Vom Hohen und Tiefen und dem Taumel dazwischen. E. K. Busch

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Vom Hohen und Tiefen und dem Taumel dazwischen - E. K. Busch

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gesellte. Kurz darauf erschien auch Elena.

      In ihrer feuerroten Bluse war Frida keine Sekunde zu übersehen. Sie trug noch dazu hohe Schuhe, dass sie nun fast so groß wie Toni war und Lorenz bis zur Nase reichte. Der kurze Rock entblößte erschreckend magere Beine und der breite Mund mit den vollen Lippen wirkte ein wenig bedrohlich auf Toni wie das Maul einen wilden Tieres. Fridas strohblonder Bob war zerzaust und ließ den Kopf zu groß erscheinen: Ein Puppenkopf mit klappernden Lidern. Trotzdem war Frida schön. Daran bestand keinerlei Zweifel. Sie besaß, wie Toni fand, eine seltsam elektrifizierende Ausstrahlung. Aber da war auch etwas Kaputtes an Frida. Eine blecherne Disharmonie, wenn sie ihren Kopf in den Nacken warf und ausgelassen lachte.

      Toni verstummte beschämt und bereute bereits, dass sie sich überhaupt auf dieses Gespräch mit Lorenz eingelassen hatte. Vermutlich war ihre Redseligkeit ihrem zweiten Caipirinha zuzuschreiben, wenn gleich das natürlich keine Entschuldigung für ihr Verhalten war. Sie redete sich um Kopf und Kragen.

      «Ich hab' euch doch nicht bei irgendwelchen Verschwörungen erwischt, oder?» Frida hatte eine dunkle, ein wenig kratzige Stimme.

      Elena grinste.

      «Wir waren gerade dabei, perfide die letzten Vorräte zu plündern.» Lorenz lachte halbherzig über seinen Kommentar und warf dem abgegrasten Buffet einen vielsagenden Blick zu.

      «Zumindest ist noch etwas zu trinken da», erwiderte Frida achselzuckend und nahm Lorenz im Vorbeigehen seine Flasche ab. Sie nahm einen ausgiebigen Schluck Bier, wischte sich dann mit dem Handrücken über den Mund.

      «Wäre es eigentlich in Ordnung, wenn ich mir etwas zu essen machen würde?», fragte Lorenz nun in überraschend sachlichem Ton. «Ich bin vorhin gleich vom Institut hierher gekommen.»

      Sie nickte nur, warf dann einen kurzen Blick in den Kühlschrank. Und während sie Lorenz darauf eine Packung Käse und Butter reichte, stellte sie fest, dass sich kaum mehr eine Bierflasche im Fach befand. Frida machte sich also in Richtung Balkon davon, wo noch einige volle Kästen standen, und Lorenz begann mit der Zubereitung seines verspäteten Abendessens.

      «Machst du das immer so?», fragte Elena. Sie bestaunte, wie er die Butter in dünne Scheiben schnitt und diese auf einer ziemlich dicken Brotscheibe verteilte. Es blieb unklar, ob sie an seinem Geschmack oder Geschick zweifelte.

      Er lächelte lediglich gleichmütig, worauf sie einräumte: «Ich esse generell kein Gebäck. Ich finde es grauenhaft trocken und auch ziemlich fad. Sonderlich gesund ist es wohl auch nicht.»

      Es war ein sonderbarer Blick, den Lorenz ihr auf diese Bemerkung zuwarf, den Toni beim besten Willen nicht zu deuten wusste. Es folgte dann eine weitschweifige Diskussion über Ernährung, Gesundheit und den Hunger auf der Welt. Toni hatte für keines der drei Gesprächsthemen sonderlich viel übrig. Denn was die Ernährung und Gesundheit betraf, so brachte in diesen Tagen jedermann seine eigenen Thesen und Diäten hervor. Mit den ausgefallenen Ingredienzien und Wässerchen schien es ihr jedoch nichts weiter als ein moderner Hokuspokus. Und was den Hunger betraf, so dienten ein paar mitfühlenden Worte an einem solchen Abend wohl eher dem eigenen Image als irgendwem sonst. Toni zog sich also zurück. Auch weil das Gespräch hitziger und hitziger wurde und bald schon jedweder Logik entbehrte.

      Lorenz schien eine sichtliche Freude daran zu haben, Elena mit seinen Einwänden aus dem Konzept zu bringen. Dabei schien er nicht einmal eine eigene Meinung zu vertreten. Er suchte lediglich nach logischen wie moralischen Ungereimtheiten und ging dabei ebenso spitzfindig wie unnachgiebig vor. Bald schon begann sich eine tiefe Furche in Elenas Stirn zu graben.

