Liebe nach Rezept - Insulaner küssen besser. Mira Schwarz
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„Weißt du noch, damals in der zehnten Klasse - das war, glaube ich, zu der Zeit, als ich meine Haare pink gefärbt hatte - da warst du mit diesem Boris zusammen, der immer diese furchtbaren Klamotten trug.“
„Der trug keine furchtbaren Klamotten, der hat sich nur einfach ganz normal angezogen“, murmelte Luisa in seine Schulter hinein.
„Wie dem auch sei“, entgegnete Ben, „aber als dieser schlecht angezogene Boris mit der magersüchtigen Heidi rumgeknutscht hat, da dachtest du auch, dass die Welt untergehen und du nie drüber hinwegkommen würdest. Und Schwupps, zwei Wochen später warst du mit diesem süßen - wie hieß er doch gleich, diesem schwarzhaarigen …“
„Marcel.“
„Richtig, und Schwupps warst du mit Marcel zusammen und verliebt bis über beide Ohren!“
„Du kannst das alles hier doch nicht mit einer Jugendliebe vergleichen! Mensch Ben, ich wollte Enno heiraten! Mit sechzehn steckt man sowas doch viel besser weg, da verliebt man sich alle naslang in jemand anderen. Aber ich bin jetzt fast zwanzig Jahre älter“. Sie schluchzte. „Ich werde nie wieder jemandem vertrauen können, und falls doch, dann dauert das bestimmt noch Jahre, und dann bin ich vierzig, und dann bin ich richtig alt und Kinder kann ich mir dann auch abschminken.“ Sie schluchzte erneut.
„Das ist doch Quatsch!“ Ben zog ein Kosmetiktuch aus einer Pappschachtel, die auf dem Couchtisch stand und reichte es ihr. „Man kann doch heute locker mit Anfang vierzig noch Kinder bekommen“, versuchte er sie zu trösten.
„Das ist mir total egal, ich will einfach keine alte Mutter sein, auch wenn das biologisch oder mit medizinischer Hilfe möglich ist.“ Sie putze sich geräuschvoll die Nase.
„Süße, könnte es sein, dass du so wahnsinnig an diesem Familiending hängst, weil du ohne Mutter aufgewachsen bist?“
Ben streichelte ihr über das widerspenstige blonde Haar.
„Ach Ben, ich war doch erst ein halbes Jahr alt, als sie starb. Ich kann mich doch gar nicht an sie erinnern. Und ich habe im Übrigen auch nichts vermisst, meine Oma war immer für mich da und Paps ja sowieso.“
„Ich weiß, Oma Josie war schon eine tolle Frau.“ Er lächelte. „Sie war die erste, die gemerkt hat, dass ich anders war als die anderen Jungen.“
Ben und Luisa kannten sich seit Kindergartentagen, hatten in derselben Straße in Hamburg-Barmbek gewohnt und ihre ganze Schulzeit miteinander verbracht. Einmal hatte es so ausgesehen, als ob Ben sitzenbleiben würde. Luisa hatte nächtelang mit ihm gelernt und dann hatte er es glücklicherweise doch noch in die zehnte Klasse geschafft.
