Verwandte und andere Nervensägen. Elisa Scheer

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Verwandte und andere Nervensägen - Elisa Scheer

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die morgen nichts dabei, weil sie das angeblich nicht gesehen hatten, und schlugen dann vor, Hausaufgaben machen zu dürfen. Ja, nix! Sie würde ein gepflegtes Übungsblatt mitbringen. Im Geiste machte sie sich eine Notiz.

      Krank – was die Leute bloß immer hatten? Sie selbst hatte noch nie einen Tag wegen Krankheit gefehlt, sie wusste gar nicht, was man da machen musste – zum Arzt gehen und sich krank schreiben lassen? Auch, wenn man bloß Kopfweh hatte? Wie sollte der Arzt rauskriegen, ob das überhaupt stimmte?

      Gut, dass man morgens um halb sechs keine rechte Lust hatte, das kannte sie auch, aber dann ging man die Tagespflichten durch – in der einen Klasse letzte Stunde vor der Schulaufgabe, für die andere schon ein Ex gebastelt, zwei Schulaufgaben herausgabefähig, eine fertig zum Ablegen, mit Sowieso was zu besprechen, mehrere Anrufe, die von der Schule aus zu tätigen waren – wenn man zu Hause blieb, blieb so viel liegen, also ging krankfeiern gar nicht. Es passte eben nie!

      Bei anderen offenbar schon. Oder die waren richtig krank, so mies beisammen, dass sie sich solche Fragen schon gar nicht mehr stellten.

      Wahrscheinlich hatte sie selbst einfach nur Glück, dass ihr eben nie etwas fehlte. Auch wenn sie ihre Gene nicht kannte, schienen sie gut zu sein. Eigentlich merkwürdig: Mama war doch, so weit sie zurückdenken konnte, immer nur mit ihrer Gesundheit beschäftigt gewesen – also offenbar krank, wenn Luise auch nicht genau wusste, was ihr gefehlt hatte. Wahrscheinlich irgendein Krebs. Aber sie war mit vierunddreißig gestorben – war das für Krebs nicht fast ein bisschen jung? Und ihr Vater – tja. Der, den sie dafür gehalten hatte, war pumperlgesund, wenn auch stets schlecht gelaunt und besonders zu ihr unfreundlich. Kein Wunder, wenn sie ein Kuckucksei war! Und der, der´s wohl wirklich war, war ihr völlig unbekannt. Vielleicht keine guten Gene, sondern ein gesundes Leben?

      Aber so toll lebte sie nun auch wieder nicht. Gut, etwas Joggen, etwas Fitness, nicht viel zu essen, keinen Alkohol, kein Nikotin, kein Sex, keinen emotionalen Stress. Wahrscheinlich war´s das – kein Stress, keine Krankheiten.

      Dazu würde passen, dass Valli mindestens einmal pro Saison eine ordentliche Grippe hatte und Luise sich noch nie angesteckt hatte.

      Irene fehlte selten, aber bestimmt zwei, drei Tage pro Schuljahr – und Lisa? Schwer zu sagen. Außerdem hatte sie für eine Theorie ohnehin zu wenige Daten. Sie sah auf die Uhr – jetzt hatte sie hier gut zehn Minuten herumsinniert! – und durchquerte die mit schmutzigem Marmor ausgelegte Halle. In den Ecken lagen Schokoriegelverpackungen und zerknüllte Papierservietten, die der Pausenaufräumdienst wohl übersehen hatte. Wer hatte denn diese Woche – na klar, 10 d. Die hatten mal wieder sehr flüchtig gearbeitet! Morgen mahnende Worte sprechen.

      Draußen pfiff ein schneidend kalter Wind. Luise stellte den Kragen ihres Mantels hoch und hastete um die Ecke zum Parkplatz. Besser gesagt – sie wäre gehastet, wenn sich ihr nicht jemand in den Weg gestellt hätte.

