Completely - Gesamtausgabe. Mej Dark
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Der Eingang der Behausung war mit einer angelehnten Brettertür notdürftig verschlossen. Manche der hölzernen Streben hatten das Alter nicht mehr ertragen. Sie waren heraus gefault, sodass man die dahinter herab hängenden Büffelfelle sah. Beim Öffnen der Pforte wehte der Wind diese hin und her. Das war wahrlich ein Vorhang aus dem letzten Jahrhundert. Ich schob ihn zur Seite und kämpfte mich durch das streng müffelnde Hindernis.
Zuerst konnten meine Augen nur Dunkelheit wahrnehmen. Aber langsam lernten sie, im schwachen Licht Hochleistungen zu erbringen. Fenster gab es nicht. Solche Errungenschaften der Architektur hatte mein Urgroßvater für sich noch nicht erfunden. Dafür umso mehr das urzeitliche Trommeln. Die gruselige Musik erscholl so laut, als wollte man mit ihr ein großes dämonisches Publikum unterhalten. An einem offenen Feuer saß ein splitternackter verschwitzter Mann mit einer gehörnten Maske auf dem Kopf. Wild trommelte er auf sein mit Muscheln verziertes Instrument und jaulte wolfshaft in einer merkwürdigen Sprache rhythmisch dazu. Es klang insgesamt, als heulte ein frisch kastrierter Rüde vor Schmerz.
Da sein Körper so vital wie der eines Vierzigjährigen wirkte, konnte der Mann nicht mein Urgroßvater sein. Vielleicht hatte der noch einen Sohn oder Enkel, von dem ich bisher nichts wusste.
Der Sänger war vollkommen in Trance gefallen. Von mir merkte er ungefähr so viel, wie ich von den Geistern. Zwar bezweifelte ich, dass hier die Anstandsregeln von Manhattan galten, trotzdem wollte ich den Fremden nicht aus seiner Beschwörung reißen. Darum setzte ich mich wortlos in eine Ecke.
Es wurde ein fröstelndes Warten. Leider erwärmte das Feuer kaum meine Lagerstelle. Von überall zog es durch die schlecht mit Moos verstopften Ritzen zwischen den Balken. Schließlich deckte ich mich mit einem Bärenfell zu und schlief sofort ein. …
Energisches Gerede drang in mein Bewusstsein und ließ mich langsam erwachen. Benommen lauschte ich.
„Ich brauche mehr von deiner Wundermedizin, Schamane! Der Präsident hat mir telegrafiert, sein Sohn sei erneut schwer erkrankt“, hörte ich eine tiefe Stimme.
Ich lugte vorsichtig unter dem buschigen Fell hervor. Ein kräftiger Mönch in den besten Jahren hatte den nackten Sänger an einem Maskenhorn gepackt und schüttelte dieses bedrohlich.
Der Schamane blieb äußerlich vollkommen ruhig. „Auch der Präsident erhält das Mittel nur, wenn er persönlich zu mir kommt. Schreib ihm das. Die Heilung seines Sohnes beruhte nicht auf deinen Wunderkräften, sondern auf meiner Medizin!“
„Wie stehe ich denn da? Das geht gar nicht! Seine Gemahlin vertraut mir und jetzt auch ihr Mann. Es wäre geradezu dumm, ein langfristiges Geschäft durch vorschnelle Aufklärung zu zerstören!“
„Schreib die Wahrheit!“, erwiderte der Bedrängte hartnäckig. „Und lass endlich mein Horn in Ruhe! Ich habe es gerade mit starkem Insektengift eingerieben, damit es nicht zerfressen wird. Das kann auch dich töten.“
Erschrocken ließ der Angreifer los und rieb die Handflächen eilig an seiner groben Priesterrobe ab. Danach kratzte er sie und schaute die Innenseiten schockiert an. „Die sind ja ganz rot! Hilf mir!“
„Wasch dir die Hände lieber schnell im Fluss!“
„Erst nach dem Geschäft!“ Der Priester zog einen dicken Geldbeutel hervor und warf diesen dem Hausherrn zu. Der fing die klappernden Münzen geschickt. „Das ist für dein Schweigen! Dafür erzählst du niemandem, dass die Medizin von dir stammt!“
„Ich lüge niemals! Sonst verlöre ich die Kraft über die Geister.“ Der Mann blieb standhaft.
