nur einen Stiefel im Steigbügel, in linker Hand die Zügel, die Peitsche verbissen zwischen den Zähnen, riss er es an sich. Er zügelte sein Pferd, dass es sich aufbäumte und mit den Vorderhufen die Luft schlug, ehe es pfeilgeschwind umkehrte, und das Reiterpaar entschwand durch dieselbe, noch nicht völlig geschlossene Bresche.
Sogleich aber vernahm er hinter sich das wilde Getrappel und wüste Geschrei seiner Verfolger. Ihm war bewusst, dass sie ihn trotz der Schnelligkeit seines jungen Hengstes rasch einholen würden. Selbst wenn er noch vor ihnen den ersten Mast erreichte, würden andere versuchen, ihm auf dem kürzesten Weg entgegenzureiten und sich ihm, weit vor dem zweiten Mast, in den Weg stellen.
Wozu sich also dann in einem im Vorhinein verlorenen, sinnlosen Rennen aufreiben? Das wäre neben der Aussichtslosigkeit zudem noch äußerst töricht. Hatte er sich nicht vor aller Augen ausgezeichnet? Das musste genügen. Nun galt es, langsamer zu werden, sich nach kurzem Scheingefecht das Hammelaas abnehmen zu lassen, um die nächste günstige Gelegenheit abzuwarten.
Nichts anderes forderte das Gesetz des Kampfes. Aber ein anderes, ein älteres Feuer als bloßer Siegeswille, brannte jetzt im Gemüt des jungen Menschen. Jahrelang hatte er versucht, jenes Feuer zu bezwingen und es zu ersticken, um nun, unendlich erleichtert, jählings Geduld und Warterei, Vorsicht und Berechnung abzuwerfen, um nur noch Muskeln und Nerven, Leidenschaft und Zähigkeit, Schnelligkeit und Wildheit zu sein.
Renn, mein Pferd, renn! Renn wie Wind und Sturm – wir sind die schnellsten, wir sind die stärksten.
In schärfstem Galopp preschte der junge Mensch mit seinem Ross voran auf die blaue Fahne zu, den Kadaver an einem Hinterlauf fest gepackt, als er sich unversehens von einem Rivalen eingeholt sah, der mit brutalen Peitschenschlägen auf ihn einschlug, bevor er das Hammelaas an einem Vorderlauf ergriff. Die Rivalen ritten eine Zeit lang nebeneinander her, die Peitschen zwischen den Zähnen, den Kadaver jeweils mit der Hand gepackt, dem Kadaver kräftig die Hammelbeine langziehend. Mit einem kraftvollen Peitschenschlag veranlasste der junge Mensch seinen Rivalen, den Kadaver fahren zu lassen, und den Gegenangriff wehrte er ab, indem er seinem Gegner den Kadaver dermaßen um die Ohren und vor die Brust schlug, dass der Angreifer rücklings vom Pferd und mit dem Hinterteil auf den harten Boden stürzte.
Der Sieger dieses Zweikampfs entkam weiteren Verfolgern, indem er in vollem Galopp auf die Zuschauer neben den Ehrentribünen zu ritt, die in wilder Panik nach hinten auseinanderstoben. Das übrige Publikum raste und tobte und feuerte an voller Begeisterung und verfolgte das wilde Reiterpaar mit fanatischen Augen, als es zurück aufs Spielfeld in östliche Richtung galoppierte.
