Vom Hohen und Tiefen und dem Taumel dazwischen. E. K. Busch

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Vom Hohen und Tiefen und dem Taumel dazwischen - E. K. Busch

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auf ihre Füße hinab.

      «Jedenfalls bist du der Meinung, dass du dich von den anderen unterscheidest», stellte er schließlich fest. «Ob zum Besseren oder Schlechteren ist dann nur noch eine Frage der Tagesform.»

      «Natürlich unterscheide ich mich in meinen Augen von den anderen. Alleine dadurch, dass ich ich bin und die anderen eben die anderen. Das ist eine Frage der Perspektive. Im Gegensatz zu dir allerdings ist mir klar, dass es jedem anderen genauso ergeht. Womit wir ein weiteres Mal bei deinem egozentrischen Weltbild wären.»

      «Wieso fällt es dir so schwer, zuzugeben, dass du dich für überlegen hältst?»

      «Weil es nicht stimmt. Ich verstehe auch nicht, wieso du das unbedingt von mir hören willst.» Sie schien aufgebracht.

      «Weil ich glaube, dass du und ich die Dinge eigentlich ganz ähnlich sehen. Nur dass du diese ekelhafte Moralität vorschiebst, die nicht recht zu deinem sonstigen Scharfsinn passen will. - Wobei diese verstockte Tugendhaftigkeit natürlich auch reizvoll ist irgendwie.»

      Toni starrte ihn unverwandt an.

      Er schien sich mit ihrem Schweigen zufrieden zu geben und fügte leichthin hinzu: «Ich meine: Es ist doch offensichtlich, dass du dich in sexueller Hinsicht zu mir hingezogen fühlst. Deshalb dieses längliche Gespräch hier unten vor der Tür und deshalb auch diese schwelende Aggressivität.»

      Als sie ihn aufgebracht zu unterbrechen versuchte, fuhr er bereits fort: «Natürlich käme es niemals in Frage für dich, mich einfach mit hinauf zu bitten. Aber warum? Du hast gesagt, dass du nicht der Typ dafür wärst. Aber was heißt das schon? Dass du es nicht willst? Nicht kannst? Oder hast du dich eben einmal auf eine Rolle festgelegt, die du in diesem Leben zu spielen gedenkst? Das macht es ja auch sehr viel einfacher. Oder nicht? Einfach seine Rolle zu spielen.»

      Sie rang sich ein halbherziges Lächeln ab. «Es mag schon sein, dass du recht gut aussiehst. Aber du solltest deine Anziehung trotzdem nicht überschätzen. Außerdem davon finde ich auch nicht, dass du und ich uns besonders ähnlich sind. Diese zornige Gleichgültigkeit ist mir zuwider.»

      Er schien erstaunt, lächelte dann. «Zornige Gleichgültigkeit», wiederholte er. Der Begriff schien ihm zu gefallen.

      «Du hast mich nach meiner Meinung gefragt. Jetzt brauchst du nicht so zu tun, als wäre ich es gewesen, die davon angefangen hätte.»

      Er bemühte sich um ein ernsthaftes Gesicht und meinte beschwichtigend: «Das stimmt. Und ich bin auch wirklich an deiner Meinung interessiert. Also: Was stellst du dir vor unter einer zornigen Gleichgültigkeit

      Als sie lediglich die Nase rümpfte, bemerkte er: «Es ist nicht unbedingt meine Stärke, ein ernsthaftes Interesse an etwas oder jemandem einzuräumen. Lass dich also bitte nicht irritieren davon. Wenn ich nachfrage, dann interessiert es mich auch.»

      Einen Moment schien sie mit sich zu hadern. Zögerlich und ein wenig trotzig räumte sie schließlich ein: «Dann stell dir vor, du wärst ein einsam Reisender in der Wüste, du hättest deine Karawane verloren und es wäre kaum mehr ein Schluck Wasser in deinem Beutel.»

      Er sah sie perplex an. Offensichtlich hatte er diese Wendung des Gesprächs nicht erwartet. Sie wusste nicht, ob sein Blick bloße Überraschung oder eher Skepsis ausdrückte. Als er zaghaft nickte, fuhr sie jedenfalls fort.

      «Du hast also deine Karawane verloren und bist dir sicher, dass du nicht mehr den nächsten Morgen erleben wirst.

