Über weißblaue Wiesen. J.C. Caissen

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Über weißblaue Wiesen - J.C. Caissen

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anfänglicher Unterstützung bekam sie das einigermaßen in den Griff. Wenn Ingvar dann abends von seiner langen Tour heimkam, lagen die Kinder oft schon in ihren Betten und schliefen.

      Morgens freute sich André jedesmal, wenn der Vater abends wieder mal eine ganze Stiege Apfelsinen und Äpfel mitbringen konnte. Von Pörtom bekamen sie auch immer Äpfel, aber diese Äpfel hier waren etwas ganz besonderes. Dicke, rote, blanke Äpfel, wie es sie auf dem Land selten gab.

      Für heute war Inga fertig mit ihren Hausaufgaben und klappte mit Schwung das Heft zu. „Ich bin das so leid mit diesen blöden Rechenaufgaben. Gottseidank dauert es ja nicht mehr lange, dann kann ich endlich meinen Traum erfüllen und die Ausbildung zur Kindergärtnerin machen.“ André wurde plötzlich traurig. „Ich finde das richtig gemein, daß du mich einfach im Stich läßt. Dann ist hier zu Hause ja gar nichts mehr los. An mich denkst du überhaupt nicht.“ Er wußte bereits, daß seine Schwester sich in einer Schule in Dänemark angemeldet hatte. Es war wesentlich einfacher, dort einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Dänemark, so weit weg. Inga hatte es ihm auf der Landkarte gezeigt. „Ach Nante“, so nannte sie André oft, wenn sie besonders liebevoll sein wollte, die große Schwester, „sei doch nicht so traurig. Spätestens in den Sommerferien bin ich ja schon wieder da und dann toben wir in Pörtom wieder über unsere Wiesen, melken zusammen die Kühe, sammeln die Eier von den Hühnern ein und liegen im Heu. So, wie wir das immer tun. Dann erzähle ich dir alles, was ich bis dahin erlebt habe. Du wirst sehen, die Zeit vergeht schnell, dann bin ich schon wieder hier bei euch.“

      Ach ja, Pörtom. André wollte eigentlich am liebsten immer nur dort sein. Oma, Tante Hella und Tante Erna mochte er besonders gern. Sie hatten immer Zeit, wenn er in den Ferien oder an den Wochenenden bei ihnen wohnte.

      Ingvar und Marias Haus mit den Scheunen

      Eingang zu Ingvars und Marias Haus

      „Mama, weißt du noch, als Oma so geschimpft hat? Da bin ich doch mit Tante Hella Waffeln essen gegangen, rüber zu Tante Aina. Oma ist dann später nachgekommen und hat mit Tante Hella geschimpft, weil es schon so spät am Abend war und ich eigentlich schon im Bett sein sollte. Tante Hella hat mir nur zugezwinkert und mich verschmitzt angelacht. Aber dann mußten wir doch schnell nach Hause gehen.“ Maria nickte und lächelte. „Ja, das hast du mir erzählt. Und dein extra Abendbrot lag dir ganz schön schwer im Magen“. André lachte.

      In Pörtom war es einfach herrlich. Immer gab es etwas zu tun. Nie war es langweilig. Und dann waren da auch die Freunde Axel, Johan und Krister, Andrés Sommerfreunde, mit denen er so manches ausheckte. Gemeinsam bauten sie Buden aus Birken- und Weidenzweigen. Den Duft der frischen Blätter hatte André noch immer in der Nase. Er dachte mit verträumten Augen zurück an den letzten Sommer und vergaß darüber, daß er eigentlich traurig war, weil Inga bald nach Dänemark ziehen würde. „Inga, weißt du noch, wie warm es im letzten Sommer war? Axel und ich haben doch da einen Damm im Bach gebaut. Dann haben wir uns die Sachen ausgezogen und sind rein gesprungen“. Auf der großen Wiese hinter der Scheune schlängelte sich ein kleiner Bach, in dem sich schon mal einzelne kleine Fische tummelten. Und tatsächlich hatte André eines schönen Tages einen kleinen Hecht an der Angel. Der hatte einen langen Weg hinter sich, denn der Fluss, aus dem er sich wohl hierher verirrt hatte, war mehrere Kilometer weit entfernt. Tante Hella hatte ihn für ihn ausgenommen. André konnte das noch nicht, schaute aber genau zu. Später wollte er das ganz allein machen. Dann briet sie den Fisch in der Pfanne. Mehr als einen Happen für jeden war es wohl nicht, aber er schmeckte fantastisch, der selbst gefangene Fisch.