„Ich meine ja nur“, nahm Ben den Faden wieder auf, „du weißt schon, dieses ganze Mutter, Vater, Kind-Ding, du hast schon im Kindergarten dauernd diese Bilder gemalt.“
„Ja, natürlich“, sagte Luisa und richtete sich auf, „weil die anderen Kinder das auch gemacht haben. Ich habe auch immer zwei Hunde und drei Katzen dazu gemalt. Und habe ich mich jemals beklagt, dass ich keine Haustiere habe?“ Müde fuhr sie sich über die Augen. „Das ist doch auch gar nicht der Punkt, Hochzeit hin oder her, ich dachte einfach, dass Enno glücklich mit mir ist, und ich kann einfach nicht glauben, dass ich mich so getäuscht habe, dass ich nichts bemerkt habe. Was weiß ich denn, wie lange die beiden es schon miteinander treiben? Quasi vor meinen Augen? Bestimmt wusste es die gesamte Belegschaft und hat hinter meinem Rücken über mich gelacht.“ Sie ließ sich wieder an Bens Schulter zurücksinken. „Oh Gott, ich schäme mich so, wie konnte ich denn auch glauben, dass so ein toller Mann für immer mit so einer pummeligen ….“
„Jetzt mach aber mal einen Punkt!“, unterbrach Ben sie wütend, „Du sollst dich doch nicht immer so klein machen. Du bist so eine tolle Frau, hübsch, klug, ehrgeizig….“
Luisa hörte gar nicht zu. „Schon damals haben die Männer lieber mit Anorexic-Heidi rumgemacht als mit mir, das hast du doch selbst eben gesagt.“
„Das habe ich nicht so gesagt“, antwortete Ben ungeduldig. „Ich sollte hier mit dir gar nicht diskutieren, du siehst jetzt alles ganz schwarz und das ist ja auch normal nach so einer Sache, aber du wirst sehen, in ein paar Tagen …“ Er blickte Luisa kurz an. „… oder sagen wir mal in ein paar Wochen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Ich für meinen Teil glaube sowieso, dass es eher ein einmaliges Ding mit dieser Kellnerin war. Klar hat Enno sich wie ein absoluter Scheißkerl verhalten, aber ich bin mir ganz sicher, dass er dich liebt. Ihr seid so ein tolles Team, und man konnte immer sehen, dass ihm viel an dir liegt.“ Er machte eine kurze Pause, bevor er weitersprach. „Ich habe euch sogar oft um eure Beziehung beneidet.“
Luisa hob den Kopf und sah ihn erstaunt an. „Du hast uns beneidet? Ich dachte immer, du findest das spießig, zusammen ziehen, Heiraten, Kinder kriegen. Du liebst doch deine Freiheit über alles?“
Ben seufzte. „Ich rede ja nicht von dem ganzen Heiraten und für immer Quatsch. Aber einfach jemanden zu haben, wenn man nach Hause kommt, mit jemandem zusammen zu sein, der einen genau kennt, das vermisse ich schon manchmal“.
„Ben, Ben“, sagte Luisa verwundert, „du wirst doch tatsächlich langsam erwachsen.“
Ben verdrehte die Augen. „Das hat doch mit Erwachsen werden nichts zu tun, ich wünsche mir das halt manchmal, aber wenn ich dann sehe, was da alles dranhängt, dieses ständige aufeinander Rumhocken, die ganzen Ansprüche, die Streitereien, nicht mehr alleine aufs Klo gehen können.“
„Vielleicht hast du einfach noch nicht den Richtigen getroffen, bei dem dich das alles nicht so stört?“, sagte Luisa lächelnd.
Ben machte eine abwehrende Handbewegung. „Nee, lass man diese Küchenpsychologie, es ist schon alles gut so, wie es ist. Also Süße, zurück zu dir. Meinst du nicht, dass du Enno diesen Ausrutscher irgendwann verzeihen kannst? Nach dem Motto: einmal ist keinmal?“
„Fängst du jetzt auch noch damit mit an?“ Wütend stand Luisa auf. „Adriana hat das gleiche gesagt. Für mich ist das aber nicht so einfach.“
Ben stand ebenfalls auf, nahm ihre Hände in seine und drückte sie. „Luisa, wir haben dich furchtbar lieb und wissen ganz genau, wie verletzt du jetzt bist. Wir haben aber auch einfach Angst, dass du einen Fehler machst, wenn du jetzt mit Enno Schluss machst. Weil Eure Beziehung gut war, und eine gute Beziehung muss so eine Sache vielleicht auch einfach aushalten können.“
Luisa schnaufte.
„Ich will so eine Sache aber gar nicht aushalten, ich will einen Mann, dem ich vertrauen kann.“
In diesem Moment öffnete sich die Wohnungstür und Adriana kam herein. Sie schloss die Tür und schüttelte ihre nassen Locken.
„Hallo ihr beiden, was für ein Scheißwetter da draußen, echter Hamburger Frühling.“ Sie zog Mantel und Schuhe aus, begrüßte Ben mit einem Kuss auf die Wange und nahm Luisa kurz in den Arm.
„Na, Süße, ist doch schön, dass Ben jetzt da ist, oder?“
„Ja, das ist es“, murmelte Luisa.
„Aber?“ Adriana sah sie fragend an.
„Nichts aber. Es ist toll, dass ihr beide euch so um mich kümmert. Ich habe nur irgendwie das Gefühl, dass ihr nicht