Verwandte und andere Nervensägen. Elisa Scheer
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Читать онлайн книгу Verwandte und andere Nervensägen - Elisa Scheer страница 12

„Meinst du, er wollte mal kurz ausbrechen? Er kann sich´s ja leisten, den Job hat er ziemlich sicher, nachdem er jetzt ewig lange so brav war. Wenn das so ist, kommt er doch bestimmt bald zurück, oder?“
„Ich weiß nicht, was soll ihn denn zurückziehen? Mit den Kindern hat er nicht so viel am Hut, er findet, die stellen zu viele Ansprüche. Na, und so toll ist es in letzter Zeit zwischen uns auch nicht mehr gelaufen. Aber eine andere – das glaube ich eigentlich nicht…“ Sie schniefte.
„Glaubst du nicht, dieser mysteriöse Termin war vielleicht bloß so was? Aber wenn er da so aufgeregt war, dann kann er die doch noch kaum kennen, oder? Wenn da wirklich eine andere Frau ist, heißt das.“
„Stimmt wohl“, antwortete Valli müde. „So lange dürfte diese Begeisterung nicht anhalten. Na, meinetwegen. Wenn die Polizei ihn allerdings nur aus einem fremden Bett holt, wird er mir das nie verzeihen. Aber das ist es bestimmt nicht.“
„Warten wir´s ab“, schlug Luise vor. „Mehr kannst du doch sowieso nicht machen.“
„Bleibt mir ja wohl nichts anderes übrig. Na gut, ich ruf dich an, wenn ich was Neues höre.“
Als Valli aufgelegt hatte, saß Luise wieder da und starrte vor sich hin. Merkwürdig, monatelang passierte gar nichts, und jetzt verschwand Johannes und sie hatte diese grässliche Mischpoke am Bein.
Vielleicht hatte der lästige Brandstetter aber kapiert, dass sie kein Interesse an einer Erbschaft hatte, dann musste sie bloß noch Max als den letzten Geist aus der Vergangenheit bannen und alles war wieder wie immer. Wenn Johannes wieder auftauchte, hieß das natürlich.
Der Abend war noch jung – sollte sie sich den Film noch einmal in Ruhe anschauen? Wenigstens einen Teil? Zu mehr reichte ihre Konzentration wahrscheinlich ohnehin nicht. Sie überlegte noch, als das Telefon schon wieder klingelte. So gefragt war sie sonst nicht einmal in einem Monat!
Müde nahm sie ab und nuschelte ihren Namen hinein.
„Wie kommst du dazu, diesen Namen zu benutzen, der steht dir doch gar nicht zu!“, zeterte eine hasserfüllte Frauenstimme.
„Häh – wer ist denn da?“
„Das weißt du ganz genau, du habgierige Person!“
„Passen Sie auf, ich weiß nicht, wer Sie sind, aber wenn Sie hier Telefonterror versuchen, zeige ich Sie an. Und jetzt verpissen Sie sich aus der Leitung, Sie blöde Kuh!“
„Was fällt dir ein, wie redest du denn mit mir, du – du -?“
„Wie ich mit allen rede, die mich am Telefon grundlos beschimpfen – ach nein! Angela? Und schwer betrunken, wie ich vermute?“
„Unverschämtheit!“
„Wenn schon.“ Luise wurde ärgerlich. „Pass mal auf, Süße, welchen Namen ich führe, geht dich einen Scheiß an, euer dämliches Geld könnt ihr euch in den Arsch schieben, und ansonsten schlage ich vor, wir belassen es bei der bisherigen Funkstille. Ich finde euch zum Kotzen, ihr findet mich zum Kotzen, also müssen wir ja nicht so etwas Ekelhaftes wie Familienleben vortäuschen, oder?“
„Unglaublich!“
„Wieso, das wolltest du doch hören? Ich will euer Scheißgeld nicht, und alles andere kann dir doch egal sein. Würdest du das den übrigen Pappschädeln auch ausrichten, damit mich nicht alle der Reihe nach am Telefon nerven?“
„Wen meinst du?“
„Diesen Max, diesen dämlichen Notar, diesen Philipp und wahrscheinlich auch deinen Frank.“
„Philipp hat bei dir angerufen??“
„Noch nicht. Kommt aber bestimmt noch. Wahrscheinlich, um mir vorzurechnen, dass der Pflichtteil diese eure Firma in den Ruin treibt. Die Firma gibt´s doch noch, oder?“
Die Frage stellte sie nur, um totales Desinteresse zu markieren, sie kannte die Antwort schließlich schon. „Selbstverständlich! Von so etwas kannst du ja nur träumen, du sitzt doch höchstens im Billigmarkt an der Kasse!“
„Wie du meinst“, entgegnete Luise. Zu Studienbeginn hatte sie tatsächlich mal ein paar Wochen kassiert.
