Peters exotische Reisen. B. Born

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Peters exotische Reisen - B. Born

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und aus Müdigkeit an zu weinen. Wir aßen frittierte Tintenfischringe, die in reichlich Öl schwammen. Emil nagte an Geschnetzeltem vom Schwein mit Pommes Frites.

      1 Zweiter Tag (Freitag, der 2. August)

      Ich schreckte aus dem Nichts hoch. Das Handy zeigte erst halb fünf. Hatte die Matratze bei jedem Umdrehen gekrächzt? Sicher war, dass die Müllabfuhr dagewesen war. Was für ein Gebollere und Getöse war das gewesen: gefahren, gehalten, gerattert und wieder gehalten, gescheppert, bis sie endlich das Zentrum des Dorfes durchquert hatte und es langsam wieder leiser geworden war. Möwen hatten geschrien, Autos waren losgedüst. Und es war Getrampel und Bettgerücke in der Wohnung über uns gewesen.

      Der Kühlschrank sprang an und arbeitete mit einem hohen Pfeifton. Ein zweites Müllauto zog durch das Dorf. Die Möwen kriegten sich gar nicht mehr ein. Immer mehr Autos ließen ihre Motoren aufheulen und pesten los. Es war, als führen sie mitten durchs Zimmer, manche, als wäre sonstwer hinter ihnen her.

      Ich fühlte mich wie eine Flunder auf die quietschenden Metallfedern gedrückt und stellte mir eine Welt ohne PKWs vor. Das sähe doch gleich ganz anders aus! Leiser sowieso. Am Flughafen hätte man sich Fahrräder mit Anhängern geliehen und wäre losgeradelt. Vielleicht mit einem kleinen Elektromotor, damit es bergauf nicht zu schwer ging. Wegen der Autos läuft doch die Evolution der Menschheit falsch! Fettsucht, Lungenkrankheiten, fatale Unfälle, all das wäre vermeidbar. Auf jeden Fall ist die Belästigung der Nichtautofahrer durch Autos eine Einschränkung des Menschenrechts auf ein autofreies Leben.

      Nun erwachte auch Emil und an Weiterschlafen war nicht zu denken. Also bin ich mit ihm und dem Netbook ins ‚Santiago Apostol‘ gegangen, einem Café gleich gegenüber unserer Ferienwohnung. Wir saßen draußen in der milden Luft, aber der Knirps nervte, denn er wollte weder Schreiben noch Malen, sondern stierte durch die Scheibe ins Caféinnere und dort auf einen breiten Fernseher, auf dem Nachrichten liefen. Soweit ich sie ohne Ton interpretieren konnte, hatte man herausgefunden, dass bei dem schweren Zugunglück vor einer Woche in Santiago de Compostela (70 Tote, 100 Verletzte) der Zugführer mit seinem Handy telefoniert und durch überhöhte Geschwindigkeit in einer Kurve das Unglück verursacht hatte. Die Reklame einer Zahncreme, die die Zähne weißer machen soll, löste die Nachrichten ab.

      Ermattet blickte ich über die Straße durch einen obskuren, vielleicht zwei Meter breiten, Spalt zwischen zwei Häusern auf den Hafen und das glitzernde Wasser. Wir aßen ein Croissant mit Zuckerguss, eigentlich nur ich, denn Emil fand das Innere zwar gut, aber den Zuckerguss ‚ungenießbar‘. Der Kamillentee, den ich bestellt hatte, war wegen der Sprachprobleme kein Kamillentee, sondern vielleicht Rotbuschtee. Emil weigerte sich, ihn auch nur zu probieren und hatte sich wieder dem Fernseher zugewandt.

      Auf dem Tresen des Cafés stand eine sehr große Orangenpressmaschine, in der von oben ganze Orangen hineinkamen und die dann, wie man genau beobachten konnte, im Inneren geteilt und gepresst wurden, neben einer Bierzapfsäule aus Porzellan mit blauen keltischen Zeichen darauf und ich dachte sehnsüchtig daran, wie schön schläfrig mich jetzt so ein Bier machen würde. Aber niemand in dem Café wagte es, vor acht Uhr ein alkoholisches Getränk zu sich zu nehmen, ich also auch nicht. Statt dessen bestellte ich einen zweiten Kaffee.

      Anschließend spazierten wir durch die Gassen und inspizierten das Dorf. Die meisten Häuser waren vier oder fünf Stockwerke hoch und sahen wie Bauklötze mit Fenstern aus. Viele hatten unten im Erdgeschoss eine große Garage und waren erst ab dem ersten Stock bewohnt. Die Fassaden hatte man mit pastelligen Farbtönen gestrichen, manchmal in gelb oder blau, oder braun, doch meist in grau oder mit Fliesen beschichtet, die manchmal aus kleinen bunten Quadraten bestanden, oder größere, längliche, die grob mit braunen Mustern bedruckt waren. Nur sehr wenige Häuser waren wirklich alt. Diese konnte man in zwei Kategorien teilen, die von neunzehnhundertundetwas und die noch älteren. Die letzteren waren meist zweigeschossig und aus geschichteten Steinen errichtet. Oft waren sie verlassen und das Dach eingestürzt. Bei den anderen blätterte der Putz ab und sie waren von alten Leuten bewohnt. Malpica war also eher trostlos, was mir aber sehr sympathisch war.

