Verfangen. Ingrid Neufeld
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Sie spielte mit dem Gedanken, ihn ganz offen danach zu fragen. Aber im letzten Moment zuckte sie immer wieder davor zurück. Was, wenn er wirklich eine Geliebte hätte? Was wäre die Konsequenz? Scheidung? Plötzlich stand ein Begriff im Raum, von dem sie niemals gedacht hätte, dass der in ihrem Leben einmal eine Rolle spielen könnte. Er tauchte auf wie ein Gespenst, genauso unheimlich und voller Bedrohung. Nein, sie würde ihn nicht danach fragen. Vielleicht war’s ja die Midlife-Crisis, von der doch so viele Männer bedroht waren. Möglich, dass Paul einfach früher in diese Jahre kam, als andere.
Mareike seufzte tief auf. Ja, so musste es sein. Eine Krise - die sich bald wieder in Luft auflösen würde.
*
Ein paar Tage später. Mareike kochte vor Wut.
„Es ist mein Geld. Du hast es für mich nur angelegt. Es gehört dir nicht. Meiner Erinnerung nach müsste der Vertrag jetzt auslaufen und der Betrag wieder frei werden. Ich will doch nichts anderes, als dass das Geld jetzt auf mein Konto kommt.“
Paul versuchte alles, um die Wogen zu glätten. „Aber du bekommst es ja. Nur nicht jetzt. Du erinnerst dich falsch. Die Anlage ist noch nicht fällig.“
„Warum habe ich die ganze Zeit das Gefühl, dass du mich anlügst?“
Mareike stemmte die Hände in die Hüften und stand in kämpferischer Pose vor ihrem Mann.
Der schaute sie hilflos an. Er wusste ja, dass sie Recht hatte. Aber verdammt noch mal. Das brauchte sie nun wirklich nicht zu wissen.
„In einem Monat bekommst du dein Geld.“, behauptete Paul, drehte sich um und knallte die Tür zu. Draußen drückte er auf seinen Auto-Fernbedienungs-Schlüssel und das Auto signalisierte mit einem Blinken, seine Fahrbereitschaft, wie ein Hund, der seinem Herrn mit dem Schwanz entgegenwedelt. Er hüpfte ins Auto und düste davon.
Mareike trieb indessen ihre Tochter zur Eile an. „Erst Stress mit dem Mann“, seufzte sie. „Dann trödelt auch noch die Kleine.“
Natürlich konnte Lisa ihre Schuhe längst selbst binden. Doch heute hatte Mareike keinen Nerv dafür. Rasch half sie ihr dabei.
„Aber ich kann doch selber…“, klagte Lisa und schob trotzig ihre Unterlippe vor. Was war ihre Mutter heute aber auch gar so hektisch!
„Heute nicht Lisa“, erklärte ihr Mareike, der alles viel zu lange dauerte. „Wir sind zu spät dran.“ Sie schob Lisa durch die Tür, rannte mit ihr rüber zu ihrem VW und öffnete die hintere Tür. Gleich darauf schnallte sie die Tochter auf dem Kindersitz fest und zwängte sich auf den Fahrersitz.
Sie war stocksauer. Als emanzipierte Frau hatte sie einen Mann geheiratet, mit dem sie eine gleichberechtigte Ehe führen wollte. Und jetzt behandelte sie eben dieser Mann wie eine unmündige Dreijährige. Als wäre sie nicht selbst imstande, ihr Geld zu verwalten. Als müsste sie ihn erst um Erlaubnis bitten. Entwürdigend empfand sie das. Hätte sie ihm doch nie das Erbe ihrer Großmutter anvertraut!
„Das passiert mir nicht noch einmal!“, dachte sie voller Wut.
Nach dem sie Lisa im Kindergarten abgeliefert hatte, sprang sie gleich wieder in ihr Auto und fuhr zur Arbeit in ihre Schule.
Heute hatte sie nur vier Stunden. Denn nach der vierten Stunde sollte eine Konferenz stattfinden.
Sie fand das gut. Gerade heute hatte sie wenig Nerven und die paar, die ihr noch übrig blieben, wollte sie ungern in der Schule verschleißen.
