Das gottgelobte Herz. Erwin Guido Kolbenheyer

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Das gottgelobte Herz - Erwin Guido Kolbenheyer

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der Heiligen auch fleißig das Wunder Gottes vorgehalten, durch das sie hat heilig werden dürfen: wie sie der Drache verschlungen hat, wie dem Drachen mit Gottes Hilfe der Bauch geplatzt ist, daß die heilige Margaret als wie ein Kindlein wieder hervorgegangen ist. Die arme Agnes-Mutter muß leiden. Daß Gott bald an ihr lasse die gleiche Gnad geschehen, wie sie an dem Drachen und der heiligen Margaret geschehen ist!

      Sie steht in dem finsteren Gang und horcht. Es geht wieder eine Tür, vielleicht sind es die Frauen. Margaret weiß nicht, was sie soll. Die Glocken lassen sie nicht in ihre Bettlade zurück. Sie hört die Mutter, und es fällt ihr der Vater ein. Der Brand hat ihn sicher aufgejagt, und er kann nicht lang auf den Knien und dort bei der Freundschaft liegen und für Werde beten, das brennt. Er sieht den Schein, und dann hält ihn nichts mehr. Vielleicht reitet er schon, und die Höchstätter haben ihn aus dem Tor gelassen, weil er ein Ebner ist und man ihn kennt. Und der Vater sieht nur das Feuer, wüßt’ er erst von der Mutter!

      Vor Wochen zwei oder vier ist er fort, selber im Geleit seiner Frachtwagen; es ist ein großes Gut gewesen. Er muß den Gleven des Kaisers, die waren im Anritt, gerad noch entkommen sein. Und jetzt sitzt er Tag um Tag in Hochstätt. Wär nicht der Roßbub als ein heimlicher Bot niederseit der Burg durchs Kaibachpförtl eingeschlichen, sie wüßten nichts vom Vater.

      Da er mit dem Wagenzug fort ist, hat er geschworen, es müsse ein Bub werden, und die Agnes-Mutter möcht Zusehen. So es kein Bub sei, wäre ihm das Leben leid und all die Mühsal. Das Geschlecht sei im Niedergang, die Ebner zu Werde!

      Er ist hinaus, und es war kein Trost in ihm. Des Kaisers Span mit dem Herren Rudolf waren offenkundig, das Geleit bei den Wagen ungewiß und gering, kaum einer hat mitwollen. Die Margaret hört den Vater noch über die Stiege hinunterstapfen und die Sporen klirren. Die Mutter ist niedergesessen und hat die Hände kreuzweis über den Leib gelegt. Sie hat ohne einen Laut vor sich gesehen, nur ihre Lippen sind unter einem Gebet gegangen. Das könnte Margaret in aller Dunkelheit greifen wie ein leibhaftiges Bild, so deutlich ist es ihr geblieben.

      Sie wimmert leise vor Ratlosigkeit und möchte zur Mutter. Sie darf nicht hin, das darf nur die Alheid, die darf zu der Agnes-Mutter und helfen. Sie haben gesagt, weil die Natur in der Alheid schon erwachsen sei. Margret wittert, was sie meinen. Soll sie nun bleiben, auf dem Gang, in der stockfinsteren Nacht? Oder soll sie zurück in die Bettlade und unter ihren Kolter, den sie mit hinaufnehmen hat dürfen. Alle denken, daß sie im Bett sei, und wollen weiter keine Sorge um sie tragen. Und die Glocken läuten kein Feuer. Sie läuten den Männern; sie hört die Männer von der Kammer her, wo das Fenster offensteht. Wärs Feuersnot, sie hätten sie längst geholt. Sie tastet leise an der Wand zurück, dann aber wendet sie sich doch von der Kammer und hockt auf der Stiege nieder. Sie lehnt sich matt an die Mauer und will nur aufpassen. Sie hört die Mutter. Von unten aus der Küche bringen sie etwas. Die alte Trugenhovin hat gestern in der Tür zu der geschworenen Frau gesagt, sie wüßte schon eine Hilfe, aber die sei nur für eine Hochgeborene, und da möchte die Ebnerin doch zu gering sein: den Löffel und den Gürtel der heiligen Elisabeth. Dazu wäre aber auch die Zeit nicht mehr, so oder so, es müsse bald dahingehen. Die geschworene Frau hat geantwortet, Myrrhen sei in ihrem Lädlein, die wolle sie geben, gestoßen und in Wein. Da ist sie von der Trugenhovin im Türwinkel gesehen worden.

      „Was solls mit dir, Gretle? Siech zuo, daß es ein Büeble sije. Din Muotterle hat dich Gott gelobet an, daß es ein Büeble sollt sin, du Worm in diner Ohnmacht!“

      Die alte Trugenhovin hat eine Nase wie ein Vogel und sie stößt den Atem bös aus und tut giftig, und dann ist es in ihr, als lache sie hinter den klemmen Lippen in sich hinein. Die soll nur spotten! Margret weiß, daß sie angelobt ist. Und so gering ist keiner, daß er nicht zu der Heiligen Elisabeth fänd! Und wenn nur eine hochgeborene Frau zu dem Löffel der heiligen Elisabeth kommen soll, dann will sie es dem lieben Herrn Jesus selber anmuten, der über allen ist, hoch und gering. Sie will Zusehen, daß es ein Büeble sei, auch ohne die alte Trugenhovin. Der heilig Ulrich muß ihr beistehen, denn sie ist angelobt; er wird es vor den Herrn Jesus bringen, noch in dieser Stund, er ist der nächste Heilige in Werde.

