Heine hardcore II - Die späten Jahre. Freudhold Riesenharf
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Ist die sexuelle Selbstbefriedigung durch die lange Einsamkeit konditioniert, dann erscheint es aber wieder als ganz verständlich und natürlich, wenn sie auch weiterhin praktiziert wird, und es wäre eher unnatürlich und erstaunlich, wenn sie von einem Tag zum andern einfach aufgegeben würde. Dies zumal dann, wenn man bedenkt, dass Henris Ehe kein Einzelfall ist, sondern, wie zuletzt der Film American Beauty zeigt, es auch noch in anderen Ehen so zugeht. Also auch hier wieder kein echtes ,Laster'.
29: Linda
Die Matura nennt man jetzt Abitur. Nach dem Abitur, als seine Klasse auf eine Autorallye geht, macht er eine Spanienreise, um nach dem andalusichen Flamenco zu recherchieren. Er begegnet Pepi und Loli in der Straße Ramón y Cajal und Marina, die aus Marokko herüber getrampt kommt, und hört zum ersten Mal von dem Stargitarristen Paco de Lucía.
Von der Reise zurück, sucht er besonders die Hamburger Alsterpavillons auf. Besonders vor dem einen, dem so genannten Schweizerpavillon, lässt sich gut sitzen, wenn es Sommer ist und die Nachmttagssonne nicht zu wild glüht, sondern nur heiter lächelt und mit ihrem Glanz die Linden, die Häuser, die Menschen, die Alster und die Schwäne, die sich darauf wiegen, fast märchenhaft lieblich übergießt. Da lässt sich gut sitzen, und da sitzt er gut gar manchen Sommernachmittag und denkt, was ein junger Mensch eben so denkt, nämlich gar nichts, und betrachtet, was ein junger Mensch eben so betrachtet, nämlich die jungen Mädchen, die vorübergehen – und da flattern sie vorüber, jene holden Wesen mit ihren geflügelten Häubchen und ihren verdeckten Körbchen, worin nichts enthalten ist – da trippeln sie dahin, die bunten Vierlanderinnen, die ganz Hamburg mit Erdbeeren und eigener Milch versehen, – da stolzieren die schönen Kaufmannstöchter, mit deren Liebe man auch so viel bares Geld bekommt – da wandeln Priesterinnen der schaumentstiegenen Göttin, hanseatische Vestalen, Dianen, die auf die Jagd gehen, Najaden, Dryaden, Hamadryaden und sonstige Predigerstöchter – ach! da wandelt auch Minka und Heloisa! Wie oft sitzt er vor dem Pavillon und sieht sie vorüberwandeln in ihren rosagestreiften Roben. – „Prächtige Dirnen!“, rufen die tugendhaften Jünglinge, die neben ihm sitzen – Die eine möcht ich mir mal als Frühstück, und die andere als Abendbrot zu Gemüte führen, und ich würde an solchem Tage gar nicht zu Mittag speisen. Harry sagt nie etwas dergleichen und denkt seine süßesten Garnichtsgedanken und betrachtet die Mädchen und den heiter sanften Himmel und die stille blaue Alster, worauf die Schwäne so stolz und so lieblich und so sicher umherschwimmen.
Kommst Du dort viel unter Weiber? schreibt er aus der Ferne an Immanuel Wohlwill. Nimm Dich in acht, die Hamburgerinnen sind schön. Die Röcke der bunten Vierlanderinnen sind inzwischen merklich kürzer geworden – so minimal, dass man früher nur davon träumen konnte und sie wortwörtlich Miniröcke heißen.
Der Minirock ist als kurzer Rock so geschneidert, dass sein unterer Saum mehr oder weniger weit oberhalb des Knies der Trägerin endet. Harry sieht es desto lieber, je weiter oberhalb er endet. In seiner Grundform war der Rock zu unterschiedlichen Zeiten und in verschiedenen Kulturen als praktische Bekleidung in Form einer um die Hüfte gebundenen Verhüllung der primären Geschlechtsmerkmale zur ungehindert-beinfreien Bewegung bekannt. In der Antike waren, wie man in den Sandalenfilmen sieht, Miniröcke auch als Männerröcke beliebt. Heute noch gehören rote Miniröcke zur traditionellen Stammestracht der Massai-Männer. Der Minirock im engeren Sinn wird erst Anfang der 1960er Jahre in England von der Designerin Mary Quant für die Damenwelt neu entdeckt. Zunächst in der Öffentlichkeit aufgrund seiner erotisch interpretierten Signalwirkung skandalisiert, ist er eines der prägenden Beispiele für die Popkultur und die Kleidermode der weiblichen Jugend der westlichen Welt in den 1960er und 1970er Jahren. Später etabliert sich der Minirock – auch erweitert als Mini-Kleid – in unterschiedlichen Stil-Variationen in der Alltagsbekleidung von säkular ausgerichteten Industriegesellschaften und wird hauptsächlich in den warmen Jahreszeiten getragen.
