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nicht. Behutsam schaute ich mich um. Als ich eine Frau stark husten hörte, kam Pedro um die Ecke gesprungen. Er winkte mich zu sich, um mir sein Zimmer zu zeigen. Neugierig folgte ich ihm. Eine selbstgebaute Holzleiter führte von der Küche aus durch ein Loch in der Decke hinauf in Pedros Reich. Als ich fast oben war, stellte ich schnell fest, dass ich viel zu groß bin, um dort herumzulaufen. Pedro hingegen hopste direkt auf sein Bett und zeigte auf einen uralten winzigen Röhrenfernsehr auf dem Boden. Ich weiß gar nicht wie lange es her ist, dass ich so einen Fernseher gesehen habe. Sein Vater hat ihn für Pedro repariert, nachdem er ihn auf einem Schrottplatz gefunden hatte. Das Gerät war Pedros ganzer Stolz. Niemand seiner Freunde hatte einen eigenen Fernseher. Ich stand noch immer auf der Leiter und schaute mich weiter um. Mein Blick blieb an einem abgewetzten Holzkasten, einem Schwamm und schwarzer Cremepaste hängen. Pedro bemerkte es und schob alles schnell mit dem Fuß unter das Bett. Er wollte nicht darüber sprechen. Doch ich konnte es mir denken. Der arme Junge putzt vor der Schule Schuhe. Deshalb hat er auch keine Zeit früher loszulaufen.

       In der Schulpause erfuhr ich von anderen Lehrern, dass Schuhputzer in Bolivien verachtet werden. Die Kinder vermummen sich beim Arbeiten und reden daher nie darüber, um nicht verspottet zu werden. Manche Kinder sind unter fünf Jahre alt, wenn sie anfangen, damit Geld für Nahrung zu verdienen.

      Während die Uhr auf Zwei zugeht, unterbricht Minnie hellwach ihre Lesestunde und geht auf Toilette. Danach murmelt sie sich wieder in die Bettdecke ein und liest weiter.

      

       Donnerstag, 08. Januar 2015

       Gestern war ich wieder in der Stadt einen Tortilla-Fladen essen. Dabei beobachtete ich am Straßenrand wieder eines der Schuhputzkinder. Es trug blaue Spiderman-Turnschuhe mit leuchtend roten Schnürsenkeln. Es war Pedro! Er war gerade dabei, einem älteren Herrn schwarze Lederschuhe aufzupolieren. Jeder Handgriff saß perfekt. Man sah ihm an, dass er das schon über Jahre machte. Als er fertig war, nahm er umgerechnet 20 Cent entgegen, klappte die Trittstufe samt Putzmaterial zusammen und ließ alles wie ein Magier in einer Tüte verschwinden. Auch seinen Umhang. Nun sah er wieder aus, wie der kleine Junge von nebenan. Ich folgte ihm unauffällig. Er lief die Straße hinunter und kaufte sich von seinem Geld ein einfaches Brötchen mit Avocado. Das Günstigste, was man an der Straße kaufen kann. Als ich ihn abends in der Schule darauf ansprechen wollte, kam er nicht zum Unterricht. Heute erfuhr ich über einen Klassenkameraden, dass Pedros Mutter verstorben ist. Er kann die nächste Zeit nicht mehr zur Schule kommen und muss sich um seine kleinen Geschwister kümmern, während sein Vater weiter Geld verdienen muss.

      

       Montag, 10.02.2015

       Liebes Tagebuch, es ist nicht zu glauben, aber ich sitze immer noch in Bolivien fest. Ich weiß nicht warum, aber in letzter Zeit mache ich mir viele Gedanken darüber, ob Minnie noch auf mich wartet. Warum soll sie auf jemanden warten, von dem sie denkt, dass er sie aus Mangel an Liebe verlassen hat? Das ergibt alles keinen Sinn.

       Ich habe mich hier gut integriert. Mein Zimmer fühlt sich fast wie ein richtiges Zuhause an. Manchmal träume ich sogar in Spanisch! Der Unterricht an der Schule erfüllt mich sehr. Mehr als die Leitung der Vertragsabteilung in meinem alten Leben. Gott, was habe ich meinen Job damals geliebt. Heute sehe ich die Welt mit anderen Augen. Mitzuerleben, wie Kinder von einem besseren Leben mit einem richtigen Job träumen, ist ein unbeschreiblich gutes Gefühl. Ich bin ein Teil von ihrem Werdegang geworden und fühle mich mitverantwortlich. Ich möchte den Kindern in La Paz helfen! All‘ den kleinen Pedros die es verdient haben am Unterricht teilzunehmen, statt in so jungen Jahren so viel Verantwortung für die Familie übernehmen zu müssen. Wenn die Sache mit der Staatsanwaltschaft überstanden ist, schicke ich Minnie dieses Tagebuch zu. Sie soll mit eigenen Augen lesen, wie sehr mich das Leben hier verändert hat. Erst dann wird sie verstehen, warum ich hier leben möchte, obwohl ich sie liebe und nie vor gehabt hatte, sie zu verlassen.