      Das ist der Entschluß, auf den sie angespannt war. Sie schleicht selbstgewiß die Stiege hinunter, an der armen Agnes-Mutter vorbei, zu der sie nicht darf, weil die Alheid schon zu der „Natur“ gekommen ist und sie noch nicht. Schrei nit, nu soll dir geholfen sin!

      Sie huscht über die Warendiele, die jetzt fast leer liegt, aber noch nach den Gütern duftet, zieht das Tor auf, das der Frauen wegen nicht verriegelt ist. Da überfällt sie erst das Geläute und der Lärm. Sie will schräg über den Markt zum Einlaß auf den Kirchhof und in die Kirche springen, aber die rennenden Männer scheuchen sie eine Weile zurück.

      Die laufen von den Färbern und der Münz herauf über den Markt gegen den Bäckenberg zu, scheppern in der Wehr, halten den Spieß quer, die Armbrust, die Axt, den Kolben, etliche auch ein Schwert, und sie erkennt keinen unter den Sturmhauben, trotzdem die Nacht hell ist, nicht nur von dem Feuer. Es brennen die Körbe an den Ecken, auch an dem Ebnerhaus hängt einer, und das Pech tropft und flackert durch die Luft nieder aus dem Feuerkorb wie fallende Zungen. Da hält einer im Lauf vor ihr.

      „Gang ins Hus, Gretle! Was willtu unter dem Gelöff! Gang in!“

      Das war des Barwich-Ohm Stimme, der ist der Ammann und darf in Kriegsläuften allen befehlen, wohin sie sollen, auch dem Burgvogt des Pfalzgrafen Rudolf. Der Herr Ohm hat den Arm aufgehoben, und sein Schwert gleißt unter dem rotbrennenden Pech. Er winkt zwei Fuhren zu, die Wurfsteine den Markt herauf führen:

      „Uff die Bäcken abe! Sie stürment die Bürg!“

      Dann ist auch er unter den anderen und im Schatten verschwunden. Es folgen nur wenig mehr, der Barwich-Ohm muß die Männer von der Riedseiten zurückgetrieben haben. Sie müssen alle auf die Mangoldburg, die wird gestürmt, und die Glocken hallen es aus.

      Jetzt kann auch sie tun, was sie vorhat, aber ehe sie hinüberläuft, tritt sie noch schnell ein Feuerlein aus, das niedergetropft war, sorgsam, als könne sie damit den großen Brand stillen, der hinter ihr im Ried und vor ihr über dem Mangoldstein tobt, den Brand des Elements und den der Zwietracht.

      Sie geht gegen den Kirchhof zu. Vor den Toten hat Margret keine Furcht. Sie hat schon viele gesehen. Sie weiß, daß die meisten arm und schwach sind und der Lebendigen bedürfen. Denn selber können sie nicht mehr beten, das ist mit der Stunde des Absterbens vorbei, und die arme Seel kann sich kein Seelgerät mehr schaffen, sie ist an ihren Ort gekommen.

      Margret geht sehr gesammelt durch die Mauerpforte und zwischen den Gräbern hindurch. Beim Sankt Ulrich in der Kirch ist es hell, und sie möchte fast nicht, daß es so hell sei: viel Kerzen, viel Anliegen: er wird nicht alles auf einmal können. Ein Haufen Leute knien beim Altar. Sie hatte es sich einsam und allein mit dem heiligen Bischof erhofft. Die Glocken gehen so stark über sie hin und läuten eine Decke zwischen Himmel und Erde. Die Kerzen blinzeln auf den Opferstöcken und lenken den Heiligen ab. Und die Knieenden da vorn fangen ihr alle Gnaden weg.

      Das darf nicht geschehen, die Agnes-Mutter hats eiliger als alle die, und das Kind soll schnell kommen. Sie nimmt den ganzen Mut zusammen und zwängt ihre zehn jungen Jahre durch die Menschen hindurch ganz vor an den Altar. Eine große Verantwortung ist ihr aufgeladen in dieser Stunde.

      Und vor dem Altar hallt das Geläute zusammen, als ließen sich Engel mit weichem Fittichschlag hernieder; Margret spürt es tief ins innerste Herz hinein. Als wenn ein Schwarm Tauben auf das Erdreich kommt. Staub und Spreu weht zur Seite, und nur, was ein Gewicht hat, bleibt. So ist es. Und ein Büeble muoß es sin, heiliger Ulrich. Ruof als ouch die heilig Margret herzuo, heiliger Ulrich, und helfet der Agnes-Mutter mit ürer Bitt vor unserm lieben Herrn Jesus! Der ist als ouch in der Krippen glegen und hät der Welt Sünd und Marter genommen an. „Min Agnesmuotter hät mich dir globet an, und min Vater reit’ uf Werde zuo

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