      „Ja, natürlich weiß ich das noch sehr genau mit dem Bach, denn ihr habt so laut gelacht und geschrien, daß ich rüber gelaufen bin zu euch und dann habt ihr mich total nass gespritzt und mein Kleid war übersät mit Schlammflecken. Ja, wie kann ich das vergessen. Mama hat mit mir geschimpft, obwohl es nur eure Schuld war.“ Maria beobachtete ihre Kinder, die am Küchentisch saßen und fast durcheinander redeten.

      „Ja, daran erinnere ich mich auch noch. Aber weißt du auch noch,André, wie unsere Rosa dir beinahe davongelaufen wäre?“ André brauchte nicht lange nachzudenken. Er sah sofort die Bilder vor sich. Anfänglich trieb er immer zusammen mit Tante Hella die Kühe von der Wiese in den Stall. Aber irgendwann konnte er das schon allein. Er war mächtig stolz. Er hatte einen Stecken in der Hand, den er aber nur ungern anwendete. Er liebte die Kühe, jede einzelne. Es war auch überhaupt nicht nötig, den Stecken zu benutzen, denn die Kühe mochten André und wußten genau, daß sie daheim gemolken wurden, und so stapften sie hintereinander her den matschigen Trampelpfad von der Weide zum Stall entlang. Die Hufen im Schlamm gaben dabei quatschende Laute von sich. Aber eines Tages verirrte sich Rosa, seine Lieblingskuh, auf die andere Seite des Weidezauns. André bekam sofort Angst, die Kuh könne vielleicht doch auf die stark befahrene Straße laufen und er rannte verzweifelt um die Kuh herum und fuchtelte mit den Armen und seinem Stecken. Rosa war ziemlich verwundert, trottete dann aber ganz gemütlich wieder zur anderen Seite und beeilte sich, hinter den anderen Kühen her zu kommen.

      Ja, damals saß der Schreck André in den Gliedern. Tante Hella fand das aber gar nicht so aufregend. Was man so alles als kleiner Kerl erleben konnte. Ja, es war einfach wunderbar in Pörtom.

      3

      André wollte die verbleibende Zeit mit Inga nutzen. Einige Monate noch, dann würde sie in Dänemark wohnen und nur noch in den Ferien mit ihm zusammen sein können. Und wer weiß, ob sie sich dann nicht sogar lieber mit ihren Freundinnen treffen würde und überhaupt keine Zeit mehr für ihn hatte. André fand, daß sie eine richtig nette Schwester war. Håkan hatte keine Schwester, nur Brüder, und gleich zwei Stück. Sie waren älter als er und so manches mal hatten sie ihn herumgestoßen und geärgert. Martin, der Mittlere, ließ sich immer neue Dummheiten und Lügen einfallen.

      André und Håkan kamen gerade mit ihren Fahrrädern um die Straßenecke gebogen, als ein Polizeiauto langsam hinter ihnen her fuhr. „André, tritt schneller in die Pedalen, die Polizei ist hinter uns her.“ André dreht sich um, und tatsächlich kroch das schwarze Polizeiauto fast hinter ihnen her. Was hatte Håkans Bruder, Martin noch gesagt? Die Polizei nimmt einsame Jungen, ohne Eltern, in Gewahrsam. „Mist, jetzt sind wir dran.“ André fuhr jetzt im Stehen und trampelte hinter Håkan her, der jetzt in einen kleineren Weg einschlug. Am Waldrand schmissen sie unachtsam ihre Räder in die Büsche und sprangen keuchend durch die dichten Baumgruppen. Klopfenden Herzens hockten sie sich unter eine Tanne und lugten durch die Zweige und warteten. Nichts geschah. Lange und ängstlich saßen sie da. Was hatten sie denn eigentlich angestellt? Eigentlich gar nichts. Als nach einer halben Stunde immer noch nichts passiert war, krochen sie langsam wieder aus dem Wald heraus, zu den Büschen hin, nahmen ihre Fahrräder und fuhren heim. André hatte sich am Himbeerbusch das nackte Bein aufgerissen. Eine lange Blutspur klebte vertrocknet an seinem Schienenbein.

      Håkan öffnete unten im Haus die Wohnungstür. André sprang die Treppen nach oben und stürmte in die Wohnung. Inga saß auf dem Küchensofa und las in einem Buch. „Wo ist Mama?“ „Die ist eben mal zum Fleischer gegangen, kommt wohl gleich wieder.“ André fläzte sich neben seine Schwester und kuschelte sich an sie. „Mensch haben wir eben Glück gehabt. Die Polizei war hinter uns her.“ „Wieso, was habt ihr denn ausgefressen?“ „Ich weiß nicht, eigentlich gar nichts, aber Martin hat gesagt, daß die Polizei kleine Jungen jagt, die allein auf der Straße herumlaufen.“

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