Carola Pütz - Verlorene Seelen. Michael Wagner J.

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Carola Pütz - Verlorene Seelen - Michael Wagner J.

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Im Internet gab es Fotos von goldenen Wasserhähnen, einem Jugendstilschwimmbad, einer Kneipp‘schen Wandelhalle und einem Rekreationszentrum mit geschwungenen Liegen auf großen Rädern. Auf jedem dieser Fotos waren Menschen zu sehen. Menschen mit grauem Haar, Mittsechziger, Mittsiebziger und noch älter. Außer dem Klinikpersonal schien dort niemand in ihrem Alter zu sein. Mit Schrecken dachte sie an Geschichten über Herzoperationen, künstliche Kniegelenke, Inkontinenz und künstliche Darmausgänge.

      Carola passte dort eigentlich nicht hinein. Sie war ein sportlicher Typ, rauchte nicht und trank nur in Maßen Alkohol. Sie trieb Sport, nicht regelmäßig, aber trotzdem. Wenn sie sich im Spiegel betrachtete, war sie sicher, dass sie eigentlich jünger wirkte als es ihr biologisches Alter vorgab.

      Ihre Brüste waren noch straff, was nicht schwer war, da sie eh nie sehr üppig gewesen waren. Ihre Pobacken standen den Brüsten in nichts nach, Cellulite war ein Fremdwort für ihre Oberschenkel. Was sollte sie dort? Gut, ihr Herz hatte aufgehört zu schlagen, und sie verdankte einem Defibrillator ihr Leben, das war sicher Grund genug.

      War der Widerwillen schon vorher groß gewesen, jetzt war er noch größer. Aber mit einer Tatsache konnte sie sich trösten, dort würde sicher nichts Aufregendes passieren. Außer, einer der Kurgäste hauchte dort auf natürliche Art und Weise sein Leben aus.

      Pünktlich um zehn Uhr einundfünfzig rollte der ICE leise in den Bahnhof ein. Drei Minuten nach ihrem Zustieg setzte er sich in entgegengesetzter Richtung wieder in Bewegung.

      Carola hatte ihren reservierten Platz schnell gefunden und es sich dann gemütlich gemacht. Die Reise in ihr neues Leben hatte begonnen.

      *

       Bad Elster

      An der Rezeption der Kurklinik ‚Sachsenglück‘ war der Teufel los, viele der Kurgäste hatten mitbekommen, dass sich die Polizei im Hause aufhielt. Die arme Frau, die dort an diesem Morgen Dienst hatte, wurde mit Fragen regelrecht bombardiert. Die Klinikleitung hatte die Polizei gebeten, so diskret wie möglich zu ermitteln. Doch konnte man Menschen, die den lieben langen Tag nichts anderes zu tun hatten als andere Menschen zu beobachten, die Anwesenheit der fremden Männer mit den Koffern nicht vorenthalten. Und vernünftig erklären schon mal gar nicht, die Gerüchteküche lief auf Hochtouren. Die Order von Frau Dr. Carla von Hohenstetten, der Klinikleiterin, war eindeutig. Die Kurgäste sollten nichts erfahren, bis die Polizei ein Ermittlungsergebnis vorzuweisen hatte.

      Dabei war eigentlich nichts Gravierendes passiert. Es hatte in der Nacht einen Stromausfall gegeben, und noch vor dem Frühstück hatte einer der gut betuchten Gäste einen Diebstahl gemeldet. Der Gattin eines Industriellen aus Hannover war ein Brillantring entwendet worden. Man hatte die Frau erst um Stillschweigen gebeten und dann das Zimmer noch einmal gründlich auf den Kopf gestellt. Schließlich passierte es nicht zum ersten Mal, dass einer der Gäste etwas verlegte, manche der Gäste waren hochgradig dement, doch niemand hätte es sich auch nur im Ansatz getraut, das auszusprechen.

      Doch diesmal blieb der Brillantring hartnäckig verschwunden. Auch ein erneutes Suchen in den Räumlichkeiten, in denen die Frau am Vorabend noch ihre Anwendungen hatte, blieb erfolglos. Schließlich blieb Dr. Carla von Hohenstetten nichts anderes übrig, als die Polizei zu rufen. Jedoch nicht, ohne den diensthabenden Beamten auf der Wache mindestens viermal versichern zu lassen, dass sie mit äußerster Diskretion vorgehen würden.

      »Frollein, Se können mir doch reinen Wein einschenken. Dat sin doch alles Polizisten. Dat kann ich riechen, wissen Se«, sagte der Mann aus dem Ruhrgebiet mit seinem breiten Dialekt und legte seine massigen Unterarme auf den Tresen.

      »Ach ja, meinen Sie, Herr Krawuttke«, sagte die Frau an der Rezeption mit der ihr noch verbliebenen Contenance. Sie versuchte den Mann, der jetzt schon halb auf der Marmorplatte lag, als sei es seine Stammkneipe in Gelsenkirchen, zu ignorieren, indem sie sich mit einem Stapel Akten beschäftigte. Doch der Kurgast blieb hartnäckig.

      »Kindchen, mir können Se dat doch sagen. Ich kann schweigen wie ein Grab.«

      Sie schaute in Augen, die wasserblau und unterlaufen waren und zusammen mit einer grobporigen Nase verrieten, dass sie in ihrem Leben mehr als einen Schnaps gesehen hatten.

      Er war so nah an ihrem Gesicht, dass sie seinen Atem riechen konnte.

      »Herr Krawuttke, es gibt nichts, was ich Ihnen sagen könnte.«

      »Se sin aber heute streng mit einem alten Mann«, sagte er und schien aufgeben zu wollen.

      Doch dann startete er einen letzten Versuch und sagte: »Abba wehe, ich hör, dat doch wat war!« Er wuchtete seinen schweren Körper von der Theke und walzte in Richtung Ausgang davon.

      Sindy Partsche, die Frau an der Rezeption, verspürte ein inneres Aufatmen. Frau Doktor, so wurde Dr. Clara von Hohenstetten unter den Kollegen genannt, hatte klare Order gegeben, nichts zu erwähnen. Auch wenn es für jeden mittlerweile klar war, dass die Polizei sich an der Zimmertüre der Industriellengattin zu schaffen machte, gegen ihre Order zu verstoßen, traute sich niemand unter den Kollegen. Frau Doktor führte die Klinik mit eisernem Besen. So war es und so blieb es. Zumindest bis zu ihrer Pensionierung, aber bis dahin gingen noch drei Jahre ins Land.

      Dr. Clara von Hohenstetten trat als eine Frau mit Prinzipien auf. Nur mit Pünktlichkeit, Freundlichkeit, Sauberkeit und einem Lächeln auf den Lippen konnte man ein so erfolgreiches Klinikum führen, so lautete ihre Maxime. Das sagte sie jedem, der sich für einen Job vorstellte, betete es aber auch bei dem kleinsten Fehler eines Angestellten wie eine buddhistische Gebetsmühle immer wieder vor. Fehler gab es nicht, sofern man sich bemühte, es gleich angemessen zu machen.

      Von daher schien es nicht verwunderlich, dass es bei den Angestellten im Klinikum ‚Sachsenglück‘ einen ständigen Wechsel gab. Sindy Partsche war jetzt im dritten Jahr, sie gehörte somit zum altgedienten Inventar.

      Es gab noch drei Personen, die bereits länger dort arbeiteten. Zum einen war das Franziska Eichhorn, die Stellvertreterin von Frau Doktor. Sie schaffte es, sich mit ihrem schlangengleichen Naturell bei von Hohenstetten so unentbehrlich zu machen, dass sie einen besonderen Status in der Klinik innehatte. Sie war groß, dünn, schmallippig und hatte den Charme eines aufgeklappten Taschenmessers. Sie spekulierte sicher darauf, dass man ihr nach der Pensionierung von Frau Doktor die Leitung der Klinik übertragen würde. Mit keinem Wort äußerte sie das, doch war man sich allgemein darüber einig, dass sie das so plante.

      Der einzige Ansprechpartner der Angestellten war der medizinische Klinikchef, Prof. Dr. Ralf Wielpütz. Es zählte nicht zu seinen Aufgaben als Mediziner, Streitigkeiten unter den Angestellten der Verwaltung zu schlichten. Doch manchmal blieb ihm nichts anderes übrig, wenn er die Qualität der medizinischen Versorgung nicht durch Reibereien gefährdet sehen wollte.

      Der Professor war ein Gemütsmensch und er war Arzt durch und durch. Ihm war keine menschliche Verfehlung fremd. Von daher ging er mit seinen Patienten so um, als wäre er ihr Pfarrer. Er konnte einen noch so sturen Geist vor sich haben, der mit einer üblen Prognose in die Klinik kam, binnen kurzer Zeit hatte er zumindest einen Zweifel in ihm gesät. Fast niemand verließ die Klinik, ohne sicher zu sein, dass die Behandlungen, die er hier erhalten hatte, sinnvoll waren und ihm einen Vorteil im weiteren Leben verschafft hatten.

      Der dritte Mensch, den es länger in der Klinik gehalten hatte, hieß Dimitrij Koljakow. Der Mann war ein Bär von einem Russen und hätte im Dunkeln auch leicht mit einem solchen Tier verwechselt werden können.

      Zwei Meter groß, mit Händen wie Bratpfannen, verkörperte er den Prototypen eines Masseurs. Jeder, der sich zitternd unter seine Pranken gelegt hatte, verkündete danach

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