Grübelnd lag ich unter dem Fell und überlegte, wer dieser Hausherr sein könnte. Vielleicht bewohnte mein Urgroßvater längst den Sarg und ein Enkel war jetzt der neue Schamane? Der vom Mönch Bedrohte konnte keinesfalls hundert Jahre alt sein.
Sein Widersacher schüttelte wie ein Stier den Kopf, sodass dessen langen Haare hin und her stoben. Wut ließ ihn beben. „Was soll das? Jeder lügt doch. Ich habe mein Leben lang gelogen und bin immer gut damit gefahren. Gerade jetzt läuft alles bestens! Von dem vielen Geld kannst du dir einen Palast anstelle der alten Hütte hier bauen.“
Doch offensichtlich interessierten den Schamanen das Gold nicht.
Als der falsche Wunderarzt merkte, dass seine Strategie nicht aufging, machte er einen weiteren Vorschlag: „Jetzt kommt mein letztes Angebot! Du bekommst zusätzlich noch zehn Prozent von meinem Gewinn, dauerhaft. Ich habe die Mrs. Präsident schon in der Tasche. Wenn ich ihren Sohn für immer heile, herrsche ich bald über ganz Amerika!“
„Ich bezweifle, dass das einen Nutzen bringt“, höhnte der Schamane. „Außerdem hast du die Medizin einer Kranken gestohlen und ohne mein Wissen verwendet. Dieser und nicht dir hatte ich sie verordnet. Das Geld steht mir somit als Ausgleich ohnehin zu!“
Der Hausherr hielt den Beutel fester. Dabei wirkte er nun doch durchaus gierig und verlor für mich einige Sympathiepunkte.
„Du Tattergreis lebst schon ein Jahrhundert und verstehst das nicht“, erwiderte der Priester frech. „Ich liebe die Salons, den Whisky, die Frauen … Das kostet nun einmal etwas!“
Der Mann sollte über hundert Jahre alt sein? Dann musste es doch mein Urgroßvater sein. Wie war das möglich? Bestimmt gab es dafür eine wissenschaftliche Erklärung … ganz sicher. Fleisch und Fisch blieben ja auch in der Kälte länger frisch. Vielleicht konservierte die Bergluft hier Menschen.
„Alter, bist du jetzt einverstanden?“, hakte der Besucher nach.
„Nenn mich nicht Alter! Ravenhort, du hast mich schon einmal hintergangen und ich vertraue dir nicht. Schreib einfach die Wahrheit an den Präsidenten!“
„Dessen Sohn stirbt ohne die Medizin!“ Der Mönch setzte auf Mitleid.
„Schreib dem Präsidenten!“ Murmelte mein sportlicher Urgroßvater.
Ravenhort hob die Faust und drohte.
„Wehe dir, ich kann auch anders! Was wird die Kirche dazu sagen, dass du nicht alterst? Du musst schon weit über hundert sein und siehst jünger aus als ich. Das ist wider Gottes Schöpfung! Man wird dich für diese Hexerei hängen, wenn ich es an der richtigen Stelle erzähle!“
Jetzt hatte ich keine Zweifel mehr. Dieser nackte Medizinmann war doch mein Urgroßvater. Was für eine Sensation. Mir blieb die Spucke weg. Scheinbar boten die Black Hills doch einige Überraschungen.„Pass du lieber vor mir auf!“, drohte der Schamane seinerseits.
„Was willst du denn machen? Ich glaube nicht an deinen Hokuspokus, der hat auf mich keine Wirkung!“
„An die Medizin glaubst du aber schon?“, schlug ihn der junge Alte mit Logik. Er erhob sich zur vollen Größe und nahm seine Maske ab. Ein etwa fünfzigjähriges Gesicht tauchte auf.
Ich betrachtete seinen Körper genauer. Mein Urgroßvater war deutlich kleiner als ich, recht schmutzig und ohne jegliche Kleidung. Das, was da zwischen seinen Beinen hing, war beschämend, außerdem viel zu lang und dick. Ihn schien die unanständige Blöße aber keineswegs zu stören. Auch Ravenhort war das wohl gewohnt.
„Nicht deine Wunderkraft heilt den Jungen, sondern meine Medizin“, beharrte mein Verwandter.
„Ist das dein letztes Wort?“, fragte der aufgebrachte Besuch und schob drohend seinen Oberkörper