Das Geheimnis des Bischofs. Stefan Sethe
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„Waren Sie schon mal beim hiesigen Theaterball oder zum Sommerfest?“ begann er das Gespräch, während er sich auch einen Rotwein bestellte „Es gibt nichts Besseres. Da können sich der Bundespresseball oder die Berliner Sommerfeste der Landesvertretungen oder der Spitzenverbände und Ministerien glatt verstecken.“
Gebürtig aus Schleusingen, kaum 30 Kilometer entfernt, kannte Lea Rose natürlich die Veranstaltungen der Meininger, hatte aber keine Vergleichsmöglichkeiten. Nur einmal war sie zum Theaterball in Weimar gewesen. Spätestens danach ahnte sie allerdings, dass das Theater in Meiningen hinsichtlich des fröhlich-engagierten Zusammenwirkens wohl in einer anderen Kategorie spielte.
Sie unterhielten sich noch eine Weile über das Stück, dann legte die junge Frau Stefani die Hand auf den Unterarm. „Ich möchte ganz offen sein. Ich arbeite bei der Kripo in Erfurt und möchte Ihnen ein paar Fragen stellen.“
Stefani zuckte leicht zurück.
„Keine Angst, es geht nicht um Sie direkt.“
Stefani wunderte sich etwas. Warum befragte sie ihn ausgerechnet in Meiningen, hatte sie ihm hier aufgelauert? Woher wusste sie, dass sie ihn hier finden würde? Er hatte es gestern selbst noch nicht gewusst. „Wollen Sie mich zu Burkhardt Ulrich befragen?“
„Meinen Sie den verunglückten Ex-Intendanten?“
„Naja, um seinen Tod ranken sich ja allerhand Spekulationen. Besonders, weil er angeblich kurz vor seinem Tod Einsicht in seine Stasi Akte genommen hatte. Immerhin war sein Vater Atomphysiker gewesen, er selbst hatte lange in Russland gelebt und war 1985 über Jugoslawien getürmt. Seine Akte war sicher nicht so ganz dünn, und nach wie vor ist nicht ganz klar, was er in Berlin gewollt hatte, und wer oder was seinen Wagen vor den Toren Berlins gegen einen Baum gesteuert hat. Seine Stasi Akte ist seither nicht mehr auffindbar.“
Sein Gegenüber schaute irritiert. Über Ulrich und seinen Tod hatte sich Lea Rose noch nie Gedanken gemacht, obwohl es ihr Beruf ja nahegelegt hätte. Irgendwie war ihr das Gespräch jetzt peinlich. Die Fragen, die sie sich anlässlich des zufälligen Zusammentreffens mit Stefani während der Pause überlegt hatte, kam ihr jetzt besonders banal vor. Aber da musste sie jetzt durch: „Herr Stefani, kennen Sie Frau Dr. Tamara Edelmann.“
„Warum fragen Sie mich das?“ Natürlich kannte er seine frühere Kollegin. Nach der allerersten Weihnachtsfeier der Staatskanzlei im verschneiten Gabelbach, als es noch intimer zuging und die Belegschaft noch nicht einmal ein Drittel der Sollstärke erreicht hatte, hatte er mit Tamara die Nacht in seiner eiskalten Wohnung verbracht. Er wohnte damals übergangsweise in einer Wohnung in der Rathenaustraße. Etwas anderes war in ganz Erfurt nicht zu finden gewesen. Die Wohnung gehörte einer angehenden Ärztin, die ein halbes Jahr Praktikum in Israel absolvierte. Fünfter Stock, Kohleheizung. Er war zu faul gewesen, die Kohlen aus dem Keller zu holen. Also hatte man sich eng aneinander kuscheln müssen. Schön war es gewesen. Tamara wollte anschließend die Beziehung zu ihm allerdings nicht intensivieren. Gelegentlich hatte er sie in der Registratur besucht, hatte einen Kaffee bekommen, und man hatte ein wenig geplaudert. Das alles wollte er aber keinesfalls der jungen Dame mitteilen, die ihm gegenüber saß, unter schon etwas staubigen Requisiten aus dem Theaterfundus.
Marianne Thielmann, sie hatte die Rolle der Thekla recht passabel gespielt, hatte sich von der benachbarten Premierenfeier gelöst und zog ihren Kollegen Stefan Scheel, ein begnadeter Elvis Presley-Interpret, hinter sich her. „Hallo Andreas! War es nicht toll?! Du glaubst nicht wie viel Spaß die Proben gemacht haben.“
Stefani beschloss, noch einen halben Stern dazuzugeben. Er stellte sie seiner Tischnachbarin vor, ohne sie allerdings zum Bleiben zu ermuntern. Die beiden merkten, dass sie störten und verabschiedeten sich rasch wieder.
