Tarius. Patrick Fiedel
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Der Zug wollte losfahren, ob man wollte oder nicht. Julius nahm am Fenster Platz, setzte den Proviantrucksack auf seinen Schoß und schaute nach draußen. Die Türen schlossen sich und das metallene Ungetüm kam in Bewegung. Er winkte seinen Eltern zu. Seine Eltern winkten zurück.
Dann verschwanden sie durch des Fensters Bewegung mit dem Zug in Fahrtrichtung und dort, wo Julius eben noch den Bahnhof gesehen hatte, wechselten sich anfänglich graue Häuserfassaden und dann Felder und Wiesen verschwommen ab. Der Zug schleppte sich mit gleichmäßigem Herzschlag über die Gleise.
Julius schaute sich um.
Vor ihm saß ein groß gewachsener Herr in schwarzem Anzug. Er trug eine runde Brille, hinter deren Gläsern seine Augen stark vergrößert aussahen. Er nickte freundlich. Daneben saß ein älteres Ehepaar, vermutete Julius. Zumindest war die ältere Dame mit hochgesteckten grauen Haaren und funkelnden Ketten um den Hals sehr bemüht darum, dass der ältere Herr mit Hut doch grade sitzen und nicht mit den Füßen wackeln sollte. Ob er seine Medikamente genommen habe und die Fahrscheine hätte. Die Fragen und Aufforderungen der älteren Dame schienen endlos. Die Antwort des Mannes dafür kurz.
„Ja, mein Täubchen“, sagte dieser nur und schloss entspannt die Augen.
Seine Hände lagen ineinander verschränkt auf seinem Bauch. Er atmete entspannt und drehte die Daumen im Kreis. Neben Julius war ein freier Platz. An der Tür saß eine junge Frau mit löchriger Jeans und grün gefärbten Haaren. Auf ihrem T-Shirt stand wohl etwas, was der älteren Dame gegenüber nicht gefiel, zumindest schüttelte sie mehrmals den Kopf beim Blick darauf.
„Na, du fährst wohl das erste Mal alleine mit dem Zug?“, fragte die ältere Dame.
„Ja. Ich fahre zu meinem Großvater“, antwortete Julius wohlerzogen.
„Du musst keine Angst haben“, fuhr sie fort.
„Die habe ich auch nicht. Ich bin schon 10 Jahre alt“, reagierte Julius selbstbewusst und öffnete seinen Rucksack.
Es war bemerkenswert, was ihm seine Mutter für eine knapp dreistündige Zugfahrt alles eingepackt hatte. Belegte Brote mit Blutwurst, Äpfel, Bananen, zwei Flaschen Wasser und kleine Brotstangen tummelten sich nebeneinander und warteten auf das Verspeisen. Der beidseitig beschriebene Anweisungszettel lag ganz oben.
Julius entschied sich vorerst für einen Apfel und verstaute das übrige Überlebenspaket über seinem Kopf in der Gepäckablage. Nachdem er den Apfel bis auf das Kerngehäuse gegessen hatte, stand er auf und streckte sich. Er ging zur Tür und öffnete sie.
„Wo willst du denn hin?“, fragte die ältere Dame besorgt.
„Ich muss zur Toilette“, antwortete Julius und die Dame genehmigte den kurzen Ausflug, wissentlich, dass seine Mutter alle im Abteil instruiert hatte, gut auf ihren Sohn aufzupassen.
Julius ging nach draußen und blickte kurz auf das T-Shirt des jungen Mädchens. Er musste lächeln. Der Weg zur Toilette führte ihn über den schmalen Gang vorbei an weiteren Abteilen. Er schaute beim Vorübergehen kurz hinein und beobachtete schlafende, lesende, redende und aus dem Fenster schauende Reisende.
Die breite Fensterfront auf der anderen Seite des Ganges lockte mit einer Aussicht auf saftig grüne Wiesen. Der Zug schaukelte etwas und Julius musste sich beim Gehen konzentrieren, nicht zu schwanken.
