Von Gott erzählen. Eckhard Lange

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Von Gott erzählen - Eckhard Lange

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jemand gepflügt haben,“ denkt er, „ohne etwas davon zu ahnen - so wie ich. Aber nun ist er sichtbar. Ich habe ihn entdeckt.“ Er schaut sich um, er bückt sich. Rasch scharren seine Hände den Boden über die Öffnung: „Ein Schatz im Acker, und niemand weiß es."

      Der Rabbi macht eine Pause. Seine Jünger blicken sich an: Ja, das ist wieder einmal eine seiner Geschichten, die er da so plötzlich herbeizaubert. Ob die Leute merken, was er damit sagen will?

      Der alte Jizchak schaut nachdenklich auf den Lehmboden zu seinen Füßen: "Du willst also behaupten, Meister, daß es wirklich Schätze gibt im Acker unseres Lebens - und daß wir sie nur nicht entdecken?" Der Rabbi lächelt, aber er antwortet nicht. "Mitten zwischen den Steinen, die uns Tag für Tag das Leben schwermachen; mitten auf dem Acker, den wir Tag für Tag bestellen und der uns nichts Neues, nichts Besonderes mehr schenken kann; mitten in unserm Alltag mit seiner Mühe, seinen Enttäuschungen, seinem Leid - sollen wir... das Unerwartete finden?" Jizchak schüttelt zweifelnd den Kopf.

      Der Bauer im braunen Rock ist aufgestanden und geht auf und ab, als wollte er seinen Gedanken nachlaufen: "Das große Geheimnis Gottes - es ist in unserem eigenen Leben verborgen? Seine Liebe - wir können sie in unserem Alltag, ja sogar in unserem Leiden, unseren ungelösten Fragen entdecken? ER ist uns... so nahe, daß er uns auch in Schmerz und Tod nahe ist - willst du das sagen?"

      Auch der junge Mann springt nun auf: "Also gibt es eine Hoffnung auf eine gerechtere Welt - gibt es ein Ziel für unser Leben?" Noch immer schweigt der Rabbi. "Ich beginne zu begreifen," sagt nun Josafat leise. "Gott ist da, aber wir sehen ihn nicht. Wir zögern, wir wagen es nicht, den Schatz zu heben. Wieviel Vertrauen könnten wir haben, wieviel Liebe - wenn wir wirklich ernst damit machen würden! Dann wären unsere Träume doch keine Träume - wir könnten wieder hoffen auf... das Leben. Nicht nur im Sterben, aber auch da. Gottes Gabe, dieser Schatz, ist größer als alles, was wir selber zusammenbringen an Leistung. Und doch gehört er uns! Und wir könnten selber leben... Leben bringen, andern... vielleicht..." Er gerät ins Stocken. Er schaut den Fremden an, der diese merkwürdige Geschichte erzählt hat, fragend und doch zugleich immer sicherer. Der läßt ihm Zeit, ihm und den anderen. Dann streckt er die Hand aus.

      "Seht, meine Geschichte ist noch nicht zuende. Laßt mich erzählen: Der Tagelöhner läuft zurück ins Dorf, in seine armselige Hütte. Er zerrt die Ziege aus dem Stall, steckt die Hühner in einen Korb und läuft auf den Markt. „Was gebt ihr dafür,“ ruft er. „Ich will es verkaufen!“ Verstört eilt seine Frau ihm nach: „Was tust du,“ ruft sie. Aber er läßt sich nicht beirren. „Rasch, hol auch die Schlafmatten, die Töpfe! Verkaufe alles!“ Sie zögert. Doch sie sieht, wie seine Augen leuchten vor Freude. Da gehorcht sie. Dann ist alles verkauft. Er eilt ins Gasthaus, trifft auf den Fremden, der ihm den Auftrag gegeben hat: „Du wolltest den Acker doch verkaufen,“ fragt er. „Ich könnte ihn gebrauchen. Hier - soviel könnte ich dir geben.“ Erstaunt blickt der Fremde auf das Geld. Ein guter Preis, denkt er. Er hält die Hand hin, und der andere schlägt ein. Nun ist der Acker sein Eigentum. Der Acker - und der Schatz darin."

      Der alte Jizchak lächelt verschmitzt: "Ganz schön schlau, dieser Mann in deiner Geschichte. Aber es war doch ein Risiko."

      Da fällt ihm Josafat ins Wort: "Ja, er war klug. Aber er wußte, was er tat. Dieser Schatz war es wert. - Ein solcher Schatz ist es allemal wert," fügt er leise hinzu. "Nicht wahr, Meister, das meinst du doch? Wenn wir Gott entdecken - da, wo wir ihn gar nicht erwarten, mitten in unserem Alltag; wenn wir plötzlich eine Hoffnung spüren, die uns durchdringt - dann wird alles andere unwichtig. Der Tagelöhner konnte von diesem Schatz leben - ja, er konnte abgeben, seine Freude teilen. So ist es doch: Plötzlich ist mein Leben etwas wert. Nein - nicht ich habe ihm diesen Wert gegeben, sondern er ist ein Geschenk. - Das ist stärker als alle Enttäuschungen, als meine Verzweiflung. Plötzlich gibt es eine Hoffnung: Wir können etwas ändern, auch in dieser Welt, denn der Schatz und der Acker... Gott und die Welt gehören zusammen. Gott gehört in unsere Welt."