      Offensichtlich war es Lorenz' Art, die Leute gegen sich aufzubringen. Er gewann nicht gerade an Sympathiepunkten dadurch und Toni wandte sich nun vollends ab von dieser leidigen Unterhaltung. Auch weil gerade ein Lied aus den Lautsprechern drang, das sie wirklich mochte. Sie kannte weder den Titel noch den Interpreten und im Grunde war es auch gar nichts Besonderes, hätte es da nicht diesen treibenden Rhythmus gegeben und diesen einen Tonwechsel im Refrain.

      Sie hatte sich einen Platz in der Nähe des knisternd-pulsierenden Lautsprechers gesucht und summte unmerklich die anspruchslose aber eingängige Melodie. Ihr Blick galt ihren eignen Füßen und einigen neonfarbenen Strohhalmen, die auf den Boden gefallen waren und nun dalagen auf den schmutzigen Fliesen wie ein vergessenes Mikadospiel. Die Unordnung bereitete Toni Unbehagen und so bückte sie sich nach kurzem Zögern, um die Strohhalme aufzulesen. Sie war gerade dabei, auch den letzten unter dem Tisch hervorzuziehen, als ein fremder Fuß in das Bild rückte. Sie sah irritiert auf und blickte darauf ihn Lorenz' Gesicht. Zögerlich erhob sie sich und legte die Strohhalme ein wenig beschämt auf eine Fensterbank zu ein paar halbvollen und herrenlosen Plastikbechern.

      Er bemerkte ungerührt: «Elena hat mir gerade erzählt, dass du ein Faible für schlechten Retro-Pop hast.»

      Elena setzte im Hintergrund ein scheinheiliges Lächeln auf, grinste dann breit und liebenswert.

      «Da ist diese eine Stelle, die wirklich gut ist.» Toni senkte ein wenig verlegen den Blick.

      Lorenz wollte gerade etwas einwenden, als sie ihm zaghaft mit einem Handzeichen zu schweigen hieß. Er sah sie belustigt an, hielt jedoch tatsächlich einen Moment inne.

      «Jetzt gleich», sagte sie. Als der Tonwechsel zu hören war, gab sie ihm ein unverkennbares Zeichen.

      Er ließ sie die ganze Zeit über nicht aus den Augen, hob dann belustigt die Augenbraue. «Ich weiß jedenfalls, welche Stelle du meinst», bemerkte er. «Obwohl es ansonsten nicht gerade ein musikalisches Meisterwerk ist.»

      Das Lied verklang leise im Hintergrund. Ein billiger Fade-Out.

      «Ich mag es trotzdem», erwiderte Toni und bemerkte, dass sie in ihrer einen Hand noch immer ein paar Strohhalme hielt. Sie legte sie eilig zu den anderen.

      «Es ehrt dich jedenfalls, dass du deine Geschmacksverfehlungen so freimütig zugibst. Elena hier zum Beispiel wollte mir gerade ernsthaft weismachen, dass sie daheim nur Klassik hört. Mozart, Beethoven und Konsorten.» Er grinste breit, während Elena aufgebracht einwandte, dass dies auch voll und ganz der Wahrheit entspräche. Er bräuchte nur Toni zu fragen.

      Lorenz lachte auf und erst als Toni ihm mit einem Blick zu verstehen gab, dass ihre Mitbewohnerin es ganz ernst meinte, verstummte er zögerlich. Schließlich wechselte er das Thema.

      «Ihr kennt doch dieses Märchen, oder? Von dem Kaiser, der sich ein prächtiges Seidengewand hat anfertigen lassen. Stolz spaziert es durch die ganze Stadt. Das Seidengewand aber ist dermaßen fein gewebt ist, das es niemand zu sehen vermag.»

      Toni und Elena musterten ihn skeptisch.

      «Ich muss jedenfalls sehr häufig an diese Geschichte denken, seit ich hier studiere.»

      Einen Augenblick sagte keiner ein Wort, dann brach es unwirsch aus Elena hervor. «Was willst du damit sagen? Dass ich mich aufspielen will?»

      Lorenz schüttelte den Kopf. «Nach unserer fünfminütigen Bekanntheit bin ich sicherlich nicht in der Position, dir irgendetwas zu unterstellen.»

      Sie beäugte ihn trotz seines Lächelns misstrauisch, als glaube sie ihm kein Wort, und da setzte er auch schon hinzu: «Ich habe lediglich das Gefühl, dass einige Leute in dieser Stadt gar nicht mehr wissen, was sie mögen oder wollen, weil sie viel zu viel darüber nachdenken, ob sie es auch mögen oder wollen sollten. Und das ist ein bisschen wie in diesem Märchen, in dem die Leute zwar einen nackten Kaiser vor sich sehen, aber ihrem eigenen

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