Bei Thor und Odin. Claus Beese

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Bei Thor und Odin - Claus Beese

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die mir sagte, dass, wenn ich es jetzt wagte, einfach weiterzufahren ohne hier anzulegen und mein Versprechen einzulösen, es durchaus zu ernsteren Komplikationen kommen könnte. Zwar waren die Zeiten der Standgerichte vorbei, auch gab es in dem zivilisierten Teil dieser Welt keine Erschießungskommandos mehr, aber wer wollte es sich schon mit seiner Bestfrau an Bord verderben, wo doch heutzutage geschultes Personal so schwer zu bekommen war? Also nahm ich erst mal Gas weg, ließ das Schiff langsam am Steg vorbei gleiten und hielt Ausschau nach einem freien Platz.

      Es war nicht immer leicht, es allen recht zu machen, auch wenn man sich noch so sehr bemühte, kam es mir in den Sinn, als sich die Stimme unseres weiblichen Nachwuchses, hier an Bord im Rang eines Leichtmatrosen, meldete.

      »Gestern gab’s schon Fischstäbchen, und da wollt ihr heute schon wieder Fisch essen? Mensch, mir wachsen ja Flossen«, maulte unser Moses, und ich schaute interessiert an meiner Tochter herab.

      »Könnte ganz hübsch aussehen, du solltest allerdings aufpassen, dass du nicht auch noch Schuppen bekommst!«, meinte ich mit leichtem Spott und unsere Tochter, auch kurz Torti genannt, trollte sich beleidigt aufs Achterdeck, um die Leinen und Fender klarzumachen.

      Als meine beiden Deckmatrosen das Schiff klar zum Manöver meldeten, gab ich gefühlvoll Gas und manövrierte das Boot an den Schlengel heran. Freundliche Skipper nahmen die Leinen entgegen und wenig später waren wir fest.

      »Zoo am Meer!« »Shoppen!« »Log-Buch!« »Schifffahrtsmuseum!« »Fisch essen!« »Nautik-Shop!« »McDonalds!« »Stadtbummel!« »Hafenmeister!« »Auswandererhaus!« »Eisdiele!«

      Ist es nicht schön, wenn drei Leute sich so einig sind? Der Urlaub kann gar nicht lang genug sein, um alle Programm-Punkte auch wirklich abhaken zu können. Wir schafften es bis in die Innenstadt, bummelten durch das Columbus-Center und fanden schließlich, was ich gar nicht gesucht hatte: einen gemütlichen Eissalon, in dem es tolle Eisbecher gab. Logisch, dass meine beiden Meerjungfrauen da nicht widerstehen konnten. Wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich mir eigentlich nichts aus Eis mache. Es ist zu süß und zu kalt, und meistens wird einem nach der dritten Portion schlecht. Als ich nach dem obligatorischen Banana-Split auch noch den Malaga-Becher vernichtet hatte, fühlte ich mich bereits so gesättigt, dass an eine Fortsetzung der Exkursion zum Zoo am Meer und den Hafen mit den alten Schiffen nicht mehr zu denken war. Die weiblichen Mitglieder meiner Crew griffen sich also wieder ihre Taschen und Tüten, die sich in beängstigendem Maße während des Stadtbummels so angesammelt hatten, und wir verließen unter dem leisen Ächzen der beiden Kaufwütigen, die unter der Last nun erst richtig zu schwitzen begannen, den Eissalon.

      »Mille Gracie! Arrivederci!«, verabschiedete uns der freundliche Italiener mit breitem Lachen und rieb sich wegen des gerade getätigten guten Umsatzes die Hände. Ich hingegen war angesichts der unverschämt hohen Rechnung der Meinung, gerade die Existenz einer ganzen Mafia-Familie für die nächsten drei Jahre gesichert zu haben.

      »Alles herhören!«, kommandierte ich, als wir vor der Tür des „Paten-Etablissements“ standen. »In unserer Reisekasse ist schon jetzt die galoppierende Schwindsucht ausgebrochen! Wenn wir so weitermachen, wird das ein sehr kurzer Urlaub!«

      »Spaßverderber!« »Miesmacher!« »Geizkragen!« »Erbsenzähler!« - waren noch die freundlichsten Worte, die ich darauf hin zu hören bekam. Während ich noch voller Entsetzen über das Gehörte mit weit aufgerissenen Augen dastand und meine meuternde Crew anstarrte, griff mir mein Nachwuchs bereits in die Hosentasche und förderte mein Portemonnaie zu Tage, aus welchem sich meine mir Angetraute die Bankkarte angelte. Da wir gerade vor dem Geldautomaten einer Sparkasse standen, brauchte sie sich nur umzudrehen und wenig später hielt sie triumphierend ein Bündel Scheine in der Hand. Das Geld wanderte in die Börse meiner besseren Hälfte, die Bankkarte zurück in mein Portemonnaie, das man mir Gütigerweise wieder zurück in die Hosentasche schob.