Da näherte sich von hinten zur rechten Seite ein weiterer Reiter mit flatterhaft gewickeltem Turban und peitschte auf den jungen Menschen ein, wobei der gegnerische Kämpfer das Hammelaas an einem Vorderbein zu packen suchte. Der junge Mensch, darauf bedacht, nicht im Gesicht getroffen zu werden, wehrte den Gegner ab, indem er mit dem Balg auf den anderen einschlug, der sich, auf solche Art bedrängt, zurückfallen ließ, um eine neue Attacke von der anderen Seite zu starten. Als sich der Reiterrivale mit seinem Pferd auf die linke Seite des jungen Menschen, der tief auf den Pferdehals gebeugt dahinritt, herangeschoben hatte, griff die rechte Hand des Turbanträgers über den gegnerischen Sattel, um den Hammelkadaver zu ergreifen. Doch er glitt ab, und statt des Hammelbeines erwischte er das Gewand des tief über den Pferdehals gebeugten jungen Menschen unterhalb der Kehle, das sogleich samt Unterkleid von oben nach unten einriss und die entblößte Haut bis unter den Bauchnabel freigab. Vor Schreck und Scham ließ der junge Mensch den Kadaver los und versetzte dem ungeheuer verblüfften Gegner einen harten Peitschenschlag ins Gesicht mitten zwischen die Augen. Die Verblüffung des Reiters war so groß, dass er den Schlag unvorbereitet einsteckte und ihm schwindelig wurde. Ein zweiter heftiger Schlag aufs Handgelenk ließ ihn die Zügel fahren lassen. Er stürzte, seine Peitsche noch zwischen den Zähnen, blieb mit einem Bein im Steigbügel hängen und schlug mehrmals mit dem Kopf auf dem von der Hitze fest gebackenen Erdboden auf. Das Pferd brach vor Schreck in einem scharfen Bogen zur Seite aus, wobei sich der Fuß des Reiters aus dem Steigbügel löste und seinen Körper zu Boden stürzen ließ. Er überschlug sich mehrmals und wurde dabei an der Stirn von den Vorderhufen des rivalisierenden Pferdes getroffen, das sich dabei selbst verletzte, vorn einknickte und seinen jungen Reiter über den Hals nach vorne abwarf. Indes sich der gestürzte gegnerische Reiter noch ein weiteres Mal überschlug, bevor er reglos mit gebrochenem Hals liegen blieb. Ein Krankentransporter deutscher Bauart, gekennzeichnet mit grünen Halbmonden, fuhr unter Blinklicht herbei, um den verunglückten Kämpfer aufzunehmen.
Unterdessen führte der junge Mensch sein jetzt stark humpelndes Pferd, das er mit einem schrillen Pfiff herbeigerufen hatte, mit der linken Hand sein zerrissenes Gewand unter dem gesenkten Kopf zusammenhaltend, am herabhängenden Zügel abseits der Tribünen durch die Reihen des Publikums in scharfem Trab vom Kampfplatz, unter vielen mitleidigen, aber mehr noch höhnischen Schmährufen und hämischen Kommentaren der Mitkämpfer und der Zuschauer, für die in Vielzahl der junge Mensch, wie er selbst meinte, durch sein zunächst sich zurücknehmendes Verhalten und schließlich durch das schmähliche Fahrenlassen des Hammelkadavers seine Ehre eingebüßt hatte.
Gleichwohl empfand der junge Mensch sein frühes Scheitern in dem Buskashi sehr viel weniger demütigend, als von einem Rivalen in seiner kompromittierenden Nacktheit erkannt worden zu sein. Die Augen fast blind von Tränen der Wut, des Versagens und mehr noch des Gefühls der Entehrung, zogen die traurigen Gestalten von Mensch und Pferd nebeneinander gen Südosten, um sich im unwegsamen Gebirge zu verkriechen.
2 Die Seilbrücke
Der rotblonde Mann unter den Zuschauern, vorhin noch kurz auf den Großbildleinwänden zu sehen, mittleren Alters mit westeuropäischen Zügen und einer Gesichtshaut so voller Sommersprossen, dass sein Teint wie leicht gebräunt wirkte, blickte dem jungen, gebeugten Reiter mit seinem verletzten Pferd neben sich gedankenvoll aus seinen hellblauen Augen nach; er hatte ihn die ganze Zeit, auch auf der Großbildleinwand, beobachtet. Besonders fiel ihm außer der Jugend des forschen Chapandas dessen auffällig graziler Gang auf, so völlig verschieden von dem der anderen Männer, die aufgrund der hohen Absätze ihrer Stiefel stets ein wenig plump und unbeholfen ihre besonders viril wirken sollenden Schritte setzten. Noch bevor nun das Buskashi in seine spannendste Phase ging, vernahm der Rotblonde einen Ruf, der ihm selbst galt: „German.“ Er schaute sich um, und obwohl er den Rufer nirgends gewahrte, folgte er, unwillig und widerstrebend, dem Ruf und drängte sich durch die Reihen der enthusiastisch schreienden und wild gestikulierenden Zuschauer, die ihn kaum beachteten, aber froh waren über den guten freiwerdenden Aussichtsplatz. Der Mann stieg in einen bereitstehenden Geländewagen, der die beiden Männer in eine abgelegene Gegend bringen sollte, um zunächst eine größtenteils zerstörte Hängebrücke instandzusetzen und womöglich noch nach Bedarf die eine oder andere Brunnenbohrung und kleinere Sprengungen von Felsbarrieren vorzunehmen.
Der Fahrer, ein junger Einheimischer mit lose herabhängenden Turbanenden,