Erstmals wird der aus Deutschland der frühen 1930er Jahre stammende und durch Quant wiederentdeckte Minirock 1962 in der britischen Vogue abgebildet. Schon drei Jahre später ist das zunächst als skandalös verunglimpfte Kleidungsstück zu einem weltweiten Verkaufsschlager geworden. Der französische Modedesigner André Courrèges etabliert den Minirock in der Pariser Modewelt. Mary Quant erhält für ihren Mut und ihre sinnlichen Kreationen 1966 den Order of the British Empire; zur Verleihung im Buckingham Palace erscheint sie im Minirock.
Sommers 1968 erklimmt der Minirock seine maximale Popularität, und 1969 als Mini-Mini oder Mikrorock die höchstmögliche Saumhöhe, wobei das Höschen zum öffentlich sichtbaren Bestandteil der Mode avanciert. Das gilt teils als Provokation oder Ausdruck einer allgemeinen Respektlosigkeit, teils aber auch als Zeichen des neuen Selbstbewusstseins der von überkommenen Zwängen befreiten Damenwelt. Die neue Länge setzt sich in allen Gesellschaftsschichten durch. Selbst das britische Königshaus gibt dem Trend nach und akzeptiert eine Länge von genau sieben Zentimetern über dem Knie. Miniröcke gibt es bald in allen Materialien, von edel bis billig, und sie werden bei jeder Gelegenheit, selbst im Winter, getragen. Die Strumpfindustrie zieht bald nach und bringt statt Nylonstrümpfen Strumpfhosen auf den Markt, die die Beine ins richtige Licht rücken. Auch Kleider werden gemäß der Minirocklänge zu Minikleidern.
So ist der Minirock das erste Merkmal der sexuellen Revolution, von der auch Harry profitiert. Zumindest visuell. Jetzt ist der Weg seiner süßesten Garnichtsgedanken vom Knie der Dame aufwärts wesentlich kürzer als früher. Aber was hat er wirklich davon? Der Strumpf am Spann ist da, doch wo er endet, ist weit von mir, kann er mit den Versen des jungen Gottfried Benn nur klagen.
Als er in der Klasse in seinem Schwerpunktfach Deutsch einen ausgiebigen Vortrag über Benns Gedicht Untergrundbahn hält, ist ein Kollege Kramers – der jetzt Baumgartner heißt –, namens Spach, mit in der Zuhörerschaft. Der ist offenbar zeichnerisch begabt, denn nach dem Vortrag überhändigt er ihm eine angefertigte Zeichnung, der ihn am Stehpult zeigt – mit einer großen Gedankenblase über dem Kopf, in der sich eine nackte Frau räkelt. Es erinnert ihn an die Zeichnung, die einmal in einem anderen Leben ein Münchner Kunstjünger von ihm gemacht hat, und mit ärgerlicher Verlegenheit betrachtet der Abkonterfeite dieses schlagende Argument, dass dem Maler doch unter Umständen auch einige Macht über den Dichter gegeben sei. Sollte das eine Kritik an seiner Interpetation sein? Wie anders aber hätte man Benn denn bitte interpretieren sollen?
Einmal sieht er am Alsterstrand von hinten, wie eine sonnenübergossene junge Frau mit einem ganz kurzen Mikrorock sich über einen Obststand beugt, um die Qualität der Früchte zu prüfen. Dabei rutscht der Saum so weit hoch, dass über ihren sonnenumgleißten Wammen der Ansatz ihres weißen eingezwängten Slips aufblitzt. In seinen Lenden schießt eine Stichflamme hoch. Sie ist genau seine Kragenweite. Er wittert was wie Büchners Danton „in der Atmosphäre; es ist, als brüte die Sonne Unzucht aus. Möchte man nicht drunter springen, sich die Hosen vom Leibe reißen und sich über den Hintern begatten wie die Hunde auf der Gasse?“ Warum kann er nicht einfach von hinten an sie ran, ihr den Rock noch etwas höher raffen, und den Slip über die Schenkel herunter, und sie auf offener Straße wie ein Hund von hinten über den Früchten begatten? Ein peruanischer Freund, der ihn begleitet, und der dasselbe sieht, bemerkt:
„Las mujeres me alocan. – Die Frauen machen mich verrückt.“
In seiner Vorstellungswelt wimmelt es nun von Frauenröcken zwischen Knie und Saumhöhe. Manche davon, die so genannten Hot pants, sind so knapp, dass seine Gedanken sich an der Stelle stauen, wo der fransige Rand so in den obersten Oberschenkel schneidet, dass sich an dem weichen Fleisch eine kleine Ausbuchtung bildet.
Die frühen Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts bringen im subkulturellen Untergrund den so genannten Sexfilm. Nicht allein mehr, dass man die