      „Luise?“

      Gereizt blieb sie stehen. „Ja? Max, was willst du denn hier? Hast du Kinder hier an der Schule?“

      „Ich warte auf dich. Seit zwei Stunden übrigens.“

      „Dein Problem, wie kommst du darauf, dass ich schon um halb zwei fertig bin?“

      „Endet der Unterricht nicht mehr um eins?“

      „Hängt von der Jahrgangsstufe ab. Der Kollegstufenplan zum Beispiel sieht am Tag dreizehn Stunden vor, das geht dann bis halb sieben. Ist aber am Ende meistens bloß Sport, weil die Halle sonst überlastet ist. Müssen wir das hier besprechen? Hier zieht´s ganz schön.“

      „Aber nein. Gehen wir was trinken?“

      „Ich dachte eigentlich bloß, gehen wir um die Ecke auf den Parkplatz, da ist es windgeschützter und ich kann das schwere Scheusal ins Auto packen.“ Sie zog los, ohne sich umzusehen, ob er ihr folgte.

      Er folgte ihr. „Unterrichtest du Sport?“

      „Sehe ich so aus? Sportlehrer tragen Trainingsanzüge, haben weniger Gepäck und kommen wirklich erst um halb sieben aus der Halle. Ich unterrichte Mathematik und Wirtschaft/Recht. Hast du zwei Stunden gewartet, um mich das zu fragen?“

      „Warum bist du so pampig?“

      „Bin ich das? Entschuldige. ich habe nur kein großes Interesse daran, Leute aus meiner Kindheit wieder zu treffen. Das gestern hat mir wirklich gereicht.“

      „Das habe ich sowieso nicht verstanden – warum herrscht da so eine gereizte Stimmung?“

      „Vielleicht, weil uns dieser dämliche Notar zwangsweise zusammen gesperrt hat. Ohne mich hätten sich gestern alle über ihr Erbe gefreut, und ich war da doch wirklich völlig überflüssig.“

      „Wieso? Du bist doch immerhin Franks Schwester, oder?“

      „Das weiß ich nicht. Wenn du gestern aufgepasst hättest“, sie ließ den Kofferraumdeckel aufschwingen und hievte die Tasche hinein, „wüsstest du, dass Frank mich, als ich rausgeworfen wurde, als Bastard bezeichnet hat. Bin ich aber ein Bastard, bin ich offenbar nicht seine Schwester. Was mich der Pflicht enthebt, so zu tun, als könnte ich ihn ausstehen. Eigentlich ziemlich praktisch, finde ich.“ Sie knallte den Kofferraumdeckel zu.

      „Ganz schön bitter.“

      „Finde ich nicht. Nur realistisch. Ich hab die alle seit fast fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen und keinen von ihnen vermisst. Okay, die beiden Damen kannte ich noch gar nicht, aber diese Angela kommt mir nicht so vor, als wollte sie meine beste Freundin sein, und deine Frau hat sich doch offenbar genauso fehl am Platze gefühlt wie ich.“

      „Mich auch nicht?“

      „Was – dich auch nicht?“

      „Hast du mich auch nicht vermisst?“

      „Warum hätte ich sollen?“ Sie sah ihn rundäugig an. „Ich hab dich doch sowieso kaum gekannt, und du mich wohl eher gar nicht. Wäre es nicht überhaupt einfacher, du würdest dich bei Frank erkundigen, was damals passiert ist? Wenn überhaupt, warst du doch mit ihm befreundet.“

      „Hab ich schon, aber das kam mir alles sehr merkwürdig vor.“

      „Ach ja? Lass mich raten. Hat er behauptet, ich sei vor fünfzehn Jahren davongelaufen, hätte beiden Eltern das Herz gebrochen und sei jetzt zurückgekommen, um ihm das Erbe zu stehlen?“

      „Nein. Außerdem ist deine Mutter seit dreiundzwanzig Jahren tot, wie sollst du ihr also das Herz gebrochen haben?“

      „Das war bestimmt auch meine Schuld. Verflixt, können wir nicht einen Schlussstrich ziehen? Ich will keinen Kontakt mit Leuten von damals, ich hab jetzt ein ganz anderes Leben. Erben will ich gar nichts. Also, leb wohl, dir und deiner Frau viel Glück im weiteren Leben.“

      Sie streckte die Hand aus, aber er ergriff sie nicht.

      „Was ist jetzt? Ich möchte nach Hause“, sagte sie ungeduldig.

      „Gibst du mir die Schuld an dem, was passiert ist?“

      Sie sah ihn ehrlich erstaunt an. „Dir? Die Schuld? Welche Schuld denn?“

      „Ich hätte mich kümmern müssen“, murmelte er und sah sie voller Mitleid an. Das machte sie übergangslos wütend.

      „Bild

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