      »So macht man das!«, belehrte mich der erwachsene Teil meiner mich in den Ruin treibenden Mannschaft und klopfte mir gönnerhaft auf die Schulter.

      »Das ist Raub!«, stellte ich ächzend fest und kämpfte mannhaft gegen den beginnenden Nervenzusammenbruch an. Ich ahnte, dass ich nicht wirklich etwas Sinnvolles gegen diese hochkriminelle Tat unternehmen konnte. Rief ich die Polizei, würde diese meine Frau mit Sicherheit einbuchten, mein Nachwuchs käme in irgendeine Besserungseinrichtung und würde auf einem Dreimaster das Segeln in der Karibik zwecks Resozialisierung lernen. Und ich? Ich konnte zusehen, wie ich mein Schiff ohne Crew wieder nach Hause bekam. Von den Ungelegenheiten, die mir dadurch zu Hause entstehen würden, einmal ganz zu schweigen. Staub wischen, Wäsche waschen, Socken stopfen, Müll raus bringen, und all diese tausend Kleinigkeiten, die in einem Haushalt zu tun waren – wer sollte sich denn darum kümmern?

      Gut, man konnte zur Abschreckung eine der Beiden über die Planke laufen lassen, kielholen, vierteilen und die traurigen Überreste in den Masttop hängen. Nur, welche von beiden? Und war das heutzutage wirklich noch zeitgemäß? Außerdem hatte ich weder Planke noch Mast! In einem Anfall weiser Mildtätigkeit beschloss ich, dieses eine mal noch über den Vorfall hinwegzusehen, aber ein entsprechend scharfer Eintrag im Logbuch würde mich im Wiederholungsfall daran erinnern, hier mit aller Schärfe durchzugreifen. Von »barfuß in die Koje« über »Nachtisch streichen« bis hin zum »Eis-Entzug« oder gar »Deck schrubben« gab es ja, Neptun sei Dank, eine breite Palette drastischer Strafen, die ein Kapitän verhängen konnte.

      Einigermaßen beruhigt folgte ich nunmehr meinen beiden kriminellen Elementen, die bereits ein teuer aussehendes Fischrestaurant ansteuerten. Selbst die riesigen Eismengen, die ja eh nur ein kleines Intermezzo, also Zwischenspiel, darstellten, hinderten sie nicht daran, nun zu handfester Kost überzugehen. Schließlich war ja schon beinahe Abendbrotzeit. Da stand einem natürlich ein ausgiebiges Nachtmahl in Form von fester Nahrung zu.

      Die georderten drei Portionen Seelachsfilet in Bierteig entpuppten sich als ausreichende Verpflegung für eine ganze Kompanie Soldaten, und wir futterten, bis wir die Augen verdrehten, aber die restliche halbe Platte Fisch, von der uns immer wieder vorgelegt wurde, erwies sich als unbezwingbar. Irgendwann, als uns der Angstschweiß auf der Stirn stand, weil wir befürchteten zu platzen, gaben wir auf. Pappsatt wankten wir zurück zum Boot und jeder sank vollkommen erschöpft in seine Lieblingsecke. Jetzt nur nicht mehr bewegen, das notwendige Verdauen verlangte uns sowieso schon unsere letzten Kräfte ab. Unser halbwüchsiger Flaggenmaat kroch ermattet aufs Achterdeck und angelte ächzend die Nationale aus der Halterung des Flaggenstocks, rollte sie auf und verstaute sie in der Plicht.

      »Ich war noch nie so satt«, stöhnte Torti, krabbelte in die Achterkajüte und fiel stumpf in ihre Koje.

      »Das grenzt ja wirklich schon an Völlerei!«, bemerkte meine Bestfrau gequält.

      »Ja! Herrlich, nicht?«, bestätigte ich und setzte das Fläschchen Magenbitter an, dessen Inhalt für eine bessere Verdauung sorgen sollte. Aaaaah! Das tat gut! Der kleine Kümmerling fing sofort mit der Arbeit an und sorgte für eine geregelte Vorarbeit bei der Fettverbrennung. Wohltuende Wärme breitete sich in meinem geweiteten Magen aus.

      »Bist du sicher, dass wir morgen früh weiterfahren wollen?«, fragte ich vorsichtshalber nochmals nach. So, wie ich mich jetzt fühlte, wäre eher ein erholsamer Hafentag angesagt, als ein mehrstündiger Törn.

      »Morgen früh?«, kam es gedehnt aus der Ecke, in der mein wackerer weiblicher Mitstreiter in Sachen Fischvernichtung herumlag. »Wer mich vor morgen Mittag weckt, wird erschlagen!«

      Der Abend hatte sich über das Städtchen gelegt, das von den Einwohnern liebevoll „Fishtown“ genannt wurde, und die zunehmende Dunkelheit überzeugte die Skipper am Steg davon, dass es nun Zeit war, in die Kojen zu kriechen. Langsam kehrte in der Anlage Ruhe ein und auch wir fielen in unseren Kojen in einen unruhigen Verdauungsschlummer.

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