Sonne am Westufer. Fabian Holting
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»Im Schlafzimmer und in der Küche sieht es nicht viel besser aus«, sagte Nicole.
Gemeinsam gingen sie wieder zurück in den Flur, von dem zwei Türen abgingen, die Bessell beim Hereinkommen nicht beachtet hatte. Nicole schaltete das Licht in der Küche ein. Die Schränke und Schubladen waren alle offen. Ein Teil des Geschirrs stand auf dem Küchentisch, der aus massivem Eichenholz gefertigt war. Aufgerissene Lebensmittelverpackungen lagen überall auf dem Fußboden herum. Zu guter Letzt warfen sie noch einen Blick ins Schlafzimmer und in das davon abgehende Badezimmer. Die in Eiche dunkel gehaltenen Nachtkästchen mit in kaffeebraun lackierter Glasrückwand standen offen. Auf dem Doppelbett, das eine rote Lederrückenlehne hatte, lagen Kleidungsstücke, Bettbezüge, Handtücher, Kosmetikartikel und verschiedene andere Dinge bunt durcheinandergewürfelt. Die ebenfalls in dem gleichen Kaffeebraun lackierten Glasschiebetüren des großen Kleiderschranks waren aufgeschoben und hier und da hingen noch verschiedene Kleidungsstücke aus den Regalfächern heraus. Im Bad war einiges zu Bruch gegangen. Nicole bückte sich. Sie wollte die Scherben eines Parfumfläschchens aufheben, das auf den hellblauen Fließen zersprungen war. Der Spiegelschrank über dem Waschbecken musste ziemlich vollgestellt gewesen sein. Die meisten Dinge daraus lagen unversehrt im Waschbecken. Bessell beugte sich zu Nicole hinunter und legte seine Hand sachte auf ihre Schulter.
»Lass alles so, wie es ist. Wir sollten sofort Favalli verständigen, damit er sich das ganze Durcheinander hier ansehen kann. Möglicherweise hat der Einbruch etwas mit dem Tod deines Mannes zu tun.« Bessell machte eine Pause und überlegte dabei angestrengt. Nicole sah ihn mit ernster Miene an.
»Vielleicht hat der Täter Spuren hinterlassen. Komm jetzt, wir gehen hinüber in meine Wohnung.« Er ließ Nicole vorangehen. Als sie die Haustür erreicht hatten, blickte er sich ein letztes Mal um. Mit ratlosem Gesichtsausdruck betrachtete er noch einmal den Haufen von Jacken vor der Garderobe, dann wandte er sich ab und trat hinaus auf die schwach beleuchtete Straße, wo Nicole stehen geblieben war und sich nach ihm umdrehte. Schweigend gingen sie in seine Wohnung. Der Anrufbeantworter blinkte. Wie ein Jäger, der eine Falle ausgelegt hatte, kontrollierte Bessell das Display des Anrufbeantworters. Und tatsächlich hatte sich ein Anruf darin verfangen. Wahrscheinlich Saskia oder aber seine Mutter. Egal wer es war, dafür war jetzt keine Zeit und außerdem wusste er nicht, wie man die eingegangenen Nachrichten abrufen konnte. Er nahm das Telefon und reichte es Nicole.
»Hier, es ist besser, wenn du Favalli selbst anrufst.« Bessell zog sein Portemonnaie aus seiner Gesäßtasche und nahm die Visitenkarte heraus, die Caroni ihm bei der ersten Unterredung gegeben hatte. Mit einem zuversichtlichen Augenzwinkern reichte er sie Nicole, die ihn gebannt anstarrte und sie mit einer mechanischen Bewegung entgegennahm.
»Meinst du, dass ich Favalli um diese Zeit überhaupt noch erreiche?« Bessell sah auf seine Uhr. Es war mittlerweile halb acht durch.
»Probiere es einfach. Irgendwer wird schon drangehen. Aber sage ihm gleich, dass du von meiner Wohnung aus anrufst. Er wird es ohnehin rausbekommen.«
Es meldete sich in der Tat nicht Favalli, sondern ein diensthabender Polizist in der Telefonzentrale. Er sprach nicht besonders gut deutsch, doch er konnte verstehen, was Nicole ihm versuchte mitzuteilen. Nachdem Nicole aufgelegt hatte, sah Bessell sie erwartungsvoll an.
»Wenn ich ihn richtig verstanden habe, dann schickt er einen Streifenwagen vorbei. Er will auch noch versuchen Favalli zu erreichen, möglicherweise kommt aber auch ein anderer Kommissar.« Nicole blickte sich nervös im Zimmer um. Bessell hatte, so wie er es immer machte, nur die Stehlampe mit dem Deckenfluter, die Schreibtischlampe und die Lampe unter dem Küchenschrank angeschaltet. In diesem warmen Licht sah Nicoles Gesicht noch hübscher aus. Es glättete ihre Gesichtszüge und sie wirkte entspannter. Bessell fragte sich, ob sie jetzt seine Wohnung musterte. Die Einrichtung mit den überwiegend honigfarbenen Schränken und Regalen gefiel ihm recht gut, aber sie unterschied sich natürlich grundlegend von der Raumgestaltung in Nicoles Wohnung. Dort war alles sehr nüchtern und unterkühlt. Ihre Einrichtung war sehr geradlinig und etwas zwanghaft modern, wie Bessell fand. Es war schon eigenartig, dass er sich in diesem Moment darüber Gedanken machte, aber die Wohnungseinrichtung sagte nun einmal viel über einen Menschen aus. Obwohl er sich zu ihr hingezogen fühlte, weil er Gemeinsamkeiten im Denken und Fühlen verspürte, war da etwas, was auf eine Grundverschiedenheit hindeutete. Es war nicht nur ihr Geschmack für Möbel und andere Accessoires, darin unterschieden sich Frauen häufig von Männern. Vielleicht war es das Gefühl, sie würde ihm nicht alles erzählen, was zur Klärung der ganzen Angelegenheit beitragen könnte. Er konnte sich noch immer nicht des Eindrucks erwehren, dass sie ihm etwas Wesentliches verschwieg oder aber die Dinge bewusst in einem bestimmten Licht erscheinen ließ.
»Setz dich doch«, sagte er nach einer Weile des Schweigens. Nicole sah ihn zerstreut an, blickte sich erneut um und setzte sich dann genau dorthin, wo auch Favalli am Morgen wieder gesessen hatte.
»Möchtest du etwas trinken? Einen Cognac vielleicht?« Nicole zögerte und willigte dann doch ein. Bessell nahm zwei Cognacschwenker aus einem alten Bauernschrank und holte sich von der Anrichte die dreieckige Flasche Vecchia Romagna. Er stellte die Gläser auf den niedrigen Tisch vor dem Nicole saß und schenkte vor ihren Augen behutsam ein.
»Nicht so viel!« Bessell versuchte in das zweite Glas weniger einzuschenken.