Das Geheimnis des Bischofs. Stefan Sethe
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Mitte der 80er Jahre hatte sie noch energisch in der Optima die Entwicklung der elektronischen Kleinschreibmaschine der Baureihe S 3000 vorangetrieben. Nach der Wende war dieses Modell nicht mehr konkurrenzfähig gewesen. Zuverlässig und verantwortungsbewusst hatte Tamara Edelmann noch die Abwicklung ihrer Abteilung überwacht, alle Mitarbeiter mit guten Zeugnissen in die Marktwirtschaft entlassen und dann als Letzte der Entwicklungsabteilung das Licht ausgemacht. Die ihr einst Unterstellten hatten meist schon neue Arbeitsplätze in neuen Unternehmen oder in der Verwaltung gefunden.
Unter Stellengesichtspunkten hatte in Erfurt eine Goldgräberzeit begonnen, als die vormalige Bezirkshauptstadt von den frei gewählten Landtagsparlamentariern mit 48 zu 44 Stimmen zur Hauptstadt Thüringens gewählt worden war. Danach galt es, in kürzester Zeit viele tausend Verwaltungsstellen neu zu besetzen. Oft reichte schon ein Vorsprechen beim Pförtner, um noch am gleichen Tag mit einem Arbeitsvertrag in der Tasche nach Hause zu kommen, auf dem die Worte Bayerisches Ministerium oder Hessisches Ministerium oder Rheinland-Pfälzer Ministerium nur notdürftig durchgestrichen und durch Thüringer Ministerium ersetzt worden waren. Wer zuerst kam, mahlte zuerst. Frau Dr. Edelmann kam als Letzte. Die Häuptlingspositionen waren vergeben, sie musste sich unten einreihen. Eine Tätigkeit in der Registratur war nicht gerade das, was sie sich während ihres Physikstudiums in Ilmenau erträumt hatte, aber sie musste froh sein, durch persönliche Vermittlung des Bischofs, der sie zu DDR-Zeiten als engagierte Katholikin kennengelernt hatte, überhaupt noch einen sicheren Arbeitsplatz bekommen zu haben. Immerhin waren weit mehr als 50 Prozent ihrer Landsleute inzwischen arbeitslos oder im Vorruhestand oder in einer sinnlosen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme abgelegt, und es war keineswegs besonders selten, dass sich die Hierarchieverhältnisse nach der Wende umgekehrt hatten.
Das Theaterrestaurant leerte sich langsam. Lea Rose hatte sich ein paar Notizen gemacht. Stefani schaute sie an: „Viel geholfen haben Ihnen diese Informationen wohl nicht. Vielleicht kann man es so zusammen fassen: Tamara ist eine freundliche, bescheidene und wohl auch recht einsame graue Maus. Im kalten Krieg zwischen Ost und West waren solche Frauen bevorzugtes Opfer der sogenannten Romeo-Spione.“
„Sind Sie sicher, dass Frau Edelmann keine Beziehung hatte?“
Stefani lächelte mehrdeutig: „Ich denke, ab und zu wird sie schon eine Bekanntschaft gehabt haben.“
„Niemals etwas Festeres?“
Stefani überlegte. Von einer festeren Beziehung hatte er nie etwas gemerkt. Auch in ihrer Jugend und Studienzeit war sie wohl eher eine Einzelgängerin. Andererseits, wenn da etwas war, z.B. mit einem verheirateten Mann, dann war sie mit Sicherheit so diskret, dass es ihre Umgebung niemals merken würde. „Wie kamen Sie auf die – verzeihen Sie – doch etwas absurde Idee, Tamara zwei Wochen nach ihrem Verschwinden ausgerechnet in der Staatskanzlei zu suchen?“
„Wir müssen davon ausgehen, dass sie Weiberfastnacht das Gebäude nicht mehr verlassen hat.“
