Schatten und Licht. Gerhard Kunit

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Schatten und Licht - Gerhard Kunit

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hinter Eurem König, der dieses Opfer für Euch auf sich genommen hat?! Und ich frage Euch Ihr Gemeinen: Denkt Ihr, das Blut Eurer Töchter sei wertvoller, als jenes der tapferen Rian, die für Euch in den Tod gegangen ist?!“

      Da lief ein zustimmendes Raunen durch die Menge. Eine nach der anderen traten die Jungfrauen vor und warfen ihr Los in die Waagschale, denn keine wollte hinter der Prinzessin zurückstehen. Die Menschen jubelten den Mädchen zu, deren Mut ihnen Sicherheit und Freiheit erkaufte: Eine musste sterben, um den Pakt zu erneuern. Die Anderen durften weiterleben, bis die Sonne erneut ihren Lauf erfüllte – bis zum nächsten Drachenfest.

       * * *

       Franka, die Bardin

      „Das war sie, die Legende von König Eberherz und dem Drachen von Bael“, beendete Franka ihre Erzählung. „So hat es sich vor mehr als sechshundert Sonnenläufen zugetragen, und noch heute feiert man in Bael das Drachenfest.“

      Ihr Blick wanderte von einem adretten Bürger über eine Zofe zu einem Fuhrmann, ehe sie mit gesenkter Stimme fortfuhr. „Noch heute wird in Bael Jahr für Jahr eine Jungfrau als Opfer für den Drachen bestimmt.“

      Stille legte sich über die bis zum letzten Platz gefüllte Schenke, ehe ein erster Zuhörer auf den Tisch klopfte und andere begeistert einfielen. Ein Kupferstück klimperte in den Hut und weitere folgten. Während Franka von dem kleinen Podest stieg, schielte sie zum Wirt hinüber, auf dessen Gesicht ein Lächeln stand, und ein zufriedener Wirt bedeutete einen vollen Magen.

      „Darf ich mich zu Euch setzen?“

      Franka sah von ihrem duftenden Braten auf und erkannte einen alten Mann in der Robe der Weißen Magier. Der schnucklige Händler, der ihr gerade eben ein Krüglein Wein spendiert hatte, räumte seinen Platz. Während ihm die Bardin bedauernd nachsah, deutete sie auf den leeren Stuhl, ohne ihr Kauen zu unterbrechen.

      „Das ist eine schöne Legende, aber Ihr habt nicht Alles erzählt.“

      „Da habt Ihr recht“, gestand sie widerwillig zu. „Doch so wollen es die Leute hören.“

      „Ich will mehr wissen“, drängte der Magier. „Ich will die Wahrheit.“

      „Die Wahrheit?“ Franka lachte, ehe ihre Miene ernst wurde. „Wenn Ihr mehr wissen wollt, erzähle ich Euch die Geschichte um Sylva und Semira. Ihr müsstet Euch ein wenig Zeit nehmen und ich muss Euch warnen: In unserer Welt gibt es Schatten und Licht, und Wahrheiten gibt es immer mehr als eine. Welche davon Eure wird, könnt am Ende nur Ihr selbst entscheiden.“

      „Darauf lasse ich mich gerne ein“, sagte er. „Und das solltet Ihr auch tun.“ Gold blitzte zwischen seinen Fingern, und gleich darauf hielt sie die schimmernde Münze in der Hand.

      „Wo soll ich beginnen …“, überlegte sie. „Am besten bei der Familie DaCalva in Rand. Es war im Jahr Zehn des Kaisers Polanas ….“

       * * *

       * * *

      ERSTES BUCH – ERWACHEN

       * * *

      Familiäre Angelegenheiten

      Jahr 10 Kaiser Polanas, Frühling

       Esperanzio DaCalva

      Über den Samtpolstern des Kanapees hingen Schwaden von Rauchkraut. Der Blick des dicklichen Mittvierzigers wanderte über die Einrichtung, ehe er aussprach, was gesagt werden musste. „Mein lieber DaCalva. So sehr es mich betrübt, muss ich Euch doch darauf hinweisen: Die Geburt Eurer Nichten beeinträchtigt Eure Kreditwürdigkeit. Unsere Investition in Eure Person war namentlich von der Erbregelung Eurer Familienstatuten getragen.“

      Stille. Nach einem viel zu langen Augenblick trat eine hagere Gestalt aus dem Schatten eines Intarsienschrankes. Graue Augen blitzten unter einer dunkelblonden Haarmähne hervor. „Werter Don Jarago. Meine liebe Schwägerin …“, er zog das ‚liebe’ unangenehm in die Länge, „… ist schon Vierzig. Niemand konnte damit rechnen, dass mein Bruder noch Erben bekommt.“

      „Das gestehe ich Euch ja zu. Unangenehm für mich, da nicht jedes Mitglied unseres Konsortiums so verständnisvoll ist wie ich.“ Der Kaufmann genoss die wachsende Unruhe seines adligen Gegenübers. „In Anbetracht unserer Vereinbarung und der Höhe Eurer Verbindlichkeit besteht Handlungsbedarf. Besser gesagt: Es ist an Euch zu handeln.“

      Baronet Esperanzio DaCalva ertrug die neuerliche Stille nicht. Er begann im Zimmer auf und ab zu laufen wie ein Wolf im Käfig. Der Teppich schluckte den Klang seiner Schritte, was seine Anspannung nur noch steigerte. „Was, stellt Ihr Euch vor, soll ich denn tun?“, stieß er schließlich hervor.

      „Liebster DaCalva, Ihr seid ein kluger Mann. Sonst hätten wir Euch nicht – sagen wir – gefördert. Ich denke, Ihr wisst selbst, was das Beste für Euch ist. Ihr zögert? Lasst uns rekapitulieren: Nach den Statuten Eures Hauses ist die Erbschaft für Euch – und für uns – verloren, sobald die Bälger Eures Bruders den fünfzehnten Sonnenlauf vollenden. Aber gewisse Leute sind jetzt schon beunruhigt, und glaubt mir: Das wollt Ihr nicht. Es wäre besser für Euch, wenn Euren Nichten ein Missgeschick widerfährt.“

      Esperanzio ließ sich in einen Ohrensessel fallen. Hatte ihm der schmierige Pfeffersack soeben nahe gelegt, seine Nichten zu ermorden?

      „Wenn ich es recht bedenke“, fuhr Don Jarago ungerührt fort, „wäre es für Euch noch sicherer, wenn die Baronin von dem gleichen Missgeschick betroffen wäre. Eine umgestoßene Kerze, eine verzweifelte Mutter, die ihre Kinder aus den Flammen retten will: Ihr könnt Euch vorstellen, wie schnell so etwas geht.“

      Die Welt des Baronets begann sich zu drehen. Er sah das Gesicht seiner Schwägerin vor sich, doch ihr feines Lächeln wurde ausgelöscht von Don Jaragos Grinsen. „Geht in die grüne Kogge im Hafen und fragt nach dem Lausaner. Er hat Erfahrung mit Unfällen dieser Art.“

       * * *

      Karina hieß die glutäugige Schönheit, die Esperanzio zwei Jahre zuvor in das Hinterzimmer lockte. Berauscht von prickelndem Schaumwein und den Blicken der Tänzerin ließ er sich auf viel zu hohe Einsätze ein und verlor nach einer anfänglichen Glückssträhne Alles.

      Als er am nächsten Tag mit brummendem Schädel erwachte, fehlte von Karina jede Spur. Stattdessen stellte sich ihm ein dicklicher Kaufmann mit rotem Gesicht und fettigem schwarzem Haar als Don Jarago vor und hielt ihm einen Schuldschein über achttausend Golddublonen unter die Nase. Anstatt gleich zu seinem älteren Bruder Horatio zu gehen, stieg er auf die riskanten Geschäfte ein, die ihm der Kaufmann als Ausweg präsentierte. Mittlerweile reichte das gesamte Familienvermögen nicht mehr aus, um seine Schulden zu tilgen.

      Das Zuschlagen einer Türe riss ihn aus seinen Gedanken. Er war allein. Wer immer hinter dem gerissenen Kaufmann steckte, war nicht nur an Geld interessiert. Esperanzio hatte keine Ahnung, worum es den Hintermännern ging, aber er wollte nicht mit durchschnittener Kehle in einer dunklen Gasse enden. Jäh stand er auf und lenkte seine Schritte zum Hafen.

       * * *

      Vorsichtig

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