Das gottgelobte Herz. Erwin Guido Kolbenheyer

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Das gottgelobte Herz - Erwin Guido Kolbenheyer

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je näher, je bänger. Und an dem, was im Rücken der Reiter lag, wären Haken genug gewesen, flatternde Erinnerungsfetzen zu verfangen: Mailand, dorthin gehörte er von Rechts und Geschäfts wegen für etliche Wochen. Dann der gute alte Zorn auf Venedig! Er holte ihn nach und nach ein, denn er versuchte, einer der ersten, den stracken Weg nach Mailand, fand neuen Handel und Wandel und kochte der steuersüchtigen, hochnäsigen Lagunensignoria einen dicken Ärger ein, weil dem Ebner auch schon andere Kaufleute folgten – aber die Himmelsröte vor ihnen gewann es heftiger über ihn und immer lebendiger die Sorge um seine Hauswirtin, die er kindsschwer zurückgelassen hatte. Da schwieg all das andere.

      Sein Augenblicksplan – gewiß eines Ebner wert und freudig ausgedacht, hinterdrein auch ein Aufsehen, keine geringe Probe auch: versteckt unter dem Gerenne und gleichsam stürmender Hand in die eigene Stadt einbrechen zu wollen! Einbrechen. Er wußte, daß der König keinen Spott davontragen durfte, und Werde, die Stadt, war nicht fest genug. Die Brandrote – das war der Fall der Stadt! Konnten sich aber seine guten Mitbürger aussuchen, auf wen sie Steine und Bolzen niederließen? Ganz abgesehen davon, daß ihn keiner unter den Stürmenden erkennen durfte, überhaupt niemand, ehe er nicht unter seinem Haustor stand.

      Es wurde ihm eng unter dem verrosteten Ringgeflecht. Sporenstreich und hochgerissen! Heinrich, der Ebner, hats mit straffen Worten und einem hitzigen Ritt angesetzt. Manches war ihm gelungen, nur weil er sich selber vom Anbeginn in der Quetsche hatte. Er kannte das wie der Fuchs die Hühnersteige: sein Herz mußte inmitten der Fahrt gewonnen sein, wenn nichts mehr zu wenden war. Dann hielt er auch durch und gewann seinem eigenen Mut den Vorschuß wieder ab.

      So kaute und schluckte er an dem prallen Wagnis, auf das er losgaloppierte, und fand, je näher sein Ziel, je weniger Glück bei rückschweifenden Gedanken. Man hatte in den Scheppacher Pfühlen um diese nachtneblige Zeit allzu trefflich und von keiner Ehr- und Gewissensnot bemüßigt geruht. Nun wollte er also sehen, von da oben, von der Rüedlinger Höhe aus, wollte er sehen, schnell und beherzt. Das wollte er.

      Daß die Rüedlinger Huben vom Feind leer seien, konnte er nicht erwarten, wenn auch alles Volk vor die Mauern rannte, vielleicht schon in die Mauern drang. So ritten sie einen Bogen querein zum Fohlhof, und die heißen Pferde konnten den Hang Schritt für Schritt nehmen. Noch deckte der Wald den Ausblick, während sie langsam mit gelöschter Laterne auf Werde hinzottelten; aber sie erkannten durch Stämme und Äste die Brandstätten im Ried. Die Stadt selbst lag ohne Feuersbrunst in ihrer wachen Nacht, sie sahen die Schattenzähne der Türme und Giebel vor einem milderen Schein. Und da sie ober Rüedlingen am Waldrand hielten und eine sanftgesenkte Schweige die Heimat freigab, entschlüpfte dem Ebner doch das bebende Seufzerlein des Dankes. Demnach wird der König Werde nicht brennen. Nur die Rieder Fronfischer haben dran glauben müssen. Torheit wärs auch gewesen, die Stadt zu brennen, die goldene Brückenpforte des weiten Landes diesseits und jenseits Werde mußte gewonnen sein, nicht gebrannt.

      Heinrich, der Ebner, setzte den Eisenhut auf – es wäre noch Zeit gewesen, aber der Eisenhut drückte die Mütze fest an die Ohren: Sicherheit, Gegendruck. Nun galt es.

      Das Kaibachpförtl lag auf der Mitternachtseite im Rücken der Stadt. Dort lag auch die Burg, und über der Burg lag hellerer Schein. Der