Heine hardcore II - Die späten Jahre. Freudhold Riesenharf
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Tarita wird während der Dreharbeiten von Marlon Brando persönlich betreut. Dieser macht zwischen Film und Wirklichkeit offenbar keinen großen Unterschied, da er mit ihr auch persönlich Liebe macht, die – mit einigen Unterbrechungen – bis zu seinem Lebensende dauert. 1963 wird ihr gemeinsamer Sohn Teihotu geboren, 1970 ihre Tochter Tarita Zumi Cheyenne. Seit Teihotus Geburt lebt Tarita meist auf einem Strandanwesen in Papeete, das Brando für sie erwirbt.
Auch sonst scheint Marlon nicht sonderlich zwischen Film und Wirklichkeit zu unterscheiden. Er gilt als sexualsüchtig und hat zahllose kurze wie lange Affären mit Frauen wie Marilyn Monroe, Marlene Dietrich, Joanne Woodward, Pier Angeli, France Nuyen, Ursula Andress, Katy Jurado, und nach eigener Auskunft auch mit Männern. Dauerhaftere Beziehungen unterhält er u. a. mit Stella Adlers Tochter Ellen und den Schauspielerinnen Rita Moreno and Jill Banner. 1957 heiratet er Anna Kashfi, die aber schon ein Jahr später die Scheidung einreicht. Um das Sorgerecht für ihren 1958 geborenen Sohn Christian liefern Brando und Kashfi sich einen bis 1974 dauernden Rechtsstreit. 1960 heiratet er die mexikanisch-amerikanische Schauspielerin Maria ,Movita' Castaneda, die 1967 die Scheidung einreicht. Während der Ehe werden die Kinder Sergio und Rebecca geboren, deren Vaterschaft jedoch strittig ist. Über 43 Jahre, bis zu seinem Tod, ist er mit Tarita und ihren beiden Kindern Teihotu und Cheyenne zuammen. Drei gemeinsame Kinder hat er aber auch mit seiner guatemaltekischen Haushälterin Cristina Ruiz … –
Insgesamt zeugt Brando sieben Kinder mit vier verschiedenen Frauen. Dass er sexsüchtig sei, klingt aber ziemlich beliebig, denn wie sollte man definieren können, wie oft ein Mensch einschlägig aktiv sein darf, damit sein Sexualverhalten noch als normal gilt? So scheint Kinseys ironisches Wort über die Nymphomanie, entsprechend abgewandelt, auch für die Sexsucht zu gelten: „A nymphomaniac is a woman who has more sex than you do. Eine Nymphomanin ist eine Frau, die mehr Sex hat als Sie.“
Überhaupt scheint ,Sexucht' ein neuer modischer Begriff, den es zu Brandos Zeit vielleicht noch gar nicht gibt, in der ein übersteigertes sexuelles Verlangen noch nicht als unnormal gilt, so dass man es ihm erst im nachhinein unterstellt. War Mozart dann vielleicht musikalsüchtig? Oder Gauß und Einstein intellektualsüchtig? Harry ist von soviel Promiskuitivität fasziniert und muss sich fragen, ob nicht auch seinem Temperament eigentlich ein Lebenslauf wie der Marlons entspräche. Berufen sind offenbar viele, aber nur wenige auserwählt. Damit zugleich spürt er aber auch einen inneren Hang zur Liebestreue und einen monogamen Charakter in sich. Natürlich kann ein Mann mehrere Frauen lieben und mit jeder von ihnen glücklich sein. Die Frage ist nur, ob auch eine Frau mit mehr als einem Mann glücklich sein kann. Scheint das ,Glück' eines Mannes bei den Frauen, wenn Marlon irgend glücklich war, doch oft genug gleich dem Unglück der Frauen. Harry liebt die Frauen so sehr, dass er nicht eine von ihnen enttäuschen will. Noch weiß er nicht, dass das das eigentliche Problem seines Lebens ist: seine anarchische Sinnlichkeit und die Anarchie seines Blutes mit der vernunftgeordneten Einrichtung der Welt in Übereinstimmung zu bringen … –
28: Nadine
Neuerdings ist es die Antigone des französischen Dramatikers Jean Anouilh im Düsseldorfer Nationaltheater, die er mit Giselle besucht. Es basiert auf der Tragödie des Sophokles. Anouilh behält als Schauplatz Theben bei, verlegt die Handlung aber ins 20. Jahrhundert. Dabei verbindet er antike Tragik mit existentialistischer Philosophie; Harry ist verblüfft, wie die verschiedenen geistigen Welten hier aufeinanderprallen. Es ist ein Klassiker des modernen französischen Theaters und eine der meistdiskutierten Arbeiten Anouilhs. Seine Übertragung des antiken Stoffes ins 20. Jahrhundert wird durch eingestreute Dinge wie Autos oder Zigaretten äußerlich illustriert.
