Galvans Onkel. Martin Schlobies
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Читать онлайн книгу Galvans Onkel - Martin Schlobies страница 8
Die Großeltern setzten sich auf die Couch, auf meiner Seite und am Ende des Couchtisches, saß das junge Mädchen, Anna. Aus den braunen Augen des Großvaters und aus den hellen überraschend blauen Augen der Großmutter kamen sanfte Korrekturen: weisend, verweisend. Anna hatte die blauen hellen Augen offenbar von ihrer Großmutter.
Ich vergaß sie jedoch bald wieder, weil ich mich mit Mrs. Habarth, der blonden Dame, und ihrer Tochter Mildred beschäftigte. Ich mußte das allerdings sehr unauffällig tun, denn ich wollte nicht, daß es allzu offenkundig wäre, welche der beiden Frauen mich interessierte. Außerdem sah mich Madame W. immer wieder eifersüchtig an. - Aber warum sollte ich darauf Rücksicht nehmen?
Das wohlerzogene Hausmädchen servierte noch einmal 'Kaffee? Tee?' auf einem Silbertablett im englischen Stil, englische Silberkannen, chinesische Porzellantäßchen. Ich griff in den kleinen Messing-Korb auf dem Tablett und zog einen Zettel heraus, der zwischen den Keksen versteckt war. Ich merkte, daß Anna mich dabei beobachtete.
"Was ist denn das?", fragte ich in die Runde hinein, und hielt den Zettel in der Hand.
"Ist das Kaffee oder Tee?", fragte der Apotheker, als das Hausmädchen gerade die Tassen füllte.
"Tee, Tee!", beteuerte das Hausmädchen.
"Tee oder Kaffee?", wiederholte ich gedanken-los, während ich den Zettel las, auf französisch in Blockbuchstaben geschrieben: 'Nehmen Sie sich in acht! Vor einer der Frauen!'
"Nicht möglich!", sagte ich.
"Nicht möglich!", murmelte der Apotheker, "Warum ist er so schwarz? Gibt es denn in Portugal keinen guten Tee?"
Das Hausmädchen verzog keine Miene und ging zu den anderen Gästen.
"Nicht möglich!", murmelte der Apotheker noch einmal. Ich probierte den Tee.
"Nicht möglich!", murmelte ich jetzt. In der Tat, es war die gleiche Mixtur, die man von Oslo bis Johannisburg in den Hotels vorgesetzt bekommt.
"Jedenfalls sind die Portugiesen,", sagte der Apotheker, "was Tee betrifft, keine Autorität!"
Anna sah mich an, während ich den Zettel umständlich zusammenfaltete. Sie hatte Mühe, ihr Lachen zu unterdrücken. Etwas wie ein Verschwörerlächeln blitzte auf. Annas Gesicht wurde hell. Wasserblau und klar waren ihre Augen, was für ein Kontrast zu ihren schwarzen schweren Haaren! Sie hatte die neugierigen hellen Augen eines Kindes, das Opfer suchte, dachte ich. - Opfer wofür? Für ein Spiel?
Ich winkte das Hausmädchen zu mir heran und sagte ihr leise:
"Für das junge Mädchen sollten Sie Kakao servieren!"
Das Hausmädchen blickte fragend.
"Das Getränk aus der Bohne von Theobroma cacao. Landläufig auch Schokolade genannt!", mischte sich der Apotheker ein. Das Haus-mädchen nickte und gab zu verstehen, daß es sein Versäumnis nachholen würde. Kurze Zeit später kam es mit einer Tasse heißer Schokolade zurück, die es vor Anna hinstellte.
"Ich mag keine Schokolade!", sagte Anna pikiert und schob die Tasse weit von sich. Das Hausmädchen blickte indigniert.
"Dann bringen Sie die Tasse mir!", sagte ich. Das Hausmädchen tat das und ich schlürfte behaglich das glühendheiße, dickflüssige, schwere Getränk, das viel besser schmeckte als der fade Tee.