„Jetzt lauf ich wie unser Nachbar am Wochenende in seinem Garten“, freute er sich und stand kurz darauf vor der merkwürdigen Toilette.
Er öffnete den Deckel und betätigte aus Neugier die Spülung. Eine Klappe öffnete sich und er konnte durch sie hindurch direkt auf die Gleise schauen.
„Cool“, sagte er laut. Die wackeligen Zielversuche machten Spaß.
Als Julius zurück an seinem Platz war und sich setzte, betrat ein großer Mann in Uniform und mit Mütze bekleidet die Kabine.
„Die Fahrscheine bitte“, instruierte er.
Die Mitreisenden kramten und suchten sie heraus und der Schaffner lochte sie mit einem Fahrkartenlocher, der an einer Kette befestigt war. Das junge Mädchen mit der löchrigen Jeans suchte immer noch.
„Die hat bestimmt keinen Fahrschein“, freute sich die ältere Dame.
Doch sie fand ihn sogleich und lächelte. Die ältere Dame lächelte nicht.
„Und du musst Julius sein“, sprach der Mützenmann mit Locher.
Julius war überrascht und wurde rot.
„Woher wissen sie das?“, fragte er verwundert.
„Deine Mutter war vorhin bei mir“, antwortete der Schaffner. „Deine Fahrkarte ist in der seitlichen Rucksacktasche.“
Julius war das etwas unangenehm. Er zückte den Schein, dieser wurde gelocht und der Schaffner schloss das Abteil von außen. Die erste Station näherte sich und der Zug hielt quietschend an. Das junge Mädchen stieg aus.
Julius schlief ein und träumte, er wäre Schaffner.
IV
Es ruckelte. Julius wachte auf. Er rieb sich die Augen und schmatzte. Ihm gegenüber saß auf einmal ein anderer Mann. Viel kleiner und ohne Brille. Dafür mit Schnauzbart, Jeans und Pullover. Er grinste. Wie lange hatte er denn geschlafen? War der Mann geschrumpft und hatte sich umgezogen? War ihm ein Bart gewachsen? Wie schnell wächst eigentlich ein Bart? Er hatte keine Uhr.
„Na, da war aber jemand müde“, sprach die ältere Dame und freute sich mütterlich. „Du hast über zwei Stunden geschlafen“, fuhr sie fort.
Julius war verwundert. So einen langen Vormittagsschlaf hatte er noch nie gebraucht. Das musste das gleichmäßige Ruckeln beim Fahren über die Schienen sein, dachte er sich. Dann wurde er putzmunter. Wenn ihn seine mathematischen Kenntnisse nicht täuschten, dann müsste er ja bald da sein.
„Wie spät ist es genau?“, fragte er laut.
„Du bist in 30 Minuten bei deinem Großvater“, antwortete der fremde Mann ihm gegenüber.
‚Moment. Was bitte? Wie jetzt?‘ dachte Julius verwundert.
„Ich habe es ihm erzählt, damit er auch aufpasst“, sagte die ältere Dame auflösend.
Sie nahm ihre Aufgabe wirklich verdammt ernst, dachte Julius.
Aber was viel wichtiger war, er war fast da. Gleich würde er seinen Großvater wiedertreffen. Julius freute sich, setzte seinen Rucksack auf und ließ sich von dem neuen unbekannten Herrn den Koffer aus der Ablage geben.
Er öffnete die Abteiltür und ging zum Ausgang. Dort stellte er sich hin und wartete. Er wartete noch eine ganze Weile, denn er war etwas zu früh aufgestanden. Das hatte er wohl von seiner Mutter.
Dann Quietschen, Bremsgeräusche, Ruckeln, Stillstand, Zischen. Julius öffnete die Tür und blickte aufgeregt nach draußen.
„Soll ich dir