      Vor einer Fassade blieb ich stehen. Sie war frisch blau getüncht und über der Tür waren noch zwei Lagen Mauersteine, aber dann darüber kam nichts mehr. Als ich durch eine Luke in der Tür sah, war dahinter ein Unkraut überwachsenes Grundstück und die Wände zu den Nachbarhäusern waren mit einer orangen Isoliersubstanz beschichtet.

      Bald entdeckten wir mehr ‚Lückenhäuser‘ dieser Art. Eines bestand aus einer halben weißen Mauer mit einer Stahltür, ein anderes aus einer Wand mit nichts dahinter. Aber an die Wand hatte man aus Beton Blumentöpfe gemauert und sie mit Geranien bepflanzt. Potemkinsche Elemente haben ja im Augenblick Hochkonjunktur. Bestes Beispiel waren beim G8 Treffen in Enniskillen die Fensterscheiben der abgewrackt oder leerstehenden Läden, die man wegen des Treffens mit Plakaten beklebt hatte, auf denen pralle Auslagen und reges Geschäftstreiben vorgetäuscht wurde. Auch in London werden Baustellen grundsätzlich gerne mit überdimensionalen Bildern versehen, die vorgaukeln, wie es einmal aussehen wird. Oder es werden Häuserfassaden stehen gelassen, hinter denen sich für Jahre nichts weiter, als ein Baugerüst befindet.

      Emil ergriff meine Hand und scheuerte den Ärmel des anderen Arms an den Wänden entlang, vorbei an einem Bekleidungsgeschäft mit Badeanzügen mehr für die ältere Generation. Den Laden mit Blusen und Bettwäsche würden wir vermutlich auch nie besuchen. Wir bogen nach rechts in eine etwas breitere Straße. Mein Versuch einen Billigladen mit minderwertigem Spielzeug und Haushaltswaren vor Emil zu verbergen, scheiterte kläglich. Sofort hatte er ein sogenanntes Kinder-Bodyboard mit einem verschwommenen Barcelona-Fußballverein-Aufdruck, der garantiert nicht lizenziert war, in der Auslage entdeckt. Damit war eine zeckenhafte Nörgelei losgetreten, die sich so lange auf dieses Objekt konzentrieren würde, bis man endlich nachgäbe.

      In einem unscheinbaren, modernen, klotzigen Haus verbarg sich eine Markthalle. Zwei Schlachter, zwei Fischstände und drei Omas mit Gemüse boten ihre Ware an. Wir kauften Rindfleisch beim Schlachter ‚Avelino‘ und Salat bei einer Oma, die etwas Deutsch sprach und für einen Euro uns gleich drei riesige Salatköpfe verkaufte. Sie stopfte sie lieblos mit ihren von der Feldarbeit schwieligen Händen in einen großen Plastikbeutel, der aber immer noch viel zu klein war.

      Alles für ein Frühstück erstanden wir im Supermarkt mit dem Namen ‚Froiz‘. Emil nannte ihn ‚Frotz‘, was lustig klang. Auf dem Rückweg betraten wir den Bäcker, den ich schon auf dem Hinweg wahrgenommen hatte.

      Die junge Bäckerin wandte ihre minimalen Englischkenntnisse geschickt an, als ich das Baguette und ein Stück Schokoladenkuchen bezahlte. Sie lächelte verlegen, ihre dicklichen Wangen schimmerten rötlich. Zum Abschied sah sie uns mit ihren braunen Rehäuglein hinterher und ich winkte noch mal durch die Scheibe.

      Emil hielt den Kuchen auf der Serviette ganz fest, als wir dicht an einem Dorfpolizisten, der mit einem langen Schlagstock im Halfter und mit hochgeschnürten Stiefeln im Cowboyschritt den Dorfplatz patrouillierte, vorbei die Straße überquerten. Wir traten in das, mit glänzenden, grauen Steinplatten ausgelegte, Treppenhaus und stiegen hinauf in die Ferienwohnung. Oben war der Kuchen reichlich zerquetscht, aber ohne länger warten zu können, stopfte Emil ihn sich blitzartig in den Mund.

      Am Vormittag lief Emil schnurstracks in das türkisfarbene, kalte Meer, ohne vor der Kälte oder der Nässe auch nur einen Millimeter zurückzuweichen. Die Wellen schlugen schon an seine Schultern und ich fürchtete, ich müsste hinter ihm her, als er stehen blieb und lachend sein Gesicht zu Marlis und mir wandte, so als hätte es ihm ein teuflisches Vergnügen bereitet, seinen Eltern den Angstschweiß auf die Stirn zu treiben.

      Marlis und ich schwammen auch – abwechselnd und nicht sehr lange, da wir das Wasser doch reichlich kalt fanden. Anschließend beobachteten wir, dicht nebeneinander sitzend, die hereinkommende Flut und begafften den Sohn, der im Sand mit den Händen herumbaggerte,

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