Steinige Zeiten. Helene Hammerer

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Steinige Zeiten - Helene Hammerer Romane aus dem Bregenzerwald

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meinte er: „Danke Mandy, ich hab seit Jahren keinen so guten Kuchen mehr gegessen.“ Amanda wehrte sich nicht gegen die Verkürzung und Anglisierung ihres Namens. Rupert kam damit seit Jahren als einziger durch, sonst bestand sie immer darauf, bei ihrem vollen Namen genannt zu werden. Amanda sei schlimm genug, pflegte sie zu sagen. Großmama bemerkte, dass die Nussschnecken ihres seligen Gatten, des Bäckers Josef, noch weitaus besser geschmeckt hatten und Rupert meinte schmunzelnd: „Natürlich, Großmama, Meister Josef war der Beste aber gleich nach ihm kommt Amanda.“ Darauf verschluckte sich Fini an ihrem Kaffee, was ihr wieder einmal den Tadel ihrer Mutter eintrug.

      Nach dem Essen holte Rupert zwei große Koffer aus dem Auto und verteilte Plüschtiere, Patschen aus Lammfell und einen lässigen Ledergürtel für Christof. Die Kinder bekamen außerdem Schweizer Schokolade aus dem Dutyfree-Shop, die Damen teure Parfüms und er selbst eine Flasche Whisky. Als Fini und Großmama weg waren, setzte er sich mit den Kindern aufs Sofa, um ihnen eine Geschichte vorzulesen, wobei er mittendrin einschlief. „Mama, Rupert ist eingeschlafen“, flüsterte Clemens. Und Margot meinte kichernd: „Ich hab ihn zugedeckt.“ „Er ist müde von der weiten Reise“ erklärte Amanda, „außerdem ist in Australien jetzt Nacht.“ Sie gab den Kindern ihr Abendessen und brachte die beiden Kleinen ins Bett.

      Ihr Gast rührte sich den ganzen Abend nicht mehr, saß am nächsten Morgen aber mit der Zeitung am Tisch, als Amanda die Küche betrat, um das Frühstück herzurichten. Es duftete nach Kaffee und im Holzherd brannte bereits ein Feuer. „Na, bist du ausgeschlafen?“, erkundigte sie sich freundlich. Rupert grinste: „ Das nennt man Jetlag aber in zwei, drei Tagen habe ich mich wieder umgestellt.“ Amanda nahm sich eine Tasse Kaffee und setzte sich zu ihrem Schwager. „Hast du schon Pläne?“, fragte sie. Rupert nickte: „Arthur geht in Pension. Er hat mich angerufen und gesagt, dass ich seinen Job beim Land haben kann, wenn ich will. Er würde mich empfehlen. Da hab ich natürlich gleich zugegriffen und ihnen meine Unterlagen geschickt. Wenn alles glatt geht, hast du den neuen Landesgeologen vor dir. Am ersten September kann ich anfangen. Nächste Woche habe ich noch ein Gespräch, aber das ist reine Formsache. Ich hab die besten Qualifikationen und die besten Beziehungen.“ Damit hob er vielsagend die Augenbrauen und Amanda musste lachen. „Das klingt gut, dann kannst du ja wirklich im Land bleiben“, freute sie sich. „Ja“, seufzte Rupert, „ich verdiene zwar nicht halb so viel wie in Australien, aber Kohle ist ein hartes Geschäft und sie zahlen nicht umsonst so gut.“ „Wir sind alle froh, dass du wieder da bist, Rupert“, beteuerte Amanda. Sie trank einen Schluck Kaffee und fragte dann leise: „Hast du schon etwas von Inga gehört?“

      Inga war Ruperts Tochter, die er seit fünf Jahren nicht mehr gesehen hatte. Ihrer schwedischen Mutter Svenja war das Sorgerecht für Inga zugesprochen worden und mit einem miesen Trick hatte sie erreicht, dass Rupert kein Besuchsrecht bekam. Rupert versuchte damals verzweifelt, sich gegen diese Ungerechtigkeit zu wehren, jedoch ohne Erfolg. Die Flucht ans andere Ende der Welt und ein harter, fordernder Job waren auch ein Versuch, seinen Schmerz zu betäuben, davon war Amanda überzeugt. Jetzt schüttelte er grimmig den Kopf. „Nein, Svenja lässt nach wie vor keinen Kontakt zu.“ Amanda nickte bekümmert. Sie war Ingas Patentante und war in den vergangenen Jahren an jedem Geburtstag und jedem Weihnachtsfest mit Geschenken vor der Tür gestanden, wo sie von Svenja abgefertigt wurde. Jedes Mal ging sie völlig deprimiert nach Hause, wo Andreas sie tröstete und die Exfrau seines Bruders mit Ausdrücken bedachte, die er sonst nie verwendete. „Ich will versuchen, mich mit Svenja zu einigen. Mit Geld lässt sich vieles machen bei Leuten wie ihr“, sagte Rupert grimmig. „Und wenn es im Guten nicht geht, kann ich mir jetzt einen erstklassigen Anwalt leisten.“ Amanda stimmte ihm zu. Die Chancen, seine Tochter wiederzusehen, standen für Rupert gut.

