Nicht gleich aufessen!. Hendrik Asten
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„Und warum haben Sie gestern danach gefragt? Ich finde schon, dass es verfilmbar ist.“
„Ich habe mich eben geirrt. Nochmals: Es tut mir leid!“
Berger wendete sich ab und ließ Leon einfach stehen.
Zuhause dann Debras Nachricht auf dem AB. „Was höre ich da, du willst ‚Katzenhund’ verfilmen lassen? Das finde ich, ehrlich gesagt, ziemlich bescheuert. Ich rufe jetzt nicht die Handynummer an, weil du wahrscheinlich gerade mit Leon verhandelst. Warum hast du ihn überhaupt angesprochen? Das verstehe ich einfach nicht. Ich melde mich später noch einmal.“
Sie hatte ohne Gruß aufgelegt. Welches Problem hatte sie mit der Verfilmung und welches mit Leon? Er rief sie an, aber es meldete sich niemand. Er hinterließ keine Nachricht. Am liebsten hätte er sich jetzt einfach heftig geschüttelt und den Namen Debra vergessen. Diese Frau machte alles so kompliziert. Er griff zum Telefonhörer und wählte Stefanies Nummer, legte aber sogleich wieder auf. Mit Stefanie zu reden, hätte ihn nicht weitergebracht. Debra hatte recht: ‚Katzenhund‘ war unverfilmbar. Der Roman lebte förmlich vom Widerspruch innerer Monologe und der tatsächlichen Handlung. Im Film würde das ähnlich lächerlich wirken wie sprechende Körperteile. Das hatte doch mit dem Buch nichts mehr zu tun.
Berger las noch einmal das bisher Geschriebene, ohne jede Hoffnung, dass er es würde fortsetzen können. Er gelangte an die Stelle, an der er die Figur Jeanne aus Debras Vorbild vertiefen wollte und blickte auf das Telefon.
Das Telefon klingelte.
„Ich habe dir noch gar nicht zu deinem Erfolg gratuliert. Das ist phantastisch! Weißt du noch wie wir, ... ich meine, wie du angefangen hast?“
„Jeanne, du Gaunerin. Wo warst du?“
„Ich habe weitergelebt.“
„Aber ich dachte, wir wollten das zusammen erleben?“
„Den Erfolg möchte ich schon mit dir teilen, er ist ja schließlich auch mein Verdienst.“
„Du bist gegangen!“
„Ja eben! Hättest du jemals so einen schönen Roman geschrieben, wenn ich dageblieben wäre?“
„Das weiß ich nicht. Du meinst, nur, weil du ...“
„Genau, ich wusste, dass du ohne mich besser sein würdest.“
„Jetzt sag nicht, du hast das für mich getan.“
„Das wäre auch wieder falsch. Was hätte ich von jemandem gehabt, der unentwegt schreibt und trinkt, um seine Schreibhemmungen zu überwinden. Ich hätte mich fürchterlich gelangweilt.“
„Und jetzt?“
„Und jetzt genießen wir den Erfolg, wir könnten z.B. ...“
Das Telefon klingelte. Berger ignorierte es zunächst, bis er den AB hörte.
„Debra, schön, dass du noch einmal anrufst, ich habe es auch versucht.“
„Was soll das mit Leon?“
„Wie meinst du das?“
„Du stellst ihm die Bedingung, dass ich bei der Verfilmung dabei sein soll.“
„Ich wollte dir einen Gefallen tun.“
„Mir?“
„Ja, ich dachte, es wäre schön, wenn wir zusammen arbeiten könnten.“
„Du wolltest also dir einen Gefallen tun?“
„So kann man es auch sehen.“
„Außer, dass ich es schwachsinnig finde, ‚Katzenhund‘ zu verfilmen, kann ich mit Leon nicht arbeiten. Ich hasse ihn.“
„Debra, das tut mir leid, ich wusste es nicht. Außerdem habe ich das Angebot zurückgezogen.“
„Ach?“
„Es ist wirklich nicht verfilmbar.“
„Was ist mit Verena?“
„Was hat sie damit zu tun?“
„Sie wollte dich überreden, mit uns zusammenzuarbeiten, aber du musstest ja unbedingt mit Leon reden.“
„Wer ist mit ‚uns‘ gemeint?“
„Proud Placement – die Konkurrenz zu Leons Produktionsfirma, bei der ich jetzt berate.“
„Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Ich denke ‚Katzenhund‘ ist unverfilmbar.“
„Wir wollen nicht den Roman verfilmen, sondern nur eine Figur übernehmen, die für unseren Stoff genau passen würde. Wir sollten uns treffen und in Ruhe darüber reden.“
„Im Moment ist es sehr ungünstig, ich muss einen Termin einhalten. Ich melde mich. Ciao.“
Berger war es, als sei das Telefon zu heiß geworden und schmiss es förmlich von sich.
Hatte Debra sich nur auf ihn eingelassen, weil sie für einen Stoff einen Teil seines Buches nutzen wollte? War alles, was sie ausmachte, reines Kalkül? Das wäre nicht die Frau, die er als Vorlage gebrauchen konnte.
Ratschlag
Seit langer Zeit hatte er keinen Fuß mehr ins Moustache gesetzt. Dort wimmelte es von angehenden und Möchtegernschriftstellern. Mitunter verirrte sich auch ein halbwegs erfolgreicher Schreiber dorthin, um sich gebührend feiern zu lassen. Letzteres hatte Berger nicht im Sinn, als er dort einkehrte, eher ließ er sich unbewusst dahin treiben, um dem Redcliff auszuweichen. Hier würde er keine Filmleute treffen.
Er tauschte mit einigen Bekannten und ehemaligen Studenten die üblichen Belanglosigkeiten und Lästereien über Verlage und Lektoren aus. Obwohl ihn nichts wirklich berührte, fühlte er sich irgendwie zuhause, zurückversetzt in die Zeit, als einem als Anfänger alles möglich schien, man sich nur zwischen Ironie, Purismus oder Realismus entscheiden musste, um dann den Zaubertrank zuzubereiten, dessen Magie die Leser verfallen würden. Ihm fiel auf, dass die jungen Autoren oft noch dieselben unsterblichen Vorbilder hatten wie er seinerzeit – bis auf diejenigen, die an das Wunder der jungen deutschen Literatur glaubten und sich in den Fußstapfen eines Leberts oder Stuckrad-Barres sahen.
In einer Gruppe entstand eine Grundsatzdiskussion über den Einfluss der jungen russischen Autoren auf die deutsche Szene. Jemand warnte vor Epigonentum, da die russischen Verhältnisse unvergleichbar härter und gegensätzlicher seien. Ein anderer hielt dagegen, dass die deutschen Verhältnisse vielleicht sogar krasser und bizarrer seien, aber der wahrhafte Blick darauf fehle.
Berger fühlte sich diesen Grundsatzdiskussionen entwachsen, sie regten ihn einfach nicht mehr genug