Lächeln. »Willst du sehen, wieso mein Vater sich Sorgen um den Inhalt macht?« »Es sollten Edelsteine darin sein.« Alison winkte Niko zu sich an einen Tisch und deutete ihm Platz zu nehmen. Nachdem sie die Kombination am Zahlenschloss eingegeben hatte, drehte sie den Koffer zu Niko und öffnete den Deckel. Nikos Augen wurden groß, als er den Inhalt sah. Vor ihm leuchteten unterschiedliche Edelsteine in verschiedensten Farben, sorgfältig in weichen, schwarzen Samt eingebettet. Sie waren in Formen geschliffen, von kugelrund, oval, quadratisch bis zur Form eines Tropfen. Außerdem lag ein unbearbeitetes Goldnugget im Koffer, welches mindestens fünf Zentimeter lang und bis zu zwei Zentimeter breit war. Daneben glänzte eine Silberplatte in Form eine Scheckkarte, die knapp einen Zentimeter dick war. Ich habe wenig Ahnung von den Steinen, aber alleine das Gold und Silber sind schon eine ordentliche Summe wert, staunte Niko. »Meine Familie ist seit Jahrhunderten im Abbau und Handel von Edelmetallen und Edelsteinen tätig. Gold gibt es in Schottland nicht sehr viel, bei Silber sieht es noch schlechter aus. Aber Edelsteine wie diese hier kann man auch heutzutage noch in Schottland finden. Wir handeln auch mit den bekannten Edelsteinen wie Diamanten, Rubinen und so weiter. Aber diese hier sind schottischen Ursprungs.« Zuerst zeigte sie ihm zwei zu Kugeln geschliffene violette Edelsteine. »Diese Edelsteine kennst du vielleicht. Amethysten findet man in Europa relativ häufig. Selbst in Österreich gibt es eine besonders große Ader.« Sie deutete auf einen dunkelblauen Stein in ovaler Form und erklärte Niko, dass es sich um einen Azurit handelte. »Dem Azurit wird nachgesagt, er soll die Konzentrationsfähigkeit und die geistige Aufnahmebereitschaft fördern. Er gilt als Stein der Erkenntnis und des geistigen Wachstums.« Als Nächstes hob sie einen ovalen, grün glänzenden Edelstein heraus. Er war perfekt geschliffen, die unzähligen kleinen Flächen spiegelten das Licht und gaben ihm den Anschein, zu leuchten. »Ein Demantoid, ursprünglich aus Russland. Der berühmte Juwelier Peter Carl Fabergé hat diese Steine gerne für seine weltbekannten Fabergé-Eier benutzt.« Fabergé-Eier? Dann sind diese Edelsteine sicherlich ebenfalls ziemlich teuer. Der Wert dieses Koffers steigt und steigt. »Besonders schön finde ich diese zwei Steine.« Sie nahm zwei gelbliche Edelsteine hervor und reichte einen Niko. Beide hatten die Form eines Quadrats mit abgerundeten Ecken, die Unterseite lief zu einer abgerundeten Spitze zusammen. »Dieser Citrin wurde mit achtundfünfzig Facetten geschliffen, was eine hohe Lichtstreuung bietet und das Gelb deutlich zur Geltung bringt. Diese außergewöhnlich dunklen Edelsteine haben zwanzig Karat, der Wert liegt bei ungefähr dreihundert Euro.« »Und dein Job ist was genau?«, warf Niko ein. »Ich suche Abnehmer, Juweliere, die selbst Schmuckstücke herstellen und manchmal auch Großhändler auf. Es klingt nicht sehr interessant, aber ich komme viel in Europa herum.« Vielleicht sollte ich ihr meine kleine Edelsteinsammlung daheim zeigen. Wobei, von meinem kleinem Depot an Diamanten weiß niemand und das soll auch so bleiben. »Warum sprichst du so gut Deutsch?« »Ich habe nach der Schule in Wien studiert.« Die Kabinentür wurde geschlossen und Niko nahm Platz. Alison setzte sich ihm gegenüber. »Mein Vater hat darauf bestanden, also habe ich meinen persönlichen Bodyguard für den Trip nach Schottland. Mach es dir gemütlich.« Hatte die Erwähnung von Schottland schon Erinnerungen wachgerufen, sorgte die Aussage der jungen Frau für sehr detaillierte Bilder in Nikos Kopf. Er machte es sich in dem breiten, lederbezogenen Sitz bequem und schloss die Augen. Seine Musikbibliothek hatte Niko vor der Abreise auf den neuesten Stand gebracht, weshalb sich viele Songs auf dem Handy befanden, die ihn an seine Vergangenheit erinnerten. Während Carl Peyer die erste Strophe von »Romeo und Julia« sang, reiste er gedanklich zurück in seine Schulzeit. Genauer in den kalten Jänner des Jahres 1993. Es is scho so lang, es is scho so lang her, mia woan no Kinder oda doch scho mehr, so verliebt, dass des nur amoi gibt Des erste grosse Wunder, so spannend und so nei, voller Angst und voller Hoffnung, so gfangen und so frei, mia woan jung, unbesiegboa jung
Jänner 1993
Es war der erste Schultag nach den Weihnachtsferien. Niko stapfte durch den zentimeterhohen Schnee über den Schulhof zu der Gruppe Jugendlicher, die vor dem Tor ins Gebäude standen. Seine Schulkameraden waren gerade dabei, über ihre Ferienerlebnisse zu erzählen. Nikos Schilderung fiel kurz und unspektakulär aus.
