Über weißblaue Wiesen. J.C. Caissen
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Nach zwei Stunden waren sie wieder zurück, André hatte frische rote Wangen bekommen und half nun Maria die frisch duftenden Läufer zusammenzurollen und wieder auf den Gepäckträger zu schnüren. So radelten sie heim und während André von seiner schönen Bootsfahrt erzählte, bei der er auch mal steuern durfte, legte Maria mit ihrer nassen Fracht eine eindeutige Wasserspur auf der Straße vom Wikingerstrand bis zu ihnen daheim, wo Maria mit Andrés Hilfe sogleich die tropfenden Läufer im Garten auf die Leine hängte.
4
Zu Hause angekommen, verkroch sich André direkt in sein Zimmer. Er vermißte seine große Schwester schon jetzt sehr, und Bruder Bernhard kam sowieso nur noch selten nach Hause. Nach dem Bundeswehrdienst, den er noch in Vaasa absolvieren konnte, studierte er mittlerweile Betriebswirtschaft in Helsinki. André hatte sich so sehr gewünscht, daß er in den Sommerferien nach Hause nach Vaasa kommen würde. Aber Bernhard hatte in der Uni am Anschlagsbrett ein Jobangebot für die Semesterferien gelesen, sich beworben und auch den Job bekommen. Richtig stolz war er. Eine schmucke Uniform hatte er bekommen, denn er war als Chauffeur bei einer großen Fluggesellschaft angestellt. Seine Aufgabe war es, die Führungskräfte zu verschiedenen Geschäftsterminen zu fahren und sie dann auch wieder abzuholen. Manchmal sollte er auch einfach während der Besprechungen warten. Dann nutzte er die Zeit in der großen, von ihm immer blank geputzten HUDSON Limousine, um die Nase in seine Schulbücher zu stecken. Bernhard hatte nur noch selten Zeit für seine Eltern oder seinen kleinen Bruder.
Nach einer Weile hielt es André nicht mehr aus in dem stillen Zimmer. Er ging hinaus in die Küche, wo Maria bereits Vorbereitungen für das Abendessen traf. Vater Ingvar lag in den Kissen auf der Küchenbank und schnarchte. Dies war einer der wenigen Tage, an denen er sich freigenommen hatte. Nachdem Inga gut im Bus saß, konnte er sich jetzt etwas Ruhe gönnen.
„Mama. Kann ich nicht den Sommer über noch bei Tante Hella und Tante Erna in Pörtom wohnen? Es ist so still hier im Haus ohne Inga, und immer nur mit Håkan spielen ist auch nicht lustig. In Pörtom habe ich ja auch noch Axel, Johan und Christer. Zu mehreren kann man doch viel mehr anfangen.“
Maria ließ das Kartoffelschälmesser sinken und schaute ihren Sohn an. Sie flüsterte fast, um Ingvar nicht aufzuwecken. „Ich finde, das ist eine prima Idee. Wenn Papa aufwacht, rufen wir gleich mal bei Tante Hella an. Vielleicht kannst du ihr ja sogar ein wenig mit den Tieren helfen.“
Jetzt saß André am Küchentisch und wartete nur darauf, daß der Vater endlich aufwachte. Er hustete ein wenig, aber Ingvar wachte auch davon noch nicht auf. Sein Job war anstrengend und Ruhetage selten. „Schsch, sei leise und laß ihn noch ein wenig schlafen“, ermahnte Maria ihren Sohn. Sie schälte jetzt die letzten Kartoffeln. Auf dem Herd köchelte bereits der gute Rinderbraten, den es eigentlich nur an Sonntagen gab. Aber heute war der Vater daheim, das war etwas Besonderes, und dann machte Maria auch etwas Besonderes zu Essen. Neben dem Kartoffeltopf standen schon die Mohrrüben im Wasser.
André liebte gekochte Mohrrüben, und Rindfleisch mit Bratensoße mochte er auch am liebsten.
Ingvar rekelte sich und plötzlich war er hellwach. „Oh. Habe ich lange geschlafen?“ „Na ja, so ein kleines Stündchen“. Maria lächelte ihrem Mann zu. Ingvar und Maria führten eine gute Ehe. Zuhause war es harmonisch und Streit gab es keinen. Jedenfalls hatte André noch nie einen erlebt. Auch den Kindern gegenüber waren die Eltern nachgiebig und liebevoll. Weder Mutter noch Vater hatten jemals die Hand gegen ihre Kinder erhoben oder lautstark mit ihnen geschimpft.