      Er hält einen Augenblick inne, selbst erstaunt über das, was er sagt. Doch dann fährt er fort: "Die Steine im Acker bleiben, und der Boden bleibt oft hart. Das ist wahr. Aber es gibt da nun etwas, was mir Mut machen kann. Das habe ich verstanden: Ich kann mich offenhalten für das Unerwartete, und das ist kein Traum. Ich kann sogar mittun bei dem, was erst noch Hoffnung ist. Willst du das sagen, Meister? Wir haben Gott nicht. Aber wir können ihn immer neu entdecken - denn er ist uns ganz nahe."

      Der Rabbi ist aufgestanden. "Ich habe euch nur eine Geschichte erzählt," sagt er. "Aber ihr habt recht: Es ist eine Geschichte von Gott. Nun ist es nicht mehr meine, sondern eure Geschichte. Und das ist gut." Er wendet sich. Er geht. Aber sie sind nun nicht mehr allein.

       Kommentar

      Die Perikope besteht aus zwei gleichsam in Telegrammstil formulierten Gleichnissen ähnlichen Inhalts: Um einen glücklichen Fund in Besitz zu bekommen, muß das vorhandene Eigentum verkauft werden. Ich habe drei wichtige Vorentscheidungen getroffen:

      1. Diese knappe Angabe muß in eine echte Geschichte zurückverwandelt werden: Ich versetze mich dafür in die Zeit Jesu zurück, um ein Szenario zu entwickeln, so wie es Jesus sicherlich ähnlich geschaffen hätte, damit seine Erzählung das erforderliche Interesse und die nötige Spannung erzeugt, um als Gleichnis zu dienen.

      2. Ich kann nur eine Geschichte entfaltend erzählen, muß also ein Gleichnis auswählen. Ich entscheide mich für das erste.

      3. Ich muß in meiner Erzählpredigt Jesus für seine Geschichte eine Ausgangssituation, einen Anknüpfungspunkt schaffen, auf die hin er erzählen kann. Ich muß mich also auf die Suche nach einem "Sitz im Leben" machen.

      Aus diesen vorab getroffenen Entscheidungen ergeben sich folgende Konsequenzen:

      1. Auf der Suche nach einem Anknüpfungspunkt prüfe ich das Bildmaterial des Gleichnisses: Der Acker als Lebensgrundlage der bäuerlichen Gesellschaft Palästinas kann zum Bild für das Leben überhaupt werden. Er ist Symbol der Erwartungen und Hoffnungen des Menschen im Warten auf das Aufgehen der Saat und das Reifen der Ernte. Er ist zugleich Symbol für alle Mühe und Anstrengung ("Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen"), aber auch für Enttäuschung und Resignation ("Dornen und Disteln soll er dir tragen"). Da es um den im Boden verborgenen Schatz geht, wähle ich als Gegenbild die Steine, die in vielen Äckern Palästinas in großer Zahl zu finden sind, oft dicht unter dem dünnen Mutterboden.

      2. Ich muß weiterhin einen Zuhörerkreis schaffen, der die damaligen Erwartungen und Enttäuschungen artikuliert und somit die Frage nach der kommenden Herrschaft Gottes stellt, auf die Jesus mit seinem Gleichnis antwortet.

      3. Schließlich muß diese historische Situation transparent werden für den heutigen Menschen, der ja eben nicht in Hoffnung auf den Messias und die   lebt, wohl aber nach Gerechtigkeit, Frieden und Lebenssinn fragt und der ähnliche Enttäuschungen kennt. Erst dann wird ja aus einer Erzählung auch eine Erzählpredigt.

      So entwickelt sich meine Geschichte: Repräsentanten unterschiedlicher Lebenshaltungen benutzen und entfalten das vorgegebene Bild des steinigen Ackers als "Acker des Lebens", und an dieses Bild knüpft Jesus an, um seine Hörer langsam zu einer neuen und überraschenden Erkenntnis zu führen. Indem sie Zweifel äußern, hellhörig und nachdenklich werden und letztlich selbst die Schlußfolgerung aus der Gleichniserzählung ziehen, können sich meine Predigthörer mit ihnen identifizieren und ihren Weg zu einer neuen Einsicht mitgehen. Wenn ich es recht erinnere, hat für die Ausgestaltung der Gleichniserzählung Jürgen Seim Pate gestanden, auf dessen Band ich gerne und empfehlend hinweise. (Seim, Jürgen: Die große Entdeckung. Geschichten von Jesus, Göttingen 1980)

      

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