Wolfskinder. Klaus Melcher
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Sicher, es gab einige, die unter dem Ernst-August-Denkmal herumlungerten und Passanten belästigten, aber das waren keine ‚Ratten’, wie Buchholz sie voller Verachtung nannte.
Als ob Buchholz seinen Einwand ahnte, sah er ihn missbilligend an und schüttelte den Kopf.
„Glauben Sie mir, ich habe mehr als zehnjährige Erfahrung. Da lernt man dieses Gesocks kennen, das kann ich Ihnen sagen. Zweimal haben sie mir innerhalb einer Woche die Reifen zerstochen. Aus reiner Zerstörungswut.“
„Aber dann müssen sie doch aus ihrer Deckung herausgekommen sein“, gab Harms zu bedenken.
„Sind sie auch. Haben blitzschnell angegriffen und sind gleich wieder verschwunden.“
Was war Buchholz bloß für ein Mensch?
Er sollte den Kindern und Jugendlichen helfen, sollte verstehen, warum sie ihr Zuhause flohen, warum sie die Schule schwänzten, sich unter Brücken und in finsteren unwirtlichen Gegenden aufhielten. Er sollte sie finden, mit ihnen sprechen, etwas mehr als nur Gemeinplätze und Vorwürfe investieren, ihnen eine Perspektive aufzeigen. Jedenfalls sollte er das versuchen.
Und was tat er?
Nichts!
Zu Hause abgeliefert wurden die Jugendlichen: So, da habt ihr eure missratene Göre wieder. Wenn sie wieder auffällig wird, kommt es ins Heim, basta!
War das jemand, der für diesen Job geeignet war?
Seine ganze Sorgfalt legte Harms in das Beschriften des Aktendeckels.
Wie gedruckt sah seine Schrift am Ende aus.
Schließlich konnte er seine Tätigkeit nicht weiter in die Länge ziehen, irgendwann
war sie zu Ende.
Er sah von seinem Schreibtisch auf und hielt Buchholz seinen Aktendeckel entgegen.
„Sehr schön“, lobte er.
„Haben Sie schon das Deckblatt fertig?“
„Deckblatt?“ Harms verstand nicht.
Das war wieder so typisch. Buchholz ließ ihn diese idiotische Arbeit machen, die nur der Beschäftigung diente, hatte ihm aber verschwiegen, was wichtiger war, das Deckblatt mit all den Informationen, über die man bisher verfügte. Fast wie ein Inhaltsverzeichnis würde es sich später lesen.
Das Fax-Gerät sprang an und spuckte drei Seiten aus. Absender war das Polizeirevier in der Herschelstraße. Man hatte die Personalien der drei Jugendlichen ermittelt und die Jugendlichen ihren Eltern übergeben.
Kapitel 17
Frau Busse hatte ihre Schürze umgebunden und stand an der Arbeitsplatte ihrer neuen Küche.
Nachdem die alte wirklich nur noch als schandbar bezeichnet werden konnte und alle Versuche ihres Mannes, wieder und wieder etwas auszubessern, hier ein Scharnier, dort eine ganze Tür, nichts mehr nützten, hatten sie sich entschlossen, eine fertige Küchenzeile aus dem Angebot zu kaufen. Lediglich zwei einzelne Möbelstücke, die Frau Busse noch von ihrer Mutter hatte und an denen sie besonders hing, hatten sie behalten.
Sie putzte Möhren, die Maja mittags aus ihrem Schrebergarten mitgebracht hatte.
Maja war knapp fünfzehn Jahre alt und die jüngere ihrer beiden Töchter. Die ältere war vor Jahren nach einem handfesten Streit mit ihrem Vater ausgezogen und hatte seitdem keinerlei Kontakt mehr zu ihren Eltern. Mal hieß es, sie wäre in einer süddeutschen Kleinstadt gesehen worden, andere wollten wissen, sie wäre einer Sekte beigetreten und lebte jetzt in der Schweiz, wieder andere vermuteten sie, zusammen mit ihrem Freund und einigen Gleichgesinnten, in den kanadischen Wäldern.