Die Kommissarin nahm den Faden wieder auf und wurde deutlicher: „Ja, verzeihen Sie, natürlich kennen Sie Frau Dr. Edelmann. Sie müssen ja etliche Jahre mehr oder minder eng zusammen gearbeitet haben. Ich möchte Näheres über sie erfahren, weil sie seit Weiberfastnacht verschwunden ist.“
„Ach!“ Stefani begann sich etwas zusammenzureimen. „Und warum fragen Sie ausgerechnet mich? Es ist ja nun schon eine Weile her, dass ich in der Staatskanzlei gekündigt habe. Seitdem habe ich Tamara eigentlich auch nicht mehr gesprochen, allenfalls mal von Ferne gegrüßt.“
Lea Rose beugte sich zu ihm: „Die Staatskanzlei mauert. In bewährter Manier will Graus alles unter den Teppich kehren. Zur Staatsanwaltschaft muss ich Ihnen wohl nichts sagen, meine Leute haben auch schon den Schwanz eingezogen, und um das Bundeskriminalamt auf eigene Faust einzuschalten, fehlt mir der Mut.“
Stefani schaute sie an. Leider klang alles sehr plausibel. Mit der Kripo hatte er zwar noch nie zu tun gehabt, aber auch die Schutzpolizei gehörte nicht gerade zu den aktivsten Freunden und Helfern. Unten in seinem Haus zum ersten Schweinskopf war das Waffengeschäft der alteingesessenen Firma Weck. Ab und zu versuchten irgendwelche Dumpfbacken vergeblich, das dicke Sicherheitsglas des Schaufensters zu zerstören. Stefanis diesbezügliche Anrufe bei der Polizei wurden wohl auch im Vertrauen auf das Panzerglas geflissentlich ignoriert. Neulich war es irgendwelchen jugendlichen Idioten aber tatsächlich gelungen, ein größeres Loch in die Scheibe zu klopfen, mit der Hebelwirkung einer Eisenstange war es nur noch eine Frage von Minuten, bis sie zu den scharfen Waffen vorgedrungen wären. Wieder hatte keiner auf Stefanis Alarmierung reagiert. Erst sein wütender Anruf bei der Zentralen Leitstelle der Landesregierung ließ zwei Streifenwagen auftauchen, allerdings mit Sirene, so dass die beiden Täter rechtzeitig flüchten konnten. Stefani konnte den Beamten nicht wirklich böse sein. Dafür, dass diese Menschen unbestechlich sein müssen, halbe Juristen, ganze Psychologen, sportlich fit, nervenstark, immun gegenüber Beleidigungen und darüber hinaus erbärmlich schlecht bezahlt werden, war er froh, dass überhaupt noch jemand Polizist werden wollte. Und gerade die jüngeren Beamten und Beamtinnen gaben durchaus wieder zu Hoffnungen Anlass. Andererseits konnte Stefani durchaus verstehen, dass diese ausgebeuteten Leute sich nicht auch noch mit den Chefs anlegen und sich damit jeder Karrierechance berauben wollten. „Die Durchsuchungsaktion letzten Dienstag stand wohl im Zusammenhang mit dem Verschwinden zu Weiberfastnacht?“
„Ja.“
„Weiberfastnacht ist Tamara Edelmann verschwunden, und erst zwölf Tage später wird nach ihr gesucht?“
„Ich sagte schon, die Staatskanzlei mauert, und wir werden von ganz oben gebremst. Eigentlich hatte ich deshalb auch keine Lust mehr und wollte die Ermittlungen schon einstellen, aber dann sah ich Sie zufällig vorhin im Foyer. Sie haben ja ausreichend Erfahrung mit der Widerborstigkeit der Staatskanzlei und mit politischen Verstrickungen. Vielleicht können Sie mir ein wenig helfen?“
„Was wollen Sie genau wissen?“
„Alles, was Sie mir über Frau Dr. Edelmann sagen können.“
Stefani musste sich eingestehen, dass er relativ wenig über Tamara wusste. Er erinnerte sich an einen großen Leberfleck am Oberschenkel, aber das war wohl nicht die Art von Information, die für eine Kripobeamtin von allergrößtem Gehalt war.
Tamara war immer sehr unauffällig. Sie mochte Mitte 40 sein, vielleicht aber auch schon älter, zumindest hatte sie schon etliche graue Haare. Sie war der Typ, der mit 60 fast genauso aussieht wie mit 20. Nicht hübsch, aber auch nicht unansehnlich; irgendwie indifferent. Ihr genaues Geburtsdatum hatte er mal gewusst, aber wieder vergessen. Er erinnerte sich jedoch, dass sie jeweils im gleichen Monat wie er Geburtstag feierte. Tamara war nicht unbedingt kreativ, aber ganz gewiss auch nicht dumm. In jedem