      Tränen rollen Minnies Wangen hinab. Sie schaut auf den Kalender über dem Bett. Dieser Tagebucheintrag ist nun gute zehn Monate alt. Eine verspätete Antwort auf ihre damaligen Fragen. Jake war der eine Mann, den sie heiraten wollte. Bis er von heute auf morgen verschwand und ihr das Herz brach. Jetzt zu lesen, dass genau das nie seine Absicht war, versetzt ihr einen tiefen Stich. Gleichzeitig ist sie erleichtert. Mit zitternden und Händen blättert sie den letzten Tagebucheintrag auf.

      

       Montag, 03. April 2015

      Liebe Minnie, dieser Eintrag ist nur für dich! Hast du das Buch gelesen? Damals durfte ich dir zu deinem Schutz nicht erzählen. Ich war wie gelähmt über das unerwartete Ausmaß und habe mich strickt an alles gehalten, was die Staatsanwaltschaft mir gesagt hat. Die Beweislage für die Geschäftsführer ist mittlerweile so erdrückend, dass ich nicht mehr viel zu befürchten habe. Deshalb stelle ich dir jetzt eine wichtige Frage: Kannst du dir ein Leben mit mir in Bolivien vorstellen? Du fehlst mir! Ich werde am 21. Mai in der Ankunftshalle am Flughafen von La Paz auf dich warten. Dieses Datum hat uns schon einmal zusammengebracht – vor genau sechs Jahren. Ich liebe dich!

       Dein Jake

      Minnies Magen krampft ich zusammen. Sie beginnt heftig zu weinen und schnappt nach Luft. Plötzlich geht die Schlafzimmertür auf und ein Mann setzt sich zu ihr: „Schatz, was hast du? Warum bist du noch wach?“

       Minnies Verlobter, Alejandro, nimmt sie sofort in den Arm. Das lederne Notizbuch rutscht bei der Umarmung von der Bettdecke und landet lautlos auf dem Teppichboden weit unter dem Bett. Minnie bringt kein Wort heraus. „Liebling, sag‘ doch bitte was. Ist etwas mit unserem kleinen Jungen?“ Besorgt streicht der Spanier mit einer Hand über ihren mittlerweile leicht sichtbaren Babybauch.

      „Nein, es ist alles in Ordnung. Ich konnte nicht einschlafen und die Hormone spielen verrückt. Geh‘ du ruhig schon duschen. Du bist sicherlich erledigt von deiner Nachtschicht im Krankenhaus. Ich mache uns Frühstück.“

      Auf dem Weg in die Küche wird Minnie bewusst, dass ihr Alejandro nie begegnet wäre, wenn das Notizbuch vor dem 21. Mai bei ihr angekommen wäre. Dieses Päckchen hätte ihr Leben verändert.

      Grün oder braun?

      Christine Alexander

      „Feldsalat!“

      „Entschuldigung?“ Gianni Bologna sah von der Zeitung auf.

      Er sah zu Franzi Schneider hinüber. Die hübsche, rot-gelockte Dame war die Frau von Avvocato Schneider, für den er manchmal Recherche-Jobs erledigte. Paolos Espresso, der beste nördlich von Neapel, führte sie fast allmorgendlich hier im Café P zusammen.

      „Ich habe gerade Feldsalat verstanden.“

      „Gianni, ich überlege gerade, was ich heute Abend zum Essen mache, solange dieser blöde, Klaus-Jürgen noch nicht da ist.“

      Klaus-Jürgen, den Namen hatte er hier noch nie gehört.

      Franzi Schneider schien seine Gedanken zu lesen:

      „Klaus-Jürgen ist ein Kommilitone von mir. Wir haben ein gemeinsames Projekt. Einen kleinen Feldversuch.“

      „Und der kommt zu Ihnen zum Essen um Feldsalat zu testen?“

      „Um Gottes, willen, den könnte ich nicht zu uns einladen. Uwe würde wahnsinnig.“

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