Nicht gleich aufessen!. Hendrik Asten
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„Kennen Sie sich damit aus?“
Er blickte hoch und erkannte die Dunkelhaarige von gestern Abend. Er grinste wie jemand, der beim Apfeldiebstahl erwischt worden war. „So einigermaßen. Was suchen Sie denn?“
„Ach Sie sind es. Haben wir uns nicht gestern Abend im Redcliff gesehen?“
Berger war klar, dass sie damit meinte, dass er sie ständig angestarrt hatte. „Aber ja. Sie gehörten doch zu dem Filmteam, das gefeiert hat.“
„Das war vielleicht eine verrückte Produktion, sag ich Ihnen. Die werden jede Menge Nachdrehs haben.“
„Und werden Sie wieder als Beraterin dabei sein?“
„Woher wissen Sie von meiner Funktion?“
Berger gab zu, dass er sich nach ihr erkundigt hatte. Aber das schien ihr gar nichts auszumachen. Sie sprachen auch nicht lange davon und sie machte ihn kurz entschlossen zu ihrem Fachberater in Computerfragen. Manchmal stellte er sich dümmer als er war, um sie zu weiteren Nachfragen zu bewegen.
Dann hatten sie schließlich alles zusammen, was ihr zu ihrem Computerglück fehlte und gingen Richtung Kasse. Inzwischen duzten sie sich, wie das bei Kneipenbekanntschaften so üblich ist. Kurz vor der Kasse blieb sie stehen.
„Jetzt haben wir so viel für mich gekauft und du hast gar nichts.“
„Ich wollte mich ohnehin nur informieren.“
„Nein, du musst auch etwas kaufen.“
„Na gut, vielleicht einige CD-Rohlinge, die kann man immer gebrauchen.“
„Die bezahl ich dir natürlich.“
Berger kam mit den Rohlingen zurück und präsentierte sie demonstrativ.
„Aber nicht gleich aufessen!“, sagte sie mit gespielt ernsthafter Miene.
Berger schaute sie ungläubig an, strahlte dann aufgrund ihres goldigen Humors und biss zum Spaß in die Packung.
Die Muse
Beschwingt wie seit langem nicht mehr trat Berger den Heimweg an. Achtlos warf er seine Tüten auf das Sofa, kochte einen Kaffee und machte sich sofort an die Arbeit. Er musste unbedingt den Schwung ausnutzen, den Debra bei ihm hinterlassen hatte. Sie hatten noch ein Glas zusammen getrunken und er konnte daher noch mehr von ihrer ungewöhnlichen Art erleben, die er als eine seltene Mischung aus Intelligenz und Leichtigkeit empfand. Wie er am Vorabend schon vermutet hatte, hob sie sich damit wohltuend von vielen ihrer Branche ab, die Überheblichkeit mit Fähigkeit gleichsetzten. Aber warum sie sich so menschlich gab oder war, erschloss sich ihm noch nicht. Jedenfalls dachte er sofort daran, sie zum Vorbild der Protagonistin seines neuen Werks zu machen. Er hatte bislang nur gewusst, dass von der Frau, die er beschrieb, eine Faszination ausgehen sollte, ohne die in Männerphantasien allseits beliebten Klischees einer coolen Schönheit zu bedienen. Bis dahin noch keine hinreichenden Kriterien, wie er selbst festgestellt hatte. Und jetzt präsentierte ihm die Wirklichkeit genau das, was er suchte. Was er bis jetzt über Debra erfahren hatte, reichte jedoch nur für eine grobe Skizze. Er war sich bewusst, dass er sie – wie ein Maler sein Modell – noch genauer studieren musste, um sie wirklich zu perfektionieren.
Schon als Merten nicht mehr damit rechnete, erreichte ihn der lang ersehnte Anruf bzw. die Nachricht auf seinem Anrufbeantworter.
„Mögen die Schatten der Vergangenheit entschwinden und die Wesen der Zukunft sich mit ihren Schwingen erheben. Du kannst mich unter 33 44 65 erreichen.“
Mehr war es nicht, aber er wusste, dass nur sie es sein konnte. Er rief zurück und hinterließ folgende Botschaft: „ … erheben über die Täler von Ungewissheit und Not, Verzweiflung und Wirrnis bis am Horizont die weiten und satten Ebenen der Erkenntnis erscheinen. Jeanne, es ist in den letzten Jahren einiges geschehen. Das würde ich dir gerne in Ruhe erzählen. Können wir uns treffen?“
Die blumige, altmodische Sprache stammte aus der Zeit als er mit dem Schreiben begonnen hatte und Jeanne sich über ihn als künftigen Verfasser schwülstiger Romane lustig gemacht hatte. Ganze Abende verbrachten sie mit der Verulkung seiner ersten Entwürfe, bis sie schließlich eines Tages einfach verschwand, nichts als einen Zettel mit einer Nachricht hinterlassend: „Du bist jetzt soweit. Du brauchst mich nicht mehr.“
Das war ihre letzte Botschaft gewesen – 8 Jahre her. Sie hatte recht damit, dass er sie damals nicht mehr brauchte, um schreiben zu können. Aber es gab noch etwas anderes im Leben als Arbeit und dafür vermisste er sie immer noch.
Berger fügte noch etliche Begebenheiten in seinen Entwurf ein, u.a. einen Empfang, den der Verlag zu Ehren des Autors gab. Mit dem Wermutstropfen, dass er Jeanne nicht daran teilnehmen lassen konnte, da er noch zu wenig über ihr reales Vorbild wusste. Der weitere Verlauf seiner Handlung hing entscheidend davon ab, wie sich die Figur Jeanne entwickeln würde und dazu brauchte er mehr von Debra. Er hatte sie bereits einmal angerufen, aber sie war sehr beschäftigt und versprach zurückzurufen, sobald sie Zeit habe. Er wartete also genauso auf den Anruf, wie seine Figur es getan hatte. Zwischendurch malte er sich dreister Weise weitere Eigenschaften Debras aus. Gab es aber wieder auf, weil die Gefahr bestand, dabei Vorurteile zu schaffen, die seine Wahrnehmung beeinflussen würden.
Hänger
Nach drei Tagen kam er nicht mehr weiter und ging wieder ins Redcliff. Vergeblich blickte er sich nach Debra um. Nach einer halben Stunde setzte sich eine junge Frau, um die Mitte zwanzig, unaufgefordert neben ihn.
„Hallo, ich bin Verena. Bist du Bernhard Berger?“
„Bin ich.“
„Debra hat mir von dir erzählt. Du schreibst Bücher?“
„Ja, das stimmt. Wie geht es Debra?“
„Wohl nicht so gut, Beziehungsstress und dann der Nachdreh.“
„Verstehe, grüß sie trotzdem von mir.“
„Mach ich. Ich finde es gut, wenn jemand noch richtige Literatur verfasst. Was diese angeblichen Drehbuchautoren abliefern, zeugt oft davon, dass sie noch nie ein Buch gelesen haben.“
„Aber sie verdienen besser.“
„Mag sein. Aber so ein richtiger Autor ist doch was Anderes.“
Berger war diese Anhimmelei peinlich. „Hast du denn was von mir gelesen?“
Sie zog seinen letzten Roman ‚Katzenhund‘ aus der Tasche. „Gestern Abend habe ich angefangen. Ich bin schon auf Seite 100.“
„Da müssten sie gerade das Boot gechartert haben.“
„Das ist unheimlich toll beschrieben. Ich meine man spürt richtig,