Von Gott erzählen. Eckhard Lange

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Von Gott erzählen - Eckhard Lange

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war es," sagte der Mann. "Nein. Ihr wart es beide," antwortete die Stimme. "Ihr wollt also ohne mich leben. Ich werde euch nicht daran hindern. Ohne Vertrauen mag ich nicht bei euch sein." Und dann verhallten Jahwes Schritte langsam im Garten.

      Noch nie war ihnen die Nacht so kalt vorgekommen. Wie frierend standen der Mann und die Frau neben der Hütte. "Wir werden es schon schaffen," sagte er zu ihr und griff nach seiner Hacke. Aber der Boden war hart, als wäre er gefroren. Er schlug zu, immer und immer wieder. Angst überkam ihn: Ich muß für Nahrung sorgen, einen Vorrat anlegen, dachte er. Ich muß die Hütte abdichten, damit die Kälte draußen bleibt, dachte er. "Wir werden es schon schaffen," sagte er noch einmal, während der Schweiß von seiner Stirn perlte. Die Frau sagte nichts. Sie hatte die Lippen fest aufeinandergebissen und preßte die Hände gegen den Leib. Auf einmal fühlte sie sich sehr einsam. War das erst heute morgen gewesen, als sie noch singend zum Bach hinunterging

      Ihr habt euch entschieden, hatte Jahwe gesagt. Jetzt waren sie also allein. Und jetzt hatten sie auch Angst - vor den kommenden Tagen, und vor einander. Aber sie hatten ihr Schicksal ganz in die eigene Hand genommen. Jetzt war der Garten erst ganz ihr Eigentum. Aber er war ihr auf einmal fremd geworden - wie Gott, zu dem sie einmal freundschaftlich und vertrauensvoll "Jahwe" gesagt hatte - und wie der Mann neben ihr.

      "Ob er wohl jemals wieder ganz mein Freund wird, dem ich mich anvertrauen kann?" sagte sie leise vor sich hin. Und man wußte nicht recht: Meinte sie nun den anderen Menschen neben sich - oder jenen Gott, den es einmal gab in ihrer Welt, ganz nah und ganz vertraut?

      Ich habe nur eine Geschichte erzählt. Natürlich ist so etwas nie passiert, irgendwann einmal in grauer Vorzeit. Und doch kann diese Geschichte immer wieder wahr werden, denn es ist eine Geschichte über den Menschen und über seine Entscheidung. Und so bleibt die Frage immer wieder offen: Wie mag unsere eigene Geschichte einmal erzählt werden?

       Kommentar

      Genesis 3 ist eine mythische Erzählung. Sie reflektiert in Bildersprache die Herkunft des Bösen in der Welt, die Entstehung von Schuld und Entfremdung. Sie ist zugleich, das hat Gerhard von Rad in seinem Genesiskommentar gezeigt, als Teil des jahwistischen Erzählwerkes eine hochrationale Erzählung, die religiöse Ur-Einsichten mit anthropologischen Kenntnissen verbindet.

      Der Verlust des Vertrauens in den freundschaftlich-liebenden Gott und der Anspruch des Menschen auf Selbstbestimmung mit seinen verheerenden Folgen auch für das menschliche Miteinander sind die eigentlichen Themen der Erzählung.

      Von daher stellt sich die Frage: Darf man eine so meisterhaft hintergründige Geschichte zerreden durch Erklärungen oder Ermahnungen? Zugleich aber: Kann man diese Geschichte überhaupt neu und entfaltend nacherzählen, ohne daß ihre wunderbare Ver-Dichtung zerstört wird?

      Ich habe deshalb versucht, sie in ihrer zeitlos-schwebenden Gültigkeit zu belassen und das vorhandene Material behutsam zu deuten für den heutigen Menschen: Das Paradies soll nicht zu einem unvorstellbaren Dasein werden, zu einem jenseits der Wirklichkeit liegenden Land: Es ist unsere Welt unter dem Aspekt der Gottesnähe und des Gottvertrauens. Vertreibung aus dem Paradies ist Verwandlung und Zerstörung unserer Welt durch unseren Verzicht auf Gott. Dafür bedarf es keines Engels, der das Tor mit dem Schwert bewacht.

      Daß meine Geschichte "psychologisiert", etwa indem das Wort der Schlange zum denkbaren Gedanken des Menschen wird, folgt der Tendenz des Jahwisten. Damit wird der eigentliche "Sündenfall" zu einem inneren Ereignis ebenso wie seine Folgen ebendort - im Selbstverständnis des Menschen, und dann erst auch in seinem Verhältnis zu Mitmensch und Natur.

       Das wollte ich erzählen: als "Mythos" - als bildhaft erlebbares Ur-Bild menschlicher Existenz unter Aufnahme der Bildelemente von Gen. 3, als Geschichte von Gottesnähe und Gottesferne: Das "Paradiesische" am Garten Eden sollte so geschildert werden, daß seine Grundlage - das ungestörte Vertrauen in den Schöpfer - erkennbar wird. Die - falschverstandene, weil gegen Gott gerichtete - "Selbstverwirklichung" des Menschen wollte ich nachvollziehbar aufzeigen als Anfrage an uns heute, indem ich den inneren Prozeß der Entfremdung von sich selbst und voneinander behutsam nachmale, aber auch das dadurch veränderte Verhältnis zur uns umgebenden Natur - ohne die "mythische" Form der Geschichte zu zerstören. Daß Gott nicht zürnt, sondern trauert - und damit auf unsere Umkehr wartet, aus der selbstherrlichen zurück in die vertrauensvolle Freiheit - sollte als Botschaft weitergegeben werden.

       Beispiel 3: Lukas 17, 11 - 19

       Und es begab sich, als er nach Jerusalem wanderte, dass er durch das Gebiet zwischen Samarien und Galiläa zog. Und als er in ein Dorf kam, begegneten ihm zehn aussätzige Männer; die standen von ferne und erhoben ihre Stimme und sprachen: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser! Und da er sie sah, sprach er zu ihnen: Geht hin und zeigt euch den Priestern! Und es geschah, als sie hingingen, da wurden sie rein. Einer aber unter ihnen, als er sah, dass er gesund geworden war, kehrte er um und pries Gott mit lauter Stimme und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm. Und das war ein Samariter. Jesus aber antwortete und sprach: Sind nicht die zehn rein geworden? Wo sind aber die neun? Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde? Und er sprach zu ihm: Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen.

      "Mutter, Mutter, komm rasch!" Der kleine Daniel stürzt aufgeregt ins Haus. Atemlos stößt er hervor: "Vater ist im Dorf! Er kommt nach Hause!" Kopfschüttelnd blickt die Frau den aufgeregten Jungen an, ein trauriges Lächeln steht auf ihren Lippen: "Ach, Dan, du träumst mal wieder! Vater darf nicht ins Dorf. Wie oft habe ich dir das schon erklärt: Er ist krank. Niemand darf ihn berühren."

      "Aber er kommt wirklich; ich habs doch gesehen! Er ist nicht mehr krank!" Die Mutter will etwas erwidern, da wird es plötzlich laut auf der Straße. Stimmengewirr kommt näher, freudige Rufe. Und immer wieder klingt ein Name hindurch: "Jona," rufen sie, "willkommen! Hallo Jona! Jona ist gesund!

      Die Frau ist an die Tür getreten, zitternd lehnt sie sich gegen die Wand. Es ist nicht wahr, denkt sie. Ich habe ihn doch gesehen, oft genug - von weitem, wenn ich ihm Essen hinaustrug und an den Wegrand stellte. Ich habe seine Hände gesehen, sein Gesicht. Nein, das geht nicht fort - nicht von heute auf morgen. Vielleicht nie mehr.

      Aber da steht er plötzlich vor ihr, ihr Mann, faßt sie zärtlich mit beiden Händen an den Schultern, drückt sie an sich. Ja: Es sind seine Hände, und sie sind gesund. Es ist sein Gesicht, das sie strahlend anlacht - ohne diese aufgequollenen Stellen. Tränen treten ihr in die Augen. "Jona!" Sie flüstert es nur. "Ja, ich bins wirklich! Gesund und munter, Gott sein Dank! Ich bin so froh, wieder bei euch zu sein - froh und dankbar. Jetzt kann ich es ja sagen, wie sehr ich euch vermißt habe: dich und den Jungen. Aber nun bin ich gesund. Nun ist alles vorbei - dieses Leben da draußen, ausgestoßen wie ein Tier." Seine Hand fährt durch die Luft, als wollte sie etwas beiseite schieben: "Vergessen wirs!"

      Er sieht ihren fragenden Blick: "Denk dir nur, der Rabbi aus Nazareth hat uns geholfen. Ein großer Rabbi! Ein guter Rabbi! Gott möge es ihm lohnen." Er sieht sich um: "Mein Gott, wie lange war ich fort! Wieviel ist hier in Ordnung zu bringen! Aber nun kann ich wieder für euch sorgen, für dich - und für unseren Dan. Das ist das schönste!"

      Ein Mann ist heimgekommen, von schwerer Krankheit genesen. Glücklich kehrt er zu seiner Familie zurück, glücklich, wieder unter Freunden und Nachbarn zu sein. Voller Tatendrang macht er sich daran, das Liegengebliebene in Angriff zu nehmen, dieses neugeschenkte Leben sinnvoll auszunutzen, seine Pflichten zu erfüllen in seiner kleinen Welt. Er will nicht bestaunt werden, er will wieder leben wie früher. Er weiß, was Gesundheit wert ist.

      Ist er undankbar? Denkt er nur an sich? Nimmt er das Geschenk, wieder gesund zu sein, ungerührt entgegen? Ich kann mir nicht vorstellen, daß so

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