Und so ergoss sich die ganze Liebe und Zuneigung der Busses über ihre Tochter Maja.
Das Mädchen war wirklich ein fast ständiger Grund zur Freude. Immer vergnügt und hilfsbereit, zuverlässig, auch in der Schule, und bescheiden, half, wo sie konnte, ob zu Hause ihrer Mutter, oder im Garten. Sie war zufrieden mit dem, was sich ihre Eltern leisten konnten.
Nur ihr Freund war Herrn Busse nicht ganz recht. Eigentlich gab es nichts an ihm auszusetzen, er war höflich, hatte gute Umgangsformen und behandelte Maja ausgesprochen liebevoll. Und Maja liebte ihn, ganz ohne Zweifel.
Aber er passte nicht zu ihnen!
Robert oder Robér, wie seine Mutter ihn nannte, stammte aus einer recht wohlhabenden Familie, Vater Mediziner und Mutter ‚Professorengattin’.
Er war einen anderen Lebensstandard gewöhnt, für ihn waren Dinge selbstverständlich, an die Maja gar nicht denken konnte, von denen sie, Tochter eines Straßenbahnfahrers bei der Üstra und einer Sekretärin in einem kleinen Handwerksbetrieb, nicht einmal gehört hatte.
Trotzdem hatte sie den Boden nicht verloren, sah nicht auf den kleinbürgerlichen Mief ihres Elternhauses hinab, benahm sich wie immer, kein bisschen affektiert.
Und auch wenn Robert sie in eine Pizzeria einlud, sie blieb Maja, Maja Busse.
Robert hingegen, und das machte Vater Busse etwas stolz und versöhnte ihn mit dem Siebzehnjährigen, fühlte sich allem Anschein nach bei den Busses wohl. Wenn er zu Maja kam, brachte er in der Regel einen kleinen Blumenstrauß für ihre Mutter mit, den er ihr mit einer besonderen Geste überreichte, bevor sie in Majas Zimmer verschwanden. Dort verbrachten sie mehrere Stunden, hörten Musik und schmusten, ohne dass etwas passierte, da war Frau Busse sich sicher.
Wenn sie in den Garten gingen, war Robert fast regelmäßig dabei.
Anfangs hatte sich Busse dagegen gestemmt, doch als Maja daraufhin jegliche Lust auf den Garten verloren hatte und andere Orte bevorzugte, gab er sich geschlagen und gestattete, dass Robert regelmäßig in der Laube war.
Nach und nach gewöhnte er sich so sehr an seine Gegenwart, dass ihm etwas fehlte, wenn Maja alleine, ohne Robert in der Laube war.
„Ist etwas passiert? Habt ihr euch etwa gestritten?“, fragte er dann besorgt und war erst zufrieden, wenn Maja lachte, ihm um den Hals fiel und „er muss noch für die Schule lernen. Er schreibt morgen eine Klausur“, antwortete.
Wenn er aber da war, arbeiteten sie erst ein wenig. Es gab immer etwas zu tun, den Rasen zu mähen, Unkraut zu jäten, Bäume und Büsche zu beschneiden oder Laub zu harken.
Und wenn die Arbeit beendet war, gab es Kaffee und Kuchen. Man saß in der späten Nachmittagssonne, vor sich ein Stück Obstkuchen und eine dampfende Tasse Kaffee. Maja und Robert, nebeneinander auf der Bank, sahen sich von Zeit zu Zeit verliebt an, hielten sich auch mal unter dem Tisch die Hände, bis Maja aufsprang,
„Wir gehen noch ein bisschen schwimmen!“, verkündete, in der Laube verschwand und im Bikini zurückkehrte.
Hand in Hand liefen sie die wenigen Meter bis zum Ufer des Kiesteiches, schwammen um die Wette bis zu einer der kleinen Inseln, blieben dort, lagen nebeneinander, küssten