Andreas Stefani schaute sie völlig verständnislos an: „Es gibt doch jede Menge Überwachungskameras. Da muss sich doch herausfinden lassen, wann sie gegangen ist.“
„Das Filmmaterial sagt uns, dass sie das Gebäude nicht verlassen haben kann.“
Stefani fühlte sich bestätigt, dass sich da in der Tat etwas Dramatisches anbahnen könnte, was wert war, intensiv verfolgt zu werden. Andererseits bezweifelte er, dass die Polizei die Videobänder penibel genug überprüft hatte: „Haben Sie die Videos noch?“
„Ja, die Staatskanzlei bestand zwar auf einer raschen Rückgabe, aber ich habe mir die etwas veralteten Videobänder auf eine CD kopiert.“
„Wenn es Ihnen Recht ist, dann komme ich gleich morgen mal vorbei, und wir schauen uns die Aufzeichnungen zusammen an. Ich kenne die Mitarbeiter und deren Gewohnheiten. Vielleicht fällt mir etwas auf, was Ihnen bisher entgangen ist.“
Sie verabredeten sich für 10 Uhr am Eingang zur Polizeidirektion in der Andreasstraße. Stefani gefiel diese gradlinige Kommissarin, und sie vermittelte ihm das Gefühl, gebraucht zu werden. So motiviert konnte er zur Höchstform auflaufen.
Auf dem Parkplatz am Werra-Ufer verabschiedeten sie sich. Lea Rose übernachtete bei ihren Eltern in Schleusingen. Stefani fuhr zurück nach Erfurt. Trotz der späten Stunde ließ er sich Zeit und fuhr nicht durch den neuen Rennsteigtunnel, sondern nahm, wie in früheren Zeiten, die Bundesstraße durch Zella-Mehlis und über den Kamm des Thüringer Waldes bei Oberhof. Er liebte diese Strecke, vor allem bei Nacht. Die klare Luft ließ die Sterne besonders nahe erscheinen. Hier hatte er auch den riesigen Kometen Hale Bopp Anfang 1997 entdeckt; schon etliche Tage, bevor die Zeitungen über ihn zu schreiben begannen.
Tamara als Opfer eines Verbrechens? Oder gar Selbstmord? Irgendwie passte so etwas überhaupt nicht zu ihr, obwohl Stefani immer schon gefühlt hatte, dass sie ein Geheimnis mit sich herumtrug. Gleich nach der Wende war dies noch deutlicher als heute. Stefani hätte auf eine Stasi Verbindung getippt, aber offensichtlich hatte sie die Gauck-Überprüfung schadlos überstanden.
Obwohl – Stefani hatte sich in der ersten Nachwendephase fast immer auf sein Gespür verlassen können, das ihm recht zuverlässig sagte, wann er einen Stasi-Belasteten vor sich hatte. Bei Männern war er ein wenig unsicher, aber bei Frauen stimmte normalerweise sein erster Eindruck. Meist war es der Blick, der sein Interesse weckte: Leer, enttäuscht, niedergedrückt. Ein Blick, der ihm erstmals 1989 bei den ausgesprochen hübschen Kellnerinnen im Cafe des Schloss Sanssouci aufgefallen war. Aber er fand diesen Blick auch bei jenen einst von der guten Sache des Sozialismus allzu überzeugten Protagonistinnen, die gesellschaftlich eine gewisse Rolle gespielt hatten, gleichgültig, ob er ihnen nun im Theater begegnete oder im Kaufhaus oder an ihrer Noch-Arbeitsstätte. Die gerade Haltung des Körpers, der stolze, oft leicht arrogante Gesichtsausdruck passte nicht mehr zur inneren Hoffnungslosigkeit.
„Nein, Tamaras Verschwinden muss eine ganz andere Ursache haben,“ murmelte er, während er die letzte Zigarette im überfüllten Aschenbescher seines leidgeprüften uralten Polo ausdrückte und den Wagen auf dem kleinen Parkplatz vor der Staatskanzlei abstellte.
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