Dass Antigone ihren Bruder Polyneikos gegen König Kreons Verbot bestattet und dafür die Todesstrafe auf sich nimmt, gilt als Sinnbild für den französischen Widerstand gegen die deutsche Besatzungsmacht. Aus der historischen Verlagerung ergeben sich vor allem veränderte moralische Konsequenzen. Bei Sophokles lehnt Antigone sich gegen Kreon auf, um einem ewigen göttlichen Gesetz zu gehorchen. Bei Anouilh glauben weder Kreon noch Antigone mehr an irgendeine Götterwelt. Ihre Auseinandersetzung ist eher ein Generationenkonflikt. Anouilhs Kreon ist ein Herrscher voller Widersprüche und Zweifel, kein Despot, der über Leichen geht. Für die junge, leidenschaftliche Antigone sind seine relativierende Weltsicht und politische Pragmatik unattraktiv. Sie sehnt sich nach absoluten Ideen und dem Pathos großer Gefühle. Weil ihre Revolte aber keine glaubwürdigen Inhalte hat, wird ihre Kompromisslosigkeit zu Hochmut und sie stirbt einen sinnlosen Tod.
Ihre Diskussion während der Pause ist kontrovers. Während Harry gefühlsmäßig auf der Seite Antigones steht, nimmt die junge Giselle paradoxerweise den Standpunkt des materialistischen Kreon ein. Auf dem Platz vor dem Theater, der mit runden glatten Steinen gepflastert ist, die nur zur Hälfte im Boden stecken, bleibt der Stöckel ihres linken Schuhs zwischen zwei Kieseln hängen. Währenddem er niederkniet, um den Schuh loszumachen und ihn ihr wieder anzuziehen, steht sie wie ein Reiher auf einem Bein und hält den Fuß hoch, um nicht den Nylonstrumpf zu beschmutzen. Er kommt, als er ihr den Schuh wieder anpasst, nicht auf den Gedanken, sie kniend um die Gunst zu bitten, ihren weißen, blühenden Lilienfuß küssen zu dürfen, den er doch gläubiger an die Lippen gepresst hätte, als er es mit dem Fuß des Papstes getan haben möchte.
Ein Mitschüler seiner Klasse hat Ingmar Bergmans Film Tynstaden – Das Schweigen – gesehen und erzählt ihm aufgeregt davon. Eine Frau, Anna, irrt durch eine fremde Stadt in einem fremden Land, deren Sprache sie nicht versteht, und sieht in einem Varieté, wie ein Paar während der Vorstellung kopuliert. Der Mann sitzt zurück in den Sitz gelehnt, die Frau hat ihren Schlüpfer ausgezogen und reitet ihm zugewandt mit entblößten Brüsten auf ihm, wobei ihre Unterleiber gegeneinander rammeln. Beide bäumen sich orgiastisch hintüber, so dass die Stühle knarzen. So etwas Geiles, beteuert der Kamerad, dem dabei förmlich der Speichel im Mundwinkel zusammenläuft – und angesichts seines Gesabbers glaubt Harry es ihm aufs Wort –, habe er im Leben noch nicht gesehen!
In einer anderen Szene des Films sieht man von vorn von oben, wie die umwerfend schöne Ingrid Thulin, eine sichtlich sinnliche Frau, auf ihrem Bett mit hintübergeworfenem Kopf, während sie dem Zuschauer in die Augen blickt, sich in den Schlüpfer greift und sich, die Augen nicht vom Betrachter lassend, sexuell selbst befriedigt. Das ist womöglich sogar noch geiler. Sie hat dieselbe Lage wie Chrisis auf Agostinos Stich und hat den gleichen honigsüßen Orgasmus wie Hedy Lamarr, die hier als Pionierin wirkte, in Ekstase. Oder doch nicht den ganz gleichen?
Durchaus nicht den ganz gleichen, denn irgendwie ist Mariannes Ekstase noch viel überzeugender und einleuchtender als der Lamarrs. Der Unterschied ist, dass Mariannes Orgasmus nicht beim Geschlechtsakt eintritt, sondern in der Onanie. Die erste Szene weiblicher Onanie in der Filmgeschichte! Das ist unerhört. Wann hat man je eine Frau auf der Leinwand oder sonstwo masturbieren sehen? Das ist etwas absolut Neues und sorgt zu der Zeit für den hanebüchensten Skandal. Man muss die Thulin für ihren Mut bewundern.
Also auch die Frauen onanieren und haben ihren Orgasmus! Wieso aber auch nicht? Warum sollen ihnen die Männer da etwas voraus haben? Zwar ist auch Ingrids Orgasmus nur gespielt, doch ist er menschlich noch überzeugender als der Hedys. Der Grund ist, dass der Orgasmus aus der Onanie, im Unterschied zu dem beim Koitus, jedem halbwegs normalen Menschen vertraut ist, so dass an seiner Wirklichkeit kein Zweifel besteht. Ingrid spielt also nur nach, was alle bestätigen können. Diese für die damalige Zeit unerhörten Szenen rufen einen der größten Filmskandale der 1960er Jahre hervor und lösen eine erbitterte Zensurdebatte aus. Seitdem kommt weibliche Onanie auch im Film immer wieder vor. Seit Jean-Luc Godard gehört sie fast mit zum kinematografischen Standard.
Von Ingmar Bergman sieht er den Film Die