Manchmal wünschte sie sich ein dickes Nervenkostüm, umwickelt mit Drahtseilen.
Ihre Klasse mit lauter Vierzehnjährigen war meistens nicht gerade einfach zu handhaben. Die Kinder steckten mitten in der Pubertät und einige von ihnen kamen aus schwierigen Verhältnissen. Das zeigte sich dann auch in ihrem Verhalten. Sie sahen sich selbst als arme Opfer und die Lehrer als die natürlichen Feinde der Schüler.
Die Kids zeigten sich selten motiviert und ganz bestimmt nicht, sobald am Ende der Schulgong ertönte.
Tom stand an der Tafel. Als es klingelte, warf er die Kreide auf die Ablage, rannte zurück zu seinem Platz und schnappte sich die Schultasche. Alle anderen sprangen von ihren Stühlen auf und stürmten zur Tür. Mareike konnte ihre Schüler gar nicht schnell genug entlassen. Wenn sie am Anfang des Schultages meist noch zu müde und langsam waren, so übertrafen sie sich jetzt beim Starten in den Nachmittag.
Sie drängten und schubsten, stolperten übereinander und schoben sich unter viel Gekreische, Gejohle und Geschrei nach Draußen. Wenn eine Klasse Vierzehnjähriger die Treppe hinunterpolterte, hörte sich das an wie eine Herde Zirkuselefanten auf der Flucht.
Mareike schaute ihnen hinterher und fühlte sich für den Augenblick wie befreit. Bis zum nächsten Morgen um acht Uhr hatten ihre Nerven Zeit sich zu erholen. Sie seufzte aus Herzensgrund.
Die Lehrerin zog einen kleinen Handspiegel aus ihrer Tasche, warf einen Blick hinein und strich eine widerspenstige Strähne aus der Stirn. Sie kontrollierte, ob ihre Wimperntusche nicht verschmierte. Alles in Ordnung. Dann also ab zur Lehrerkonferenz.
Schnell eilte sie den Gang entlang und schlüpfte durch die Tür ins Lehrerzimmer. Die meisten ihrer Kollegen waren schon versammelt. Sie zwängte sich neben Irene, einer älteren und gutmütigen Kollegin. Von ihr hatte sie schon so manchen Tipp bekommen, wie sie die Klasse behandeln musste. Irene teilte ihre Erfahrungen gerne mit jüngeren Kollegen, dabei war sie nicht überheblich, oder von oben herab. Ihre Tipps kamen ganz natürlich und unaufdringlich.
Zwei Minuten später erschien Karsten Schneider, der Schulleiter. In seiner Begleitung befand sich ein neuer Kollege, wie es schien.
Karsten Schneider stellte ihn auch sofort dem Kollegium vor.
„Das ist Lukas Roth. Er wird ab sofort die Vertretung für unsere erkrankte Kollegin, Frau Roswitha Schön übernehmen.“
Dann übergab er das Wort dem neuen Kollegen. Damit der sich persönlich vorstellen konnte. Allerdings sagte der nicht sehr viel über sich. Trotzdem zog er alle im Raum in seinen Bann. Jeder war sofort von ihm eingenommen. Seine eindrucksvolle Persönlichkeit übte auf alle eine große Faszination aus.
Vor allem Mareike war schwer beeindruckt. „Der schaut aber gut aus!“, dachte sie. „Und eine Ausstrahlung hat der…“ Durch ihre kleine Krise mit Paul war sie ganz besonders empfänglich für den Charme gut aussehender Männer.
Er schaute mehrmals in ihre Richtung und jedes Mal hatte sie das Gefühl, er wäre nur ihretwegen gekommen und würde nur sie anschauen.
Unsinn, rief sie sich selbst zur Ordnung. Wie kannst du bloß so einen Schwachsinn denken. Deine Nerven sind völlig hinüber. Wahrscheinlich brauchst du Urlaub. So dachte sie und konnte sich doch nicht davon lösen, dass sie vollkommen von dem neuen Kollegen fasziniert war.
Ein guter Kern
Sven kam gerade von einer kleinen Spedition, die einen Fahrer suchte. Der Berater vom Arbeitsamt hatte ihm mehrere Adressen in die Hand gedrückt. Sven Bachmeyer telefonierte