Tarius. Patrick Fiedel

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Tarius - Patrick Fiedel

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Julius schon immer Verständnis gehabt, seine Eltern weniger.

       Damals also, vor zwei Jahren, waren sie zusammen mit dem Zug zu ihm gefahren. Das Zugfahren war einfach. Einsteigen, fahren, aussteigen. Ein Kinderspiel. Julius versuchte, sich zu erinnern, wie die Haltestelle hieß, die sein Ziel markierte.

       „Ich schreib dir alles auf“, reagierte seine Mutter, die am rätselnden Blick ihres Sohnes erkannte, was in ihm vorging.

       Julius strahlte, sprang auf und rannte nach oben, um zu packen. Er war kein Kleinkind mehr, er war immerhin schon 10 Jahre alt und sehr wohl in der Lage, selbst einen Koffer zu suchen und zu packen.

       „Mama? Wo ist denn der Koffer?“, schrie er quer durch das Haus.

       „Schrei nicht so. Der ist im Keller“, rief sie zurück.

       Julius machte sich also auf den Weg in den Keller. Er war kein Kleinkind mehr, er war immerhin schon 10 Jahre alt und sehr wohl in der Lage, alleine in einen gruseligen dunklen Keller zu gehen.

       „Papa, brauchst du auch etwas aus dem Keller?“, schrie er wieder zu laut.

       „Ich komme mal mit nach unten“, flüsterte Julius’ Vater direkt hinter ihm, „ich brauche eine Glühlampe.“

       Julius erschrak etwas darüber, dass sein Vater auf einmal hinter ihm stand, doch als dieser ihm zuzwinkerte, verschwand der Schreck und machte Platz für ein breites Grinsen. Er drückte auf den Lichtschalter, aber nichts geschah. Er schaute zur Lampe an der Wand und betätigte den Schalter erneut.

       „Ich sagte doch, ich brauche eine Glühlampe“, grinste sein Vater.

       „Dann wollen wir mal“, sagte Julius und stieg mutig hinter seinem Vater die Stufen hinab ins Dunkle.

       Sie tasteten sich durch die Finsternis des Raumes und Julius versuchte, den gesuchten Koffer zu erfühlen.

       „Kiste, Kiste, Kiste, Truhe, Regal, Kopf.“

       Julius schrie auf.

       „Ah, mein Auge!“, japste sein Vater. Er hockte vor dem Regal, rieb sein fingerbelastetes Auge, stieß sich beim Aufrichten den Kopf und fluchte.

       „Sch….ornsteinfeger“, rief er laut und Julius musste lachen.

       „Entschuldige, Papa“, flüsterte er, aber es war längst verziehen. Sein Vater war schon auf dem Weg zur kaputten Glühbirne, um sie auszutauschen. Julius hörte das Schraubgeräusch, dann ein ‚Klick‘ und der Keller war erleuchtet.

       Der Koffer ward schnell entdeckt und gleich von Julius aufgenommen. Schnell rannte er die Stufen nach oben, an Papa vorbei, der sich sein Auge rieb. Und die Stirn. Julius packte, klassenfahrterprobt, wie er war, seinen Reisekoffer und trug ihn zur Haustür hinunter.

       Der Abend mit seinen Eltern sollte ein wundervoller werden. Sie aßen Spaghetti mit Fleischbällchen in Tomatensoße und schauten einen Film über Italien. Julius fand ihn ziemlich schnulzig, aber zumindest kam eine coole geheimnisvolle Steinmaske darin vor. Sie spielten Rommé und aßen Salzstangen. Seine Eltern tanzten zu italienischer Musik und Julius schaute ihnen glücklich zu. Spät gingen sie schlafen.

      In dieser Nacht träumte Julius von einer sprechenden Steinmaske. Sie sprach italienisch. Er verstand sie nicht.

      III

      Der Bahnsteig war fast leer, als Julius mit seinen Eltern dort ankam. Eine große Uhr zeigte mit ihren beiden dünnen schwarzen Armen die aktuelle Zeit: 10.26 Uhr. Vier Bänke in der Nähe des Gleises warteten auf pausierende Reisende.