      Anschließend frühstückten sie mit den Kindern und Rupert half Amanda im Stall. „Meine Güte, hab ich das alles vermisst“, seufzte er, als er frisch geduscht wieder in die Küche kam, wo Amanda das Frühstücksgeschirr spülte. „Hast du eine Arbeit für mich?“, erkundigte er sich. „Du kannst das Geschirr abtrocknen“, grinste seine Schwägerin. Rupert verzog das Gesicht: „Diese Art von Arbeit habe ich eigentlich nicht gemeint. Sag nur, du hast noch immer keinen Geschirrspüler?“ „Wie du siehst, spüle ich nach wie vor von Hand.“ „Ich kauf dir einen Geschirrspüler“, meinte Rupert entschlossen und ging auf die Proteste seiner Schwägerin gar nicht ein. Kurze Zeit später hörte sie die Motorsäge. Rupert machte draußen hinter dem Haus Brennholz. Damit war er für die nächste Zeit beschäftigt.

      Nach einigen Tagen fühlte es sich schon ganz selbstverständlich an, dass Rupert im oder ums Haus war. Er kaufte den versprochenen Geschirrspüler, was ihn bei seiner Nichte und seinen beiden Neffen noch beliebter machte, und lieh sich Amandas alten Ford-Kombi, um sich nach einem Auto umzusehen. Er kaufte sich einen gebrauchten Suzuki-Geländewagen, da er das Auto auch beruflich brauchte. Das Anstellungsgespräch verlief ohne Probleme und Rupert wurde ab September offiziell neuer Landesgeologe. Auch sein soziales Leben im Dorf hatte Rupert inzwischen wieder aufgenommen, indem er jeden Donnerstagabend zum Fußballtraining der Altherren ging. Dort traf er die Freunde aus seiner Kindheit und Jugend wieder und bald schien es, als wäre er nie weg gewesen.

      3

      Die einzige Angelegenheit, die sich in die Länge zog, war sein Wiedersehen mit Inga. Da er seiner Exfrau nicht die Chance geben wollte, ihn wegen Hausfriedensbruch anzuzeigen oder ihn beim Jugendamt anzuschwärzen, ging er sehr vorsichtig zu Werke. Er informierte sich beim Bezirksgericht und bekam den Rat, sich mit der Mutter des Kindes zu einigen. Rupert nahm sich einen Anwalt und brachte einen Antrag ein. Einige Tage später läutete das Telefon. Amanda, die sich nichtsahnend meldete, ließ fast den Hörer fallen, als Svenja am Apparat war und Rupert verlangte. Schnell lief sie hinters Haus um ihn zu holen. Rupert runzelte die Stirn. Er wusste nicht, was das zu bedeuten hatte und bat seine Schwägerin, das Gespräch mitzuhören. Diese traute ihren Ohren kaum, als Svenja ihren Exgatten beschimpfte und ihm vorwarf, dass er sich vor ihr versteckt habe. Sie nörgelte, dass sie es satt habe, allein für seine undankbare Tochter zuständig zu sein und verlangte, er solle endlich seinen Vaterpflichten nachkommen. Sie selbst werde in Kürze wieder heiraten und für längere Zeit verreisen. Rupert beging nicht den Fehler, sie darauf hinzuweisen, dass sie selbst ihn daran gehindert hatte, sich um seine Tochter zu kümmern. Er hörte ihre Tirade schweigend an und Amanda sah in seinem Gesicht Hoffnung aufkeimen. „Du kannst die Göre heute Abend abholen“, lautete der abschließende Befehl der liebenden Mutter.

      „Diese Hexe“, entfuhr es Amanda. „Was machst du jetzt?“ „Ich rufe Guntram, meinen Anwalt, an. Genau dazu hat man solche Leute“, meinte Rupert leicht benommen. Anschließend telefonierte er längere Zeit mit seinem Anwalt. Amanda ging in die Ferienwohnung, um das zweite Schlafzimmer für Inga herzurichten. Als Rupert nach oben kam, strahlte er übers ganze Gesicht. „Guntram kommt am Abend mit. Wir holen Inga gemeinsam ab“, sagte er und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. „Ich kann es noch gar nicht glauben, dass es nach dem ganzen Theater jetzt so leicht geht.“ Amanda musste innerlich schmunzeln. Obwohl Rupert so lange fort gewesen war, sagte er immer noch gleich zu jedem „du“, wie er es seit seiner Kindheit im Tal gewohnt war. Der Herr Staranwalt hatte bestimmt nicht viele Klienten, die ihn gleich „Guntram“ nannten. „Hoffentlich geht wirklich so leicht“, meinte Amanda und mit ihren Zweifeln sollte sie rechtbehalten.

      Es war nicht das herzige kleine Mädchen mit den hellblonden Zöpfen und den strahlend blauen Augen aus ihrer Erinnerung, das Rupert am späteren Abend ins Haus brachte. Amanda erschrak, als sie den stark geschminkten, trotzig blickenden Teenager mit den langen kohlschwarzen Haaren sah. „Ingalein, fast hätte ich dich nicht erkannt!“, rief sie aus und lächelte ihr Patenkind entschuldigend an. Das Mädchen verzog spöttisch das Gesicht. „Genau darum habe ich die Haare gefärbt. Ich bin nicht dein Ingalein“, sagte es trotzig und verschränkte die mageren Arme vor der Brust. Rupert tauschte mit Amanda einen ratlosen Blick und schlug seiner Tochter vor, ihr das Zimmer zu zeigen und das Gepäck nach oben zu bringen. Da offensichtlich der ganze Kofferraum voll mit Ingas Sachen war, half Amanda ihm,

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