»Wir sind in Wien geblieben. Keiner von uns fährt Schi und ich bin sowieso mehr der Sommertyp.«
Während er sich Geschichten von Tiefschneefahrten in Tirol und Aprés-Ski Diskotheken anhörte, schweifte sein Blick immer wieder über die eintreffenden Schüler. Da er nach einem bestimmten Mädchen Ausschau hielt, fiel ihm nicht auf, wie jemand näher kam und ihn unsanft rempelte.
»Na, hast du schöne Ferien gehabt, daheim?« Die herablassende Stimme gehörte zu Mathias, mit dem Niko schon immer seine Probleme hatte. Wenn es nach den Gerüchten in der Schule ging, störte es den Sohn einer bekannten Politikerfamilie, dass sich Niko mit einem Mädchen so gut verstand, welches er selbst näher kennenlernen wollte.
»Ich brauche keine großen Reisen, um schöne Ferien zu haben. Zieh ab!«, fauchte Niko ihn an. Beim Eingang zum Schulareal konnte er endlich eine bekannte Gestalt entdecken. Dick eingehüllt in eine weiße Daunenjacke kam das großgewachsene Mädchen auf ihn zu. Als sie ihre Kapuze abnahm, kamen ihre rotbraunen Haare zum Vorschein. Die dichten Locken fielen umso mehr auf, da sie einen sehr blassen Teint hatte. Neben ihren Haaren fiel ihr breiter Mund auf, mit auffällig roten Lippen. Diese Lippen warfen beim Näherkommen der Gruppe ein Lächeln zu.
»Hallo, Julia!«, begrüßte Niko die junge Frau und kam ihr entgegen.
Einige aus der Gruppe grinsten. Es war ein offenes Geheimnis, dass Niko über beide Ohren in das Mädchen verknallt war. Obwohl auch einige ihrer Freundinnen Andeutungen gemacht hatten, dass Julia ihn sehr gern hatte, waren beide zu schüchtern und wollten ihre Freundschaft nicht riskieren.
Julia umarmte Niko und drückte ihm einen Schmatzer auf die Wangen. Niko durchfuhr ein wohliger Schauer, als er ihre Lippen spürte. Gleichzeitig war er bemüht, sich vor seinen Freunden nichts anmerken zu lassen. Rot wurde er trotzdem.
»Ich habe dir so viel zu erzählen. Die Woche in der Schweiz war traumhaft. So viel Schnee, das Essen, jeden Tag Schifahren. Am liebsten wäre ich dort geblieben.«
Sie winkte in die Runde.
»Aber ganz ehrlich, diesen Haufen hier würde ich schon sehr vermissen.«
Julia legte den Arm um Niko und zog ihn zu sich.
»Besonders dich, Niko.«
Er spürte, wie sein Gesicht glühte, wollte etwas antworten, doch ihm fiel nichts Intelligentes ein.
Zwei Schulstunden später waren die Weihnachtsferien schon wieder vergessen. Die gesamte Gruppe war in der Pause im Freien versammelt.
»Ich würde gern in den neuen Film mit Kevin Costner, Bodyguard«, meinte Julia, erntete aber nur ablehnende Blicke.
»Herz, Schmerz, Bussi, Bussi. Nein danke, das ist mir zu langweilig.«
»Das ist doch nur so eine Liebesschnulze.«
»Ja, aber mit Kevin Coster!« Julia wandte sich an Niko.
»Hättest du vielleicht Lust? Ich weiß, es ist nicht ganz dein ...«
»Ja gerne, warum nicht?«, antwortete er sofort.
»Dann haben wir heute Abend ein Date.«
Niko versuchte ruhig und gelassen zu wirken. Aber innerlich stieg seine Nervosität, sein Bauch zog sich zusammen. Ein echtes Date mit seiner großen Flamme, endlich einmal nur zu zweit. Das konnte nur ein schöner Abend werden.
»Und was ist mit unserem Spieleabend?«, warf Daniel ein. Er wohnte im gegenüberliegenden Haus von Niko, zusammen verbrachten sie viele Nachmittage vor ihren Amiga Computern. Da Daniel kein großes Interesse an Mädchen zeigte,