Liebe nach Rezept - Insulaner küssen besser. Mira Schwarz
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Luisa schaute auf das nächste Straßenschild:
Friedrichskoog 35 km.
Schnell trat sie aufs Gas. Oh nein, nach Friedrichskoog wollte sie nun wirklich nicht. Als Kind hatte sie mit ihrem Vater und ihrer Oma dort für eine Woche Urlaub gemacht. Ihre Oma hatte die ganze Zeit gejammert, dass sie doch eigentlich in ihrem Restaurant stehen müsste und hatte sich überhaupt nicht entspannen können. Ihr Vater war schon allein von der Tatsache genervt gewesen, dass er zusammen mit seiner Mutter Urlaub machte, und Luisa hatte ziemlich enttäuscht dreingeschaut, als sie entdeckte, dass es gar keinen Sandstrand gab. Nur Gras. Sonst war es dort eigentlich sehr schön gewesen, aber es gab halt eben nur einen Grasstrand.
„Gras! Das geht nun wirklich nicht!“, sagte Luisa laut. Sie hatte sich nämlich bereits vorgestellt, wie sie stundenlange Spaziergänge am Sandstrand machen würde, immer an der Wasserlinie entlang, natürlich barfuß. Eine Wolke aus Schwermut würde sie umhüllen, und die Einheimischen würden sich fragen, wer diese traurige Frau war, die jeden Tag dutzende von Kilometern allein am Strand entlang lief. Und da passte Gras nun einmal nicht ins Bild. Auch das mit den vielen Kilometern könnte schwierig werden, da Luisa schon nach einem kurzen Sprint zum Bus die Puste ausging. Egal.
Die nächsten zwanzig Minuten fuhr Luisa mit gleichbleibender Geschwindigkeit auf der wenig befahrenen Autobahn, starrte stur geradeaus und hing ihren trüben Gedanken nach. Hinter Heide war die Autobahn zu Ende und sie fuhr auf einer Landstraße weiter, die von unzähligen Windrädern gesäumt wurde. Schön war das nicht, fand Luisa. Aber sicher ökologisch wertvoll.
Da kam auch schon das nächste Straßenschild in Sicht:
Tönning 11 km, Husum 30 km, St. Peter-Ording 31 km.
St.-Peter-Ording, das war es doch! Sandstrand ohne Ende. Und neuerdings bei Hamburgern richtig angesagt. Luisa überlegte. Es fühlte sich irgendwie nicht richtig an. Es war so - so nah. Sie wollte weiter weg, weiter weg von Enno.
„Eine Insel!“, rief Luisa und schlug mit der flachen Hand auf ihr Lenkrad. Genau, eine Insel sollte es sein. Sylt fiel ihr als erstes ein. Die nördlichste Insel Deutschlands, weiter weg ging es nicht, ansonsten musste sie nach Dänemark. Das Problem war, dass sie einmal einen unglaublich schönen Urlaub mit Enno auf Sylt gemacht hatte, noch ziemlich am Anfang ihrer Beziehung. Es war so romantisch gewesen. Alles war perfekt, das kleine Reetdach-Häuschen, die Spaziergänge am Strand, das Essen, das Feiern in den Bars…. Nein, dort konnte sie auf keinen Fall hin, es würde sie alles nur an ihn erinnern. Wohin also dann?
Luisa setzte den Blinker und fuhr auf einen kleinen Rastplatz. Sie hielt an, schaltete den Motor aus und beugte sich rüber zum Handschuhfach und fand das, wonach sie suchte, einen zerfledderten Autoatlas. Enno hatte sie deswegen immer ausgelacht, er war der Meinung, dass in Zeiten von Navis, Smartphones und Tablets kein Mensch mehr einen Straßenatlas brauchte. Aber Luisa hasste es, sich den Weg von einer Computerstimme erklären zu lassen, und es machte sie wahnsinnig, auf einem kleinen Bildschirm nach den Straßen zu suchen.
Sie suchte die schleswig-holsteinische Nordseeküste heraus. Sylt also nicht, darunter lagen Föhr und Amrum. Irgendwo hatte sie einmal gehört, das Föhr auch die Grüne Insel genannt wurde und sie nahm an, dass damit Deiche und Grasstrände gemeint waren. Also lieber nicht.
Dann also Amrum?
Sie hatte einmal eine Arbeitskollegin gehabt, die jedes Jahr nach Amrum zum Reiterurlaub gefahren war, und Luisa hatte sich immer vorgestellt, wie diese den Sandstrand entlanggalloperiert war. Diese Vorstellung sicherte natürlich nicht die Existenz von Sandstränden, aber irgendwie musste sie ja zu einer Entscheidung kommen.
Also Amrum.
Sie studierte die Karte und legte sie auf den Beifahrersitz, für alle Fälle. Mit gespielter Fröhlichkeit rief sie: „Amrum, ich komme!“ und startete den Wagen.
***
Luisa reihte sich mit ihrem Auto in die Schlange vor dem Ticketschalter ein. Es war nicht viel Betrieb, da Ostern schon vorbei war und die Hauptsaison noch nicht begonnen hatte. Hier in Dagebüll legten die Fähren nach Amrum und Föhr ab. Sie sah aus dem Fenster. Zwar konnte sie aufs Meer schauen, aber die graue Nordsee hob sich kaum von dem noch graueren Himmel ab.
Vielleicht hätte ich doch einfach in den Süden fliegen sollen, dachte sie trübsinnig. Hinter ihr hupte ein Auto und sie schrak zusammen. Sie war an der Reihe, zum Schalter vorzufahren und hatte nicht einmal bemerkt, dass die beiden Autos vor ihr schon abgefertigt worden waren.
Ob sie überhaupt Autofahren durfte? Sagte man in Filmen nicht immer zu Leuten, die Traumatisches erlebt hatten: So darfst du aber nicht ins Auto steigen? Ben und Adriana hatten einiges versucht, um sie von ihrem Vorhaben abzubringen, aber dieser Satz war nicht gefallen.
Das Auto hinter ihr hupte erneut.
„Jaja, ist ja schon gut!“, rief sie und fuhr zum Ticketschalter vor. Drinnen saß ein gemütlich wirkender Mann mit Vollbart und grinste sie an.
„Na mien Deern, wo soll es denn hingehen?“
„Einmal nach Amrum bitte“, antwortete Luisa. „Oneway!“, rutschte es ihr noch heraus. Das fand sie jetzt selbst ein bisschen dick aufgetragen. Oneway, als ob sie ein gesuchter Meisterdieb auf der Flucht wäre oder so was. Wobei Flucht stimmte ja nun auch wieder irgendwie.
„Tja Deern, nicht einmal Oneway“ – der Mann am Ticketschalter zog das Wort übertrieben in die Länge, wie Luisa fand – „kann ich dir für die nächsten drei Fähren anbieten, alles ausgebucht. Hättest du dir mal vorher ein Ticket im Internet reserviert. Montag ist doch erster Mai, das nutzen viele Hamburger aus.“
Luisa stöhnte auf. „Aber es ist doch gar nicht viel los hier“, jammerte sie und machte eine ausladende Geste, die den ganzen Fährterminal umfasste.
„Jaa, noch nicht“, sagte der Kassenwart gedehnt und grinste wieder. „Die nächste Fähre nach Amrum fährt erst um 16:00 Uhr, dann trudeln die ersten aus dem Süden ein, die müssen nämlich noch arbeiten, die haben das nicht so gut wie du.“
Er zwinkerte ihr zu, und Luisa wollte etwas Scharfes erwidern, ließ es dann aber doch bleiben. Auch das Duzen störte sie nicht besonders, im Gegenteil, bei Menschen, die ihr einigermaßen sympathisch waren, empfand sie es immer als Kompliment, geduzt zu werden, weil sie sich dann so herrlich jung fühlte.
„Und wann geht dann die Fähre, auf der noch ein Platz frei ist?“, fragte sie bange.
„Um exakt 20:00 Uhr“, sagte der bärtige Kassenwart.
„Was, erst um 20:00 Uhr?“ In Luisas Kopf ratterte es. Dann würde sie ja viel zu spät auf der Insel sein, sie musste sich auch noch ein Unterkunft suchen, und dann hier die ganze Zeit an diesem trostlosen Terminal warten.
Sie spürte, wie der Rest ihrer ohnehin sehr dürftigen Energie zu entweichen drohte und ein dicker Kloß sich ihren Hals hochschob.
Der Kassenwart sah