„Aber bei uns kriegst du nichts, nicht mal als Putze.“
„Danke, kein Interesse. Also, halte mir diesen Philipp und deinen Süßen vom Hals, ja? Und jetzt auf Nimmerwiederhören!“ Sie legte unsanft auf.
Blöde Ziege! Was bildete sich diese Angela eigentlich ein? So etwas Unverschämtes, da fielen einem ja gar keine Beschimpfungen mehr ein, die grob genug waren. Und was sollte dieser Anruf eigentlich? Wenn sie jetzt aus purem Trotz den Pflichtteil einklagte, würde es Angela recht geschehen. Eigentlich wollte ich das Geld ja gar nicht, Herr Richter, aber als meine Schwägerin mich am Telefon angepöbelt hat, konnte ich nicht mehr anders… Und dann würde Frank seine dämliche Alte windelweich prügeln!
Jetzt dachte sie schon wie so eine Gestörte aus einer Nachmittagstalkshow – die Wintrichs waren zwar ein gefühlloser Haufen (sie selbst eingeschlossen), aber Prügel hatte es eigentlich nie gegeben.
Diese Angela musste sich wirklich für die Gräfin von Rotz halten, die versuchte, die Verwandtschaft aus der Gosse von ihrem Schloss zu verjagen – na, da hätte Luise ihr ja mal zeigen sollen, was wirkliche Gossensprache war! Eine Sprache die Luise durchaus geläufig war, die sie aber unprovoziert nicht verwendete. Nachher machten die Schüler das nach und sagten Aber die Frau Wintrich redet doch auch so! Und dann würde Dr. Eisler sich doch sehr über sie wundern. Beim nächsten Mal aber würde sie sich wohl nicht mehr zurückhalten können.
Hatte Frank ihr vorgeweint, dass der Laden ohne das Geld nicht zu halten war? Möglich wäre es ja, rund eine Million Euro Pflichtteil könnte eine Firma ganz schön schädigen – aber sie wollte das Geld doch gar nicht! Wenn sie alles zusammenrechnete, auch die abbezahlte Wohnung, hatte sie – naja, nicht wirklich eine Million, aber doch einen ganz hübschen Batzen. Zusammen mit der unkündbaren Beamtenposition war das weiß Gott ausreichend – sie gab ihr Gehalt doch ohnehin nicht aus, sondern schob das meiste ins Depot.
Wozu also noch mehr? Sollte sie sich ein größeres Auto kaufen, zentnerweise Klamotten, Schmuck, jede DVD-Neuerscheinung, Bücher, die sie nur ein einziges Mal las? Sie kam so sehr gut zurecht, und auf eine mit zusammengerafftem Schotter voll gestopfte Wohnung legte sie schon gar keinen Wert.
Sie könnte das Geld spenden – aber so etwas machte sie doch ohnehin schon. Sie könnte Arbeitsplätze schaffen – aber davon verstand sie rein gar nichts.
Und das schöne Gefühl, von den blöden Wintrichs nicht einen Cent angenommen zu haben, würde sie sich auch nicht abkaufen lassen, egal, was der arme Brandstetter sagte. Der meinte es ja bestimmt gut, aber sein blödes Gelaber, während ihr Essen kalt wurde, hatte sie wirklich auf die Palme gebracht.
Für den Film brachte sie jetzt auch keine Konzentration mehr auf, lieber dachte sie sich ein nettes kleines Unterrichtsprojekt aus. Genau, über Primzahlen, für die fünfte. Einen richtigen kleinen Lernzirkel, gleich mit Primfaktorzerlegung und kgV und ggT! Sie bastelte eine gute Stunde stillvergnügt vor sich hin, druckte sogar schon die ersten Tafeln aus und laminierte sie (das Laminiergerät