      Trotzdem schleppst du dich voran in der Hitze des Tages auf der Suche nach einer rettenden Oase. Aber da ist nichts außer Sand und Staub. Du bist den ganzen Tag über durch die sengende Hitze gewandert. Nun wird es dunkel und es wird dir mit aller Deutlichkeit klar, dass du dich in dieser Nacht zum Sterben legen wirst. Denn deine Füße sind schwer und wund, deine Kehle trocken und es ist noch immer keine Rettung in Sicht. Nur die Sterne beginnen grausam und kalt zu leuchten.»

       Sie hielt einen Moment inne, schien zu überlegen, wie sie fortfahren sollte.

      Er musterte sie mit einer Mischung aus Neugierde und Argwohn. Sie ließ sich davon nicht beirren, schenkte ihm lediglich ein trockenes Lächeln.

      Er hatte sich eine Erklärung gewünscht, als würde er eine Erklärung bekommen!

      «Du schleppst dich also mit deiner letzten Kraft voran, hin und her gerissen zwischen einer erschöpften Todessehnsucht und dem Glauben an eine wundersame Rettung. Da, im silbrigen Schein des nächtlichen Himmels, erblickst du eine einsame Blume im Sand. Fast meinst du, deine Gebete wären erhöht worden. Eine Oase! Zu den Wurzeln der Blume suchst du gierig nach einer Quelle, gräbst mit beiden Händen wie ein räudiger Hund. Aber da ist nichts als trockener Sand. Und du gibst auf nach einer Weile und legst dich erschöpft neben der Blume nieder, denn alle Hoffnung ist fort, lediglich ein jämmerlicher Schluck Wasser noch in deinem Beutel und diese Blume neben dir, die schon zu welken begonnen hat, wie du jetzt feststellst.» Sie gab ihm mit einem Blick zu verstehen, dass dies das Ende ihrer Geschichte wäre.

      Er runzelte die Stirn. «Es läuft auf die Frage hinaus, ob ich mein letztes Wasser der Blume gebe, oder nicht? Und mich darauf zum Sterben lege.»

      Toni nickte und er setzte zögerlich hinzu: «Aber wie könnte ich dieser Blume mein Wasser geben, wo sie mich doch regelrecht zu verhöhnen scheint als bösartiges Zerrbild der Erlösung?» Er verzog angewidert das Gesicht und klang nun fast ein wenig aufgebracht. «Ohnehin würde sie in der Wüste auch mit einem weiteren Schluck Wasser nicht viel länger überleben als einen einzigen Tag.»

      «Es zwingt dich niemand dazu, dein Wasser der Blume zu geben. Es liegt ganz bei dir.»

      Lorenz musterte sie misstrauisch, fast feindselig. Einen Moment herrschte Schweigen, dann hob er die Augenbrauen. «Ist das jetzt die Pointe deiner Geschichte, oder kommt da noch etwas?»

      «Genau das ist das Schöne daran. Es ist genau wie im echten Leben. Es gibt keine Pointe.»

      Er schien unzufrieden damit. «Aber du würdest der Blume dein Wasser geben, oder nicht?», fragte er nun.

      «Ja», meinte Toni leichthin und nickte. «Ich hoffe zumindest, dass ich das tun würde.»

      Lorenz schüttelte widerwillig den Kopf. «Und ich hoffe gerade, dass ich es nicht tun würde. Es würde mich mit Ekel erfüllen.»

      «Mit Ekel?»

      «Weil es mir vorkäme, als wolle ich mir damit einen Sinn erkaufen. Nämlich die Versöhnung. Das käme mir heuchlerisch und abgeschmackt vor, vor allem aber jämmerlich.»

      Toni nickte nachdenklich.

      «Ich erwarte nicht, dass du das verstehst, Toni», räumte er nun ein. «Es geht darum, Standhaftigkeit zu beweisen im Angesicht des Missklangs, der Disharmonie. Natürlich ist es immer erträglicher, wenn die Dinge sich am Ende in einem allgemeinen Wohlgefallen auflösen, sich alles nahtlos ineinanderfügt. Aber um welchen Preis denn? Die Wahrheit zu verleugnen?»

      Nun lächelte sie. «Es ist nicht so, dass ich der Blume mein Wasser geben würde, um dem ganzen Geschehen damit einen Sinn zu verleihen oder gar einen ominösen Kreis zu schließen. Das käme auch mir recht abgeschmackt vor. Nein. Ich würde der Blume mein Wasser geben, um mich auch von diesem letzten illusorischen Hoffnungsträger zu befreien, statt mich bis zum bitteren Ende gierig und beschränkt an diesen albernen Beutel und drei Tropfen Wasser zu klammern.

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