Ingvar streckte sich und stand vom Küchensofa auf. Da sprudelte es auch schon heraus aus André: „Du, Papa, Können wir mal schnell bei Tante Hella anrufen? Mama und ich haben eben darüber gesprochen, daß ich doch noch die restlichen Sommerferien in Pörtom verbringen könnte.“ Ingvar wußte, daß André sehr gern auf dem Land war und auch immer gern bei den Tieren half. „Ja, wenn du meinst und Lust hast? Ich kann sie ja mal anrufen.“ Ingvar ging rüber ins Wohnzimmer, wo das Telefon auf dem kleinen Tischchen stand. Er wählte die Nummer seiner Schwester. Zuerst meldete sie sich nicht. Ingvar versuchte es mehrere Male, und André wurde immer unruhiger. Dann nach einer ganzen Weile meldete sich Tante Hella endlich. Sie war ein wenig außer Atem. Nur selten saß sie still im Haus. Immer gab es etwas auf dem Hof zu tun, entweder bei den Tieren oder im Gemüsegarten. „Na, das ist ja genau zur rechten Zeit. Wir sind alle schwer beschäftigt mit der Heuernte. Eigentlich kann André dabei ganz gut mithelfen.“
Es wurden nicht viele Worte gemacht am Telefon, und noch am selben Abend fuhren Ingvar und Maria André zu Tante Hella nach Pörtom.
Tante Hella und Tante Erna, die beiden Schwestern von Andrés Vater, wohnten gemeinsam in dem Haus der Eltern. Für beide hatte es zwar mal einen Mann gegeben, aber zu einer Heirat war es nie gekommen. Tante Erna war sogar mal verlobt, aber ihr Verlobter war im Krieg gefallen. Und Tante Hella hatten einen jungen Mann kennengelernt, als sie in einer Mühle im Nachbarort Arbeit hatte und auch dort wohnte. Auch ihr Freund arbeitete in dieser Mühle. Durch die schwere körperliche Arbeit zog sich Hella dort einen Hüftschaden zu und begann zu hinken. Dafür schämte sie sich so sehr, daß sie das Verhältnis zu dem jungen Mann aufgab und danach nie wieder eine Verbindung zu einem Mann anfing.
Und so kam es, daß Hella und Erna ihr Leben lang zusammen mit der verwitweten Mutter, Oma Anna, aber ohne Mann, den Hof bewirtschafteten. Nebendran stand Ingvars Haus, das jetzt nur noch an den Wochenenden und den Sommerferien bewohnt wurde.
In Ernas und Hellas Haus gab es für André, der nun vor der Tür stand, sogar ein eigenes Zimmer unter dem Dach. Tante Hella hatte sogar schon das Bett für ihn zurecht gemacht.
Ingvar drängte Maria schon bald wieder zur Heimfahrt. Seine Tour am nächsten Tag würde schon wieder sehr früh beginnen. Und nachdem André seine wenigen Sachen in seinem Zimmer verstaut hatte, sprang er schnell zu den Kühen in den Stall, um sie zu begrüßen. Hier fühlte er sich wohl. Er liebte den Duft der warmen Tierkörper, angereichert mit dem Geruch von Kuhdung. Er schlenderte durch den Mittelgang im Stall. Seine Hände streichelten über jedes glatte, warmfeuchte Kuhmaul. Alle hatten dunkle Flecken auf ihren Mäulern, nur Rosa, seine Lieblingskuh, die, die ihm mal fast ausgebüxt war, hatte ganz hellrosa Nüstern und keinen einzigen dunklen Fleck. Die großen, glatten Nasenlöcher waren immer feucht. Wenn die Kühe Andrés Hand mit ihrer rauen Zunge ableckten, stopften sie sofort die Zunge in eines der Nasenlöcher, um den Geruch aufzunehmen und zu schmecken. André dachte, natürlich erkennen sie mich sofort wieder, aber sie wedeln natürlich nicht mit dem Schwanz, so wie Hunde es tun. Und wenn sie wedelten, dann nur, um die lästigen Fliegen zu vertreiben.
Früher hatte sein Vater mal einen braunen Spitz, mit einem weißen Bauch und weißen Pfoten. André hatte immer Angst gehabt vor 'Lycka', wie sie hieß, was soviel wie 'Glück' heißt. Lycka war ein richtiger Hofhund, lag leider immer angekettet an einer langen Laufleine, die quer über den Hof ging. Und, wie alle angeketteten Hofhunde, war ihr einziger Lebensinhalt, alle Besucher des Hofes sofort lautstark anzubellen oder am besten gleich wieder zu verjagen. Nachts schlief sie im Stall und bewachte Kühe, Schafe und Hühner. Wäre sie ein schlauer Fuchs gewesen, hätte sie sich mal ein Hühnerbeinchen gegönnt, aber sie war ein guter Hofhund und bewachte tapfer ihr Eigentum. André hatte immer Angst, nahe an sie heranzugehen, was Lycka natürlich noch mehr aufbrachte. Die Tanten hatten Bedenken, Lycka von der Kette zu lassen. Nur Ingvar nahm Lycka oft mit zur Vogeljagd, wo sie geschickt Auerhahn und Birkhuhn aufspürte, stellte und nach erfolgreichem