       „Wir sind viel zu früh“, sagte Julius.

       „Du kennst doch Mama“, antwortete sein Vater lächelnd und ging zum Zeitungskiosk, um sich eine Tageszeitung zu kaufen.

       Am zweiten Gleis des kleinen Bahnhofes fuhr nach einer schwer verständlichen Lautsprecherdurchsage ein Zug durch. Julius beobachtete ihn und versuchte, die Wagen zu zählen.

       „Sieh mal, Junge“, zupfte ihn seine Mutter unterbrechend am Ärmel, „die ist bestimmt in deinem Alter. Und was für süße Zöpfe sie hat.“

       Julius drehte sich zur Seite und sah, von wem sie gesprochen hatte. Ein Mädchen mit Stofftier in der Hand stand zu Füßen ihrer sich unterhaltenden Eltern und winkte ihm zu. Julius schaute schnell in eine andere Richtung, dann kurz wieder zu dem Mädchen, die immer noch winkte.

       „Na, schon eine kleine Freundin gefunden?“, sprach es für seinen Geschmack etwas zu laut direkt hinter ihm.

       Sein Vater war mit der Tagespresse zurückgekehrt, sah das winkende Mädchen und grinste. Julius wurde rot. Das Mädchen grinste weiter. Und winkte. Julius schaute verlegen auf den Boden. Jetzt hatten sich auch die Eltern gegenseitig entdeckt, freuten sich gemeinsam über das winkende Kind und winkten auch. Und grinsten. Julius schloss die Augen. Er wollte weg von hier.

       Ein knarzender Lautsprecher erlöste ihn endlich und beendete die elterlichen Verkupplungsversuche.

       Der Interregio war in Anfahrt. Der Bahnsteig füllte sich mit anderen Mitreisenden. Gehetzte Männer und Frauen mit Aktentaschen, entspannte ältere Damen mit grauen Haaren, verliebte händchenhaltende Jugendliche, spazierstockführende Herren mit Hüten, Familien mit schlafenden Kindern im Kinderwagen, Familien mit schreienden Kindern im Kinderwagen und viele mehr bevölkerten den bis eben fast leeren Bahnsteig.

       Julius schaute nach links und sah den nahenden Zug in der Ferne.

       „Jetzt ist es soweit“, schluchzte seine Mutter und beugte sich zu ihm herab.

       „Pass gut auf dich auf. Halte dich an die Anweisungen auf dem Zettel. Iss deinen Reiseproviant. Bleib dort sitzen, wo wir dich gleich hinsetzen. Höre auf die Durchsagen im Zug. Schau genau auf die Ortsschilder am Bahnhof. Steig erst aus, wenn der Zug an Opas Station ankommt“, ergänzte sie mit den Tränen kämpfend.

       „Und wasch dich immer. Kämm dir die Haare. Putz dir die Zähne. Ruf uns an, wenn du angekommen bist“, schloss sie mütterlich umsorgend.

       Der Zug kam langsam angefahren und quietschte sich über die Gleise zum Stehen. Die Türen öffneten sich. Ankommende stiegen aus, Abreisende stiegen ein. Julius und seine Eltern kletterten in den Waggon hinein und suchten das für Julius bestimmte Abteil.

       „Guten Tag“, grüßte sein Vater die schon Sitzenden und verstaute den Koffer. Er umarmte seinen Sohn, gab ihm einen Kuss und Julius schaute ihm auf die Stirn, besser gesagt, auf die Beule.

       „Tut es sehr weh?“

       „Die Beule nicht. Der Abschied schon“, antwortete er mit einer kleinen Träne im Auge.

       Dann umarmten sich beide kurz. Julius’ Mutter stellte derweil den Proviantrucksack auf den Sitz und wies alle im Abteil Mitfahrenden an, ein Auge auf ihren Sohn zu haben.

       „Sag dem Schaffner Bescheid, wenn etwas ist!“, forderte sie ihn zum Abschied auf und umarmte Julius so fest, dass er kurz nach Luft schnappen musste.

       Als sich die mütterliche Kraftumarmung langsam löste, kullerten die mütterlichen Tränen über das schluchzende Gesicht.

      

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