Mrs. Habarth wurde auf einmal puterrot, sprang auf, ging zum Fenster, dann zu den Büchern, nahm ein beliebiges heraus und blätterte nervös darin; sie wagte es anscheinend nicht, sich nach mir umzudrehen, während ich mich mit Anna unterhielt. Ich hörte mich selbst etwas Spöttisches, Lustiges sagen. Anna lachte. Die Kakaotasse war leer, so stand ich auf, schlenderte unauffällig zum Bücherregal, während Mrs. Habarth auf der Flucht, vor mir? - hoffentlich nicht! - jetzt in Richtung der Mitte des Salons ging und einen neu hinzukommenden Gast begrüßen mußte.
Etwas ratlos setzte ich mich auf den einzigen freien Stuhl, der in meiner Nähe war. Mildred, Mrs. Habarth' Tochter, saß mir jetzt gegenüber auf der Couch. Ich redete mit Mildred über Lissabon, über andere Großstädte. Ich fragte, sie erzählte. Sie war aus London. Unter dem hübschen Gesicht hatte sie einen etwas zu kräftigen Hals, bemerkte ich jetzt. Sie wirkte verlegen, oder sogar unfertig und linkisch, und wenn sie sprach, kam es mir vor, als probiere sie ihre Züge nur aus. Wo war die schöne junge Frau, die ich in ihr gesehen hatte?
Die Mutter kam vorbei; sah ihre Tochter im Gespräch mit mir; zögerte einen Lidschlag lang; setzte sich dann aber nicht, sondern überließ ihrer Tochter das Feld.
Anna unterbrach uns. Insistierte. Fragte. Spielte. Clownerie. Sie hatte wirklich theatralisches Talent. Die Wurzeln der Koketterie. Sie wird die Kindheit bald verlassen, dachte ich. Bald. Sehr bald. - Doch warum war ich so durcheinander? Eine merkwürdige, unerklärliche Unruhe hatte mich befallen, als ob ich etwas suchen müßte.
Schließlich stand ich auf, ich hielt es nicht mehr aus,
"Mademoiselle, bitte," sagte ich so höflich ich konnte zu Mildred, "das ist ja eine Konfusion hier, aber das ist nicht der Grund, nein, nichts Arges, aber ich muß gleich fort, überraschend. Sie verstehen schon ... "
Mildred verstand nichts, doch sie nickte,
"Sie wollen gehen?" fragte sie.
"Bringen Sie es Madame W. irgendwie bei. Sie werden es schon richtig machen!"
Auf einmal hatte ich es eilig. Mildred erhob sich kurz nach mir. Überraschend entdeckte ich wieder Feinheiten in ihrem Gesicht. Sie drehte sich um und ging zu ihrer Mutter. 'Eine Prinzessin geht!' dachte ich. Der Rücken schmal, gekreuzte Schnüre über Mädchenhaut. Ein Gang! Der Stolz in den Hüften, als sie ging. Ein leichter Gang. Wie sollte die kleine magere Anna dagegen ankommen?
Ich suchte Anna mit den Augen; ein Blick traf mich, so ernst und tief, daß es mich warm durchschauerte. Einen Moment später sah mich ein argloser Engel im weißen Kleidchen mit geweiteten Augen fragend an, so, als ob sie noch etwas an mir deuten und verstehen wollte.
Das Spiel hatte begonnen.
Diese kleine Hexe!
Schenk ein dein Gift, daß es uns Kräfte spende ...
Aus dem Salon würde ich doch wohl noch kommen, trotz dieser hektischen Röte im Gesicht - oder?
Im Hof wartete ich auf Edmund.
8. Kapitel
Edmund kam auch wirklich bald herab zu mir in den Innenhof, und wir machten vor dem Zubettgehen noch einen kleinen Rundgang durch das Kastell. Im Kreuzgang fanden wir eine Tafel aus blauen Kacheln, die in die Wand eingelassen war: 'Ich kaufte dieses Kastell als Ruine 1939. Fünf Jahre lang habe ich es wiederaufgebaut mit der Hilfe des Architekten ... und des Meisters ... September 1944' - Welch ein glückliches Land, in diesem für das übrige Europa so schrecklichen Jahr!
Im Bogengang setzte ich mich auf die Fensterbank, dort lagen Kissen, und sah hinab auf den Fluß. Edmund blieb neben mir stehen, angelehnt an die Bogenlaibung.