Der Garten der Welt. Ludwig Witzani

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Der Garten der Welt - Ludwig Witzani

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das „Indianer Jones Feeling“ genannt hatte, die Empfindung, sich in einer Umgebung aufzuhalten, in der Kultur und Natur, Fantasie und Realität auf das Anregendste ineinander über gehen, so dass man sich fühlt, als durchstreife man ein Märchenland im Modus eines glückhaften Traumes. Historiker mögen darüber die Nase rümpfen, Reisende wissen, was ich meine

       Der größte und schönste Palast Ayutthayas, der Wat Si Saphet, war eine ursprünglich umzäunte Anlage, in deren Mitte sich drei beeindruckende Thai-Chedis erhoben. Zu Füßen der drei Pagoden befanden sich Skulpturengruppen, die den Erleuchteten im Kreis seiner Schüler zeigten. An einer andern Stelle saß ein Dutzend Buddhas wie die geklonten Mitglieder einer Nirwana-Armee in Reih und Glied ordentlich nebeneinander und blickten den Besuchern erwartungsvoll entgegen. Hier wie schon in Sukothai waren die Statuen mit gelben Mönchsgewändern bekleidet, die mir so sauber vorkamen, dass ich sicher war, sie würden jeden Tag gewaschen. Irgendwo im Wat Si Saphet sollte sich ein Fußabdruck Buddhas befinden, den Naiko unbedingt sehen wollte, so dass wir uns auf die Suche machten, ohne ihn zu finden. Dafür entdeckte ich jede Menge kleiner Warane, die sich im Tempelgras versteckten, einmal hörte ich sogar ein Zischen und machte, dass ich weiterkam.

       Als nächstes lotste uns Naiko zum Riesenbuddha des Vihara Phra Monkoi Bopit. Bald standen wir vor einer rekonstruierten 14 Meter hohen sitzenden Buddha Statue, die in ihren Ursprüngen auf das frühe 16. Jahrhundert zurückging. Der Buddha, den wir sahen, hatte mit dieser ursprünglichen Skulptur aber wohl nur noch die Sitzhaltung und die Ausmaße gemein. Moderne Restauratoren hatten sie vergoldet und mit einem modernen Gebäude umgeben, das die Statue vor den Unbillen der Witterung schützen sollte.

       Noch beeindruckender als der sitzende Riesenbuddha erschien mir der schlafende Buddha des Wat Loyala Suthram, eine vierzig Meter lange und acht Meter hohe Skulptur, die ohne schützende Ummantelung mitteln im Gelände lag. Ganz schwindelig konnte einem werden, wenn man dem hausgroßen Buddha-Kopf mit seinen geschlossenen Augen gegenüberstand, der auf vier stilisierten Lotosblumen ruhte. Da ich damals nur unzureichende Kenntnisse über die buddhistische Ikonografie des schlafenden Buddhas besaß, ließ ich nur das Erlebnis der puren Größe in eine naiver Ergötzung mir wiederhallen. Erst später erfuhr ich, dass manche Skulpturen, wie etwa der liegende Buddha von Gal Vihare in Sri Lanka, den ent-schlafenen Buddha kurz vor seinem Eingang ins Nirwana zeigen. Andere schlafende Buddhas gemahnen den Gläubigen daran, dass der Traum ein Trugbild ist, eine Vorgaukelung von Realität, der keiner Wirklichkeit entspricht. Ob es sich bei dem schlafenden Buddha des Wat Loyala Suthram um einen ent-schlafenden oder um einen träumenden Buddha handelte, hätte ich damals an der Fußstellung erkennen können. Liegen die Füße parallel, träumt der Buddha, ist der obere Fuß leicht über dem unteren Fuß gewölbt, ist er bereits im Nirwana angekommen.

      Was war das Ende der Geschichte von Ayutthaya? So lang und glanzvoll sich die Epoche Ayutthayas im Rückblick auch darstellte, am Ende versank die Stadt in Feuer und Zerstörung. Nach jahrhundertelangen Kriegen, in denen sich die Thai immer nur mit Mühe gegen die Burmesen hatten wehren können, gelang den kriegerischen Nachbarn in Jahre 1769 ein überraschender Durchbruch. Ayutthaya wurde eingenommen und so gründlich zerstört, dass kein Stein auf dem anderen blieb. Diese Vernichtung ihrer glanzvollen Hauptstadt ist für die Thais bis auf den heutigen Tag ein nationales Trauma geblieben, an das sie mit einer Mischung aus Trauer und Zorn gedenken.

