Veyron Swift und das Juwel des Feuers: Serial Teil 3. Tobias Fischer
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Tom wurde knallrot vor Verlegenheit. Da war er wieder, der alte, gemeine Veyron Swift aus 111 Wisteria Road. Er wollte etwas erwidern, winkte aber nur verärgert ab.
Veyron setzte seinen Monolog ungerührt fort. »Dennoch: Nemesis zögert und wartet ab. Er weiß nicht, was wir alles wissen. Es besteht für ihn immer noch die Gefahr, dass wir ihn aufhalten – was wir auch tun werden, soweit wir es vermögen. Zuerst muss er uns entweder loswerden oder erfahren, was wir wissen. Also muss er handeln, abweichend von seinen eigentlichen Plänen und schnell obendrein. Ich wette mit dir, dass ihm dabei Fehler unterlaufen werden. Wenn nicht ihm, dann zumindest seinen Handlangern. Doch zuerst müssen alle Karten auf den Tisch, um genau zu planen. Tom, hol bitte den Brief, den ich dir anvertraut habe.«
Tom weitete überrascht die Augen. Der Brief von Professor Daring! Den hatte er ja total vergessen. Zuletzt war er im Flugzeug in seinem Besitz gewesen. Aber er hatte die Jacke ausgezogen und sie in die Gepäckablage gestopft. Und die war jetzt …
»Ich fürchte, den Brief gibt’s nicht mehr, Veyron. Er war in meiner Jackentasche, und die Jacke ist wohl hin, mit der Supersonic in Flammen aufgegangen. Oder –? Hey! Vielleicht hat die Jacke ja überlebt. Wir könnten doch zum Wrack zurückgehen und danach suchen«, schlug Tom hastig vor.
Veyron schaute ihn für einen Moment böse an. »Gebrauch deinen Verstand, Tom! Wie wahrscheinlich ist es, dass wir die Jacke in den Trümmern finden werden? Ganz zu schweigen davon, dass wir erst einmal drei Tage lang unter dem Gebirge hindurchmüssten, danach weitere drei bis vier Tage zurück zum Wrack. Eine ganze Woche, Tom, eine ganze Woche. Und wieder zurück zur Weißen Königin, für die dieser Brief bestimmt ist. Wir reden hier von zwei Wochen, zwei Wochen in denen Nemesis halb Elderwelt zerstören kann, was zweifellos seine Absicht ist.«
Tom schaute betroffen zu Boden. »Das hatte ich nicht bedacht«, grummelte er und steckte die Hände in die Taschen des Morgenmantels. Doch was war das? Da fühlte er doch tatsächlich Papier zwischen seinen Fingern – ein Kuvert. Er zog es aus der Tasche und traute seinen Augen nicht: Es war der zerknitterte Briefumschlag des Professors. »Ich glaube, jemand verarscht mich«, murrte er und reichte den Umschlag an Veyron.
Der nahm ihn die Hände, hielt ihn gegen das helle Licht der Lampen und schüttelte den Kopf. »Keineswegs. Es ist derselbe Umschlag. Ich erkenne es an der Schrift des Professors, sie ist unnachahmlich. Vor allem sind da die zwei Kratzer, wo sein Füllfederhalter noch ein bisschen eingetrocknet war. Es ist genau die gleiche Stelle. So genau kann kaum jemand fälschen«, erläuterte Veyron. Er gab Tom den Umschlag zurück.
»Ich hatte ihn zuletzt in meiner Jacke, ich schwör’s! Moment, nein, das stimmt nicht. In der ersten Nacht, da hab ich ihn auf meiner Brust gespürt. Aber da trug ich eine andere Jacke, welche mir die Terroristen aus dem geplünderten Gepäck gaben. Wie um alles in der Welt, ist so was möglich?«, fragte Tom erstaunt und starrte den Umschlag entgeistert an. Am liebsten hätte er ihn weggeworfen. Dieses Stück Papier war verhext! Mit so was wollte er nichts zu tun haben. Er schaute zu Veyron auf, der nur lapidar mit den Schultern zuckte.
»Du hast Nagamotos Geschichte gehört. Die Simanui verfügen über Zauberkräfte, die ihnen von den Illauri verliehen wurden. Daring war ein Simanui, ein Meister sogar. Ich nehme einmal an, das ist ein besonders ausgefuchster Simanui-Trick. Der Brief wurde dir anvertraut, und dieser Zauber sorgt dafür, dass er dir nicht verloren gehen kann. So ein Zauber wäre in unserer Welt auch bei anderen Dingen ganz nützlich. Den zweiten Zauber, der auf diesem Brief liegt, kann jedoch nur die Weiße Königin für uns brechen. Nämlich die unsichtbare Schrift lesen und uns sagen, was da geschrieben steht«, schlussfolgerte er so kühl und analytisch wie eh und je.
Er nahm Tom den Umschlag wieder ab, ging zur Zimmertür und trat hinaus in den weiten Flur. Ein einzelner Elb in nachtblauer Robe stand dort und hielt Wache.
»Wir haben eine wichtige Nachricht für deine Königin und nur für sie allein. Wir müssen sie unbedingt sprechen. Bitte richte ihr Folgendes aus: Wir haben eine Botschaft von Professor Lewis Daring, dem Simanui-Meister«, sagte Veyron.
Der Elb nickte ernst und entfernte sich. Besonders eilig schien er es jedoch nicht zu haben. Veyron seufzte, als er ins Zimmer zurückkehrte. Tom setzte sich an den Esstisch und probierte von dem Mahl, das für sie bereitstand. Es gab allerhand Köstlichkeiten, viel duftendes Gemüse, auch knusprig gebratenes Geflügel, reichlich Obst und Süßigkeiten aus Sahne und Zucker.
»So schön dieses Land auch ist, offenbar kennt man hier das Wort Eile oder Dringlichkeit nicht. Begreift denn hier niemand, wie ernst die Lage ist?«, beschwerte sich Veyron.
Tom stopfte sich die Backen mit ein paar Keksen voll. »Egal, was es ist, heute können wir sowieso nichts mehr tun. Essen wir besser was. Das wird sonst bloß schlecht«, nuschelte er.
Veyron atmete tief durch. Eher widerwillig setzte er sich an den Tisch und biss in einen Apfel.
Tom behielt recht. Diese Nacht bekamen sie keine Rückmeldung mehr. Satt und zufrieden legte er sich in sein riesiges Bett, das weichste und bequemste, in dem er jemals gelegen hatte. Er schlief rasch ein und träumte zum ersten Mal seit Tagen wieder von zu Hause.
Von mir aus kann sich die Königin noch tagelang mit einer Antwort Zeit lassen, dachte er. Ich habe es überhaupt nicht eilig, von hier zu verschwinden. Soll Nemesis doch bleiben, wo er ist. Heute Nacht wollte er nicht mehr an solche Dinge denken. Morgen würden sie schon sehen, was auf sie zukam.
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