Heine hardcore II - Die späten Jahre. Freudhold Riesenharf

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Heine hardcore II - Die späten Jahre - Freudhold Riesenharf Fiktive Biografie Heinrich Heines

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sie, bleibt man vor seinem Zwangsgedeck sitzen, so oft man will sehen kann. Also sieht er sie so oft, wie er will. Beim Verlassen des Kinos ist sein Geschlecht von der unbefriedigten Erregung so verquält und gemartert, gleichwie lädiert, dass es wie ein Muskelkrampf ist. Doch ist der gestaute Reiz, wie Glut unter der Asche, immer noch da und jederzeit neu zu entfachen. Er begibt sich auf dem kürzesten Weg nach Hause. Es braucht nur weniger Friktionen, und er hat einen so starken Orgasmus wie kaum je bei der Masturbation. Offenbar ist es der visuelle Eindruck, der die Sinnlichkeit so mobilisiert. Je zahlreicher die Bilder und Szenen, je länger sie wirken, desto nachhaltiger wird der Eindruck.

      In der gesamten Geschichte der Menschheit seit der Steinzeit hat es dergleichen noch nicht gegeben. Wohl wurde der Sexualtrieb in der Evolution primär an die visuelle Wahrnehmung geknüpft, noch nie aber hatte der Mensch das Geschlecht in derart promiskuitiver Anschaulichkeit vor Augen wie im heutigen Film. Die berüchtigsten Orgien Babylons, Sodoms und Gomorrhas oder des alten Roms flimmern da für ein paar Mark Eintritt über die Leinwand. In seinen Zwanzigern kann Harry, wenn er es darauf anlegt, an einem Wochenende mehr weibliche Vulven sehen als Don Juan und Casanova während ihrer ganzen Laufbahn. Man muss wahrlich König Salomo mit seinem Harem von tausend Weibern gewesen sein, ein chinesischer Kaiser oder türkischer Sultan, um so viele Muschis aus der Nähe zu sehen wie heutigentags jeder Kommis an einem einzigen Weekend. Das ist aber ganz gut so. Das weibliche Geschlecht wird dadurch auf ungeahnte Weise entmythologisiert und entmystifiziert. Es zeigt sich, was es objektiv ist: der harmlos unverfängliche Reproduktionsapparat der Säugetiere. Die erotischen Männer aber machen einen unaussprechlichen Fetisch daraus, indem sie ihre subjektive hypertrophierte Sinnlichkeit hineinprojizieren und sich alle Wunder und Weihen, die ihnen ihre Phantasie vorgaukelt, davon erwarten.

      Seither wurde die Pornografie im gesellschaftlichen Bewusstsein zu einer solchen Selbstverständlichkeit, dass man sich eine Zeit ohne sie gar nicht mehr vorstellen kann. Die Kids sehen es schon ab vierzehn. Zigtausende von Generationen lang war sie hinter dem Scheffel, jetzt plötzlich werden wir überschwemmt damit. Harry selbst stammt aus einer Zeit, als noch das Verdikt des Gesetzes über ihr lag.

      Warum ist das wirklich so eine Revolution, wenn man heute sehen kann, was man früher nicht sehen konnte? Was haben wir von dieser schönen neuen Welt obszöner Bilder?

      Weil es nicht beim Zuschauen bleibt. Die Pornografie ist von grundlegendem Einfluss auf unser ganzes Verhältnis zum Sex. Die pornografischen Szenen haben unmittelbar Einfluss auf das Sexualverhalten des Einzelnen, und damit auf das Liebesleben der ganzen Gesellschaft. In der Hominidenevolution entstand der Sexualtrieb via die visuelle Wahrnehmung im Zusammenhang mit der Phantasie, daher wird die Sinnlichkeit des Homo sapiens – zusammen mit der frühkindlichen Prägung durch die Mutter – vor allem durch visuelle Eindrücke geprägt. Der Sexappeal unterwandert uns über das Auge. Dabei hatte der fehlenden technischen Möglichkeiten mitsamt der tabuisierten Sexualität wegen der Homo sapiens aber noch nie Gelegenheit, die visuelle Dimension der Lust de facto auch auszuloten, sein hedonistisches Potenzial auszureizen. Da der Sex durch die Phantasie bedingt ist, sind ihrer puren Körperlichkeit wegen nicht einmal die klaffenden Vulven von Salomos tausend Odalisken imstande, seine Phantasie so anzuturnen wie das rein visuelle Medium des erotischen Cinemascope; so kann heute jeder Kommis seine Phantasie so beflügeln, wie das keinem je so promiskuitiv Privilegierten möglich war.

      Erst aber, indem das pornografische Medium die erotische Phantasie voll ausreizt und möglichst viele Sinnesneuronen zum Feuern bringt, wird der Einzelne in den Zustand versetzt, sein volles sexuelles Potenzial kennenzulernen – den Zustand alleräußerster Erregung, zu der er individuell fähig ist. Das gilt dann ähnlich auch für den Orgasmus selbst – der ja nichts anderes ist, als wenn das maximale elektrochemische Potenzial, das durch die Lust aufgebaut wird, zur Entladung kommt.

      Diese Erfahrung ist in der gewöhnlichen Begegnung der Geschlechter aber schier nicht zu machen – auch mit der versiertesten Liebesdienerin nicht; und auch nicht in der ipsistischen Phantasie der Person. Keine unbewaffnete Einbildungskraft kann mit der Myriade von Bildern mithalten, die von der Leinwand sechzehnmal pro Sekunde auf sie einströmen. So sind die pornografischen Filme im selben Sinn Prothesen der Lust, wie etwa ein Supercomputer eine Prothese mathematischen Denkens ist.

      Keine Frau der Welt, auch die so genannte Miss Universe nicht, kann mit den erregend erregten Leibern konkurrieren, die unter orgiastischem Stöhnen auf der Leinwand sich wälzen. Mithin macht es in der ganzen Menschheitsgeschichte überhaupt erst der Pornofilm möglich, den Einzelnen sein sexuelles Potenzial vollauf erfahren zu lassen – es physiologisch zu realisieren. Das geschieht erst vor dem Pornobildschirm, infolgedessen ist dieser historisch und anthropologisch gesehen etwas ganz Außerordentliches. In einem modernen Roman nennt sich der Mathematiker Gauß – da er zu früh geboren sei, um die zukünftigen technischen Möglichkeiten erleben zu können – einen ,Idioten der Zukunft'. Im selben Sinn waren die Männer und Frauen vergangener historischer und prähistorischer Generationen, die noch ohne die unzensierte voyeuristische Freizügigkeit auskommen mussten, die Stiefkinder, die Idioten neuzeitlicher Lust.

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