       Obwohl die Thais die Burmesen kurz darauf aus dem Land drängten, bauten sie Ayutthaya nicht wieder auf sondern verlegten ihre neue Hauptstadt nach Thonburri/Bangkok direkt ans Meer. Eine neue Dynastie kam an die Macht, deren Könige seit 1782 ununterbrochen das Land regieren. Ein neues Kapitel der Geschichte wurde aufgeschlagen, in dem Bangkok zur alles überragenden Metropole des Landes wurde, so groß und expansiv, dass man im Schatten ihrer Wolkenkratzer fast vergessen könnte, dass Thailand auch eine Geschichte hat.

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       Königspalast von Ayutthaya

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       Strandpassage in Pattaya

      

      

       Melancholie am Golf von Siam

       Eindrücke aus Pattaya,

       der Hauptstadt des asiatischen Sextourismus

      

      Wenn die cholerischen Charaktere zum Oktoberfest nach München fahren, die Sanguiniker Trekking Touren durch den Himalaya unternehmen und die Phlegmatiker gleich ganz zu Hause bleiben, reisen die Melancholiker nach Pattaya. Das war mein erster Eindruck von der Hauptstadt des Sextourismus in Südostasien. Wo der Besucher, von verheißungsvollen Bildern in den Prospekten berauscht, bei seiner ersten Reise ein tropisches Kythera mit willigen Sirenen erwartet, trifft er auf ein tristes und verbautes Betonkonglomerat am Golf von Siam. Wie in den Gründerjahren des spanischen Massentourismus verlief zwischen dem schmalen Strand des Ortes und den verschachtelten Hotelgassen mit ihrem Stromleitungsgewirr eine unsägliche Strandstraße - stark frequentiert durch Jeeps, Busse, Motorräder und gesteuert von jenem lärmtoleranten thailändischen Menschenschlag, der zur Bewältigung komplizierter Wegverhältnisse allemal lieber die Hupe als das Lenkrad benutzt.

       Aus dem winzigen Fischerdorf im Süden Bangkoks, das Anfang der Siebziger Jahre gerade einmal zwei Hotels mit einigen Dutzend Betten aufwies, ist eine Stadt mit gut fast einhunderttausend gemeldeten und zahllosen ungemeldeten Einwohnern geworden. Eine Metropole der Begierden ist entstanden, erstaunlich unansehnlich und noch immer wild wuchernd, auf der allabendlich immer das gleiche Stück in tausendfachen Variationen gespielt, genossen und erlitten wird.

       Die Einzelreisenden, die bei diesen nächtlichen Aufführungen als Protagonisten und Komparsen zugleich agieren müssen, blieben beim Frühstück lieber unter sich. In kleinen Gruppen oder alleine verspeisten sie verdrossen das Frühstücksei am Nachmittag, die Gesichter waren verknittert, die Haare ungekämmt. Noch von der Nacht schwer angeschlagen saßen zwei Freier aus Norddeutschland am Fenstertisch. Restalkoholisiert und unrasiert, mit Käppis über ihren schütteren Frisuren, blicken sie missmutig aneinander vorbei . Wolfgang, ein Versicherungsmakler aus Dortmund, und Ralf, Gymnasiallehrer aus Köln, waren dagegen gepflegte Enddreißiger und dem Augenschein nach keineswegs das, was man sich landläufig unter einem Sextouristen vorstellen mochte. Sie waren weitgereist; hatten keinerlei Schwierigkeiten mit Wortfindung und Artikulation und behandelten die Bedienung mit ausgesuchter Höflichkeit. So tadellos ihre Umgangsformen, so hoch ihre Ansprüche, und gerade deswegen waren sie als Dauergäste nicht mehr zufrieden mit dem Ambiente des Ortes. Die finanziellen Abstimmungen mit den Damen, die sich früher fast spielerisch als eine Form der Freizeitgestaltung vollzogen hatten, entarteten heute immer mehr zu einer Feilscherei, in deren Verlauf sich auch die letzten Illusionen exotischer Erotik verflüchtigen, so Ralf. Das Preis- Leistungsverhältnis, so Wolfgang, stimme nicht mehr, und er werde in Zukunft öfter mal nach Manila fahren. Ralf pflichtete ihm bei: es kämen immer weniger Touristen nach Pattaya und trotzdem stiegen die Preise, das sei doch antizyklisch. Sogar der Kaffee sei fast schon so teuer wie daheim.

       Auch Prostituierte aller Altersklassen saßen an diesem Morgen beim Frühstück zusammen - müde, zerschlagen, ungeschminkt und alles andere als Akquise im Sinn. Aus ihrer Perspektive war das Geschäft in den letzten Jahren immer härter geworden, denn die Konkurrenz aus Chiang Mai und Bangkok strebt nach Pattaya, und immer mehr Kunden wollen für special services keine Aufschläge mehr berappen.

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