Weihnachtserzählungen - 308 Seiten. Charles Dickens

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Weihnachtserzählungen - 308 Seiten - Charles Dickens

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Wenn ihre Wutanfälle kamen (und sie waren jetzt seltener als

       Wenn ihre Wutanfälle kamen (und sie waren jetzt seltener als

       früher), so nahmen sie jetzt eine neue Form an, und sie schlug auf

       sich selbst los in einer Weise, daß ich sie festhalten mußte. Auch

       trank sie ab und zu ein wenig, was nicht dazu beitrug, daß es

       besser mit ihr wurde. So pflegte ich denn in den folgenden

       Jahren, während ich neben dem alten Gaul herschritt,

       Betrachtungen darüber anzustellen, ob es wohl viele Karren auf

       der Landstraße gäbe, die so viel Traurigkeit wie meiner

       enthielten, obwohl man zu mir als dem König der fahrenden

       Händler emporblickte.

       So traurig ging unser Leben weiter bis zu einem Sonnabend, als

       wir aus dem Westen Englands nach Exeter hineinkamen. Da

       sahen wir, wie eine Frau grausam auf ein Kind einschlug,

       während das Kind schrie: »Schlag mich nicht! O Mutter, Mutter,

       Mutter!« Da hielt sich mein Weib die Ohren zu und lief wie von

       Sinnen davon, und am nächsten Tag zog man sie aus dem Fluß.

       Ich und mein Hund waren jetzt die einzigen Bewohner, die im

       Karren zurückgeblieben waren. Ich brachte dem Hund bei, ein

       kurzes Bellen auszustoßen, wenn sie nicht bieten wollten, und

       noch einmal zu bellen und mit dem Kopf zu nicken, wenn ich ihn

       fragte:

       »Wer hat eine halbe Krone gesagt? Sind Sie der Gentleman, Sir,

       der eine halbe Krone geboten hat?«

       Er wurde ungeheuer beliebt, und man wird mich nicht von dem

       Er wurde ungeheuer beliebt, und man wird mich nicht von dem

       Glauben abbringen, daß er es sich ganz von selbst beibrachte,

       jeden in der Menge anzuknurren, der bloß sechs Pence bot.

       Aber er war schon sehr bejahrt, und eines Abends, als ich ganz

       York mit den Brillengläsern in Lachkrämpfe versetzte, verfiel er

       gerade auf dem Trittbrett neben mir in einen Krampf von ganz

       anderer Art, und das war sein Ende.

       14

       Da ich von Natur ein zartes Gemüt habe, so fühlte ich mich jetzt

       schrecklich einsam. Wenn ich auf dem Trittbrett stand und

       verkaufte, konnte ich zwar meine Gefühle unterkriegen, denn ich

       hatte einen Namen aufrechtzuerhalten (ganz abgesehen davon,

       daß ich mich selbst zu erhalten hatte). Aber im Privatleben

       drückten sie mich nieder und fielen über mich her. So geht es oft

       mit uns Leuten der Öffentlichkeit. Wenn ihr uns auf dem

       Trittbrett seht, dann möchtet ihr gleich alles, was ihr habt,

       hingeben, um an unserer Stelle zu sein. Seht uns aber einmal an,

       wenn wir abgetreten sind, und ihr würdet noch eine Kleinigkeit

       zugeben, um von dem Handel wieder loszukommen. So war

       meine Stimmung, als ich mit einem Riesen Bekanntschaft machte.

       Ich wäre vielleicht ein bißchen zu fein dafür gewesen, um mich

       mit ihm zu unterhalten, wären nicht meine Einsamkeitsgefühle

       gewesen. Denn bei uns fahrenden Leuten ist die Scheidelinie

       dort, wo die Verkleidung anfängt.

       Wenn ein Mann sich nicht auf seine unverkleideten Fähigkeiten

       Wenn ein Mann sich nicht auf seine unverkleideten Fähigkeiten

       verlassen kann, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, dann

       sieht man ihn als auf einer tieferen Stufe stehend an. Und wenn

       dieser Riese auf den Brettern stand, so trat er als Römer auf.

       Er war ein junger Mann von schlaffem Wesen, was meiner

       Meinung nach von dem großen Abstand zwischen seinen

       Extremitäten herrührte. Er hatte einen Kopf von geringem

       Umfang und noch geringerem Inhalt; er hatte schwache Augen

       und schwache Knie, und man konnte sich, wenn man ihn ansah,

       des allgemeinen Gefühls nicht erwehren, daß sowohl für seine

       Gelenke wie für seinen Geist zuviel von ihm da war. Aber er war

       ein freundlicher, wenn auch schüchterner junger Mensch (seine

       Mutter vermietete ihn und gab das Geld für sich aus), und wir

       wurden miteinander bekannt, als er zu Fuß von einem Jahrmarkt

       zum anderen ging, um dem Pferd ein wenig Ruhe zu gönnen.

       Man nannte ihn Rinaldo di Velasco, doch sein wirklicher Name

       war Pickleson.

       Dieser Riese namens Pickleson vertraute mir unter dem Siegel

       der Verschwiegenheit an, daß er sich erstens selbst zur Last

       wäre und daß ferner das Leben ihm zur Last gemacht würde

       durch die Grausamkeit seines Herrn gegen eine taubstumme

       Stieftochter. Ihre Mutter war tot, sie hatte keine Menschenseele,

       die sich ihrer annahm, und wurde schändlich behandelt. Sie reiste

       nur deshalb mit der Karawane seines Herrn, weil man sie

       nirgends lassen konnte, und dieser Riese namens Pickleson ging

       sogar so weit zu glauben, daß sein Herr oft den Versuch machte,

       sie auf dem Weg zu verlieren. Er war ein so schlaffer junger

       Mann, daß es unendlich lange dauerte, bis er diese Geschichte

       von sich gegeben hatte, aber sie gelangte doch allmählich zu

       seiner obersten Extremität.

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