Schatten und Licht. Gerhard Kunit

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Schatten und Licht - Gerhard Kunit

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flüsterte Esperanzio und wies nach der anderen Seite. Der Kloß in seinem Hals wurde dicker, aber es gab kein Zurück. Mit einem Schlucken schob er die Erinnerung an die lachenden Gesichter der Zwillingsmädchen beiseite und betrat das Kinderzimmer.

      Der Schurke benötigte erschreckend wenige Handgriffe für seine Vorbereitungen. Mit einer irrealen Mischung aus Abscheu und Faszination starrte Esperanzio auf die Kerze, deren Flamme sich in der Öllache spiegelte. Die aufgeschichteten Lappen würden das Feuer rasch ins Innere des Zimmers tragen und die Vorhänge der Wiegen in Brand setzen. Noch ehe man im Haus etwas bemerkte, wäre es für die Mädchen zu spät.

      „Komm schon!“ Der Baronet spürte ein Ziehen an seinem Arm und riss sich vom Anblick der Flamme los. Der Lausaner zerrte ihn hinter sich her, wie einen störrischen Knaben. „Reiß dich zusammen“, zischte er. „Wir müssen hier weg.“

      Esperanzio nickte. Teilnahmslos beobachtete er, wie der Schurke auf der halben Höhe der Treppe Halt machte und seine Tasche absetzte. „Was machst Du?“, fragte er, während der Lausaner die übrigen Lappen an den Stufen aufschichtete und das restliche Brandöl darüber verteilte.

      „Wonach sieht’s denn aus?“, gab der zurück.

      Esperanzio erbleichte. „Das war nicht abgemacht“, stammelte er. „Da kommt doch Keiner mehr raus.“

      „Reg dich nicht auf. Ich mach doch hier die Drecksarbeit, damit du an das Erbe kommst.“

      Mit geschickten Fingern setzte der Lausaner das Öl in Brand. Esperanzio starrte auf das bläulich züngelnde Flämmchen. Horatio, sein Bruder, würde in dem Feuer sterben. Horatio, der ihn aus dem Haus geworfen hatte. Der ihm die Unterstützung versagt hatte, als er sie gebraucht hätte. Horatio, mit dem er aufgewachsen war, mit dem er am Bach gespielt hatte. Sein großer Bruder, der ihn zum ersten Mal auf den Rücken eines Pferdes gesetzt hatte, der ihm in seiner Jugend zur Seite gestanden hatte.

      „Hilfe“, rief Esperanzio viel zu leise.

      Der Schurke sah erschrocken auf. „Spinnst du. Du weckst doch alle auf.“

      Aufwecken. Ja, das wollte er. Rhiannon, seine Schwägerin, die nie ein böses Wort über ihn verloren hatte. Rhiannon, die Horatio überredet hatte, dass er, allen Streitigkeiten zum Trotz, seine Nichten sehen durfte. Sie sollte aufwachen, sollte sich und ihre Kinder retten. „Hilfe!“, schrie er mit aller Kraft. „Feuer!“ Er sprang vor, trat die brennenden Lumpen auseinander und trampelte nach den Flammen, die das Treppengeländer erfassten.

      Etwas Hartes traf seinen Schädel. Er taumelte. Der Lausaner, schoss es ihm durch den Kopf. Natürlich sah der Schurke nicht tatenlos zu, wie er das ganze Haus zusammenbrüllte. Fluchend zog Esperanzio seinen Dolch und fuhr herum. Etwas blitzte im flackernden Schein auf und ein brennender Schmerz schoss durch seinen Arm. Sein eigener Stoß ging ins Leere.

      „Feuer!“, rief er, so laut er konnte. Der Stich konnte nicht tief sein. Er spürte ihn kaum. Wieder stach der Lausaner zu. Diesmal parierte Esperanzio, aber irgendwas stimmte nicht. Seine Finger waren klamm, und der Griff der Waffe lag seltsam unvertraut in seiner Hand.

      Polternde Schritte näherten sich von oben. „Was geht hier vor?!“

      Horatio. ANRADA sei Dank. Auch im Erdgeschoß erklangen jetzt die Rufe der erwachenden Dienerschaft. Der Schurke, der schon fast unten war, machte kehrt. Esperanzio wollte seine Waffe heben, doch sein rechter Arm gehorchte ihm nicht mehr. Sein Dolch fiel zu Boden und schepperte die Stufen hinab, während er auf den blutgetränkten Ärmel seines Wamses starrte.

      Der Lausaner stieß ihn zur Seite und hob die Rechte zum Wurf. Das Messer zischte Horatio entgegen, der am oberen Absatz der Treppe auftauchte und traf dessen Brust. Esperanzio erwischte die Jacke des Schurken mit seiner Linken, krallte sich fest. Der Lausaner schlug der Länge nach auf die brennenden Stufen. Vom Schmerz getrieben zog er vorwärts, doch Esperanzio ließ nicht locker. Für ihn war es zu spät, da machte er sich nichts vor, aber er musste Horatios Familie beschützen.

      Plötzlich ragte eine Gestalt vor ihm auf. Ein Degen blitzte, stieß vor und der Lausaner zog nicht mehr. Still lag er neben Horatio, der sich ebenfalls nicht mehr regte. Esperanzio hob den Blick und erkannte Rhiannon, die mit blanker Waffe über ihm stand.

      “Warum?“ Mehr kam nicht über ihre Lippen.

      Er stemmte sich hoch und streckte seine Linke nach dem Kinderzimmer, doch der flackernde Schein zeigte ihm, dass es zu spät war. Einmal mehr hatte er versagt.

       Vergib mir, Bruder.

      JANARA, die Göttin des Todes, reichte ihm die Hand.

       Vergib mir, Rhiannon.

      Das Rauschen in seinen Ohren mochte von den Schwingen des schwarzen Falken rühren, der die Seelen der Sterblichen nach Hause holt, und die Berührung seiner unerbittlichen Klauen war unerwartet sanft und leicht.

       * * *

       Baronin Rhiannon DaCalva

      Rhiannons Blick folgte dem Arm ihres sterbenden Schwagers. Binnen Bruchteilen eines Augenblicks erkannte sie die Gefahr, in der ihre Kinder schwebten. Es waren keine zehn Schritte bis zu dem brennenden Zimmer, aber selbst das war zu weit. Die Baronin hatte gerade einmal die Hälfte des Wegs geschafft, als eine Stichflamme durch den Raum pfauchte. Hitze schlug der Mutter entgegen. Sie riss die Arme schützend vor das Gesicht, holte Luft und rannte weiter, bis sich ihr jemand in den Weg stellte und ihre Arme packte. „Haltet ein! Es hat keinen Sinn!“

      „Keinen Sinn?!“ Sie kämpfte gegen den Griff des Hausdieners an. „Ich muss zu ihnen!“ Martak wollte ihr etwas sagen, doch die Baronin sah nur das Feuer.

      „Holt Eimer! Bildet eine Kette!“ Die Stimmen drangen wie aus weiter Ferne an ihr Ohr, während sie in mit dem halsstarrigen Diener rang. Hilflos musste sie mit ansehen, wie auch die zweite Wiege vollends in Flammen aufging. Schluchzend brach sie in Martaks Armen zusammen.

      Dominus stellte eine Eimerkette zusammen und die Löscharbeiten nahmen ihren Anfang. Der Baronin war es einerlei. Binnen weniger Augenblicke hatte sie alles verloren, was ihr an diesem Haus etwas bedeutet hatte. Horatio war tot. Ihre Kinder waren tot.

      „Lass mich!“, schrie sie. „Warum hast Du mich nicht zu ihnen gelassen?!“ Mit leeren Augen verfolgte sie den Kampf der Dienerschaft gegen das Feuer. Langsam gewannen die Menschen die Oberhand über das tobende Element.

      Das Haus war gerettet, doch das Kinderzimmer war vollständig ausgebrannt. Ungeachtet der schwelenden Glutnester stürzte Rhiannon in den raucherfüllten Raum, doch schon der erste Blick offenbarte ihr das Ausmaß der Zerstörung. Hier konnte niemand überlebt haben. Schreiend brach sie zusammen, bis sie irgendjemand aus den Ruinen ihres Glücks führte.

      Ein Gesicht schob sich vor das ihre: Sara, ihre Dienerin und Vertraute. In ihren Zügen tobte ein verzweifelter Kampf. „Verdammt, ich kann das nicht“, flüsterte sie. „Möge ERU mir verzeihen. Kommt mit.“

      Rhiannon wusste nicht, worauf sie hinauswollte und es war ihr auch einerlei. Ergeben folgte sie Sara in einen wenig genutzten Seitentrakt zu einem kleinen Gemach. „Ich dürfte Euch das hier gar nicht zeigen“, flüsterte die Dienerin.

      Die Baronin starrte auf den Reisekorb, in dem die beiden Mädchen schlummerten. Die Beine versagten ihr den Dienst und die Tränen bahnten sich ihren Weg, während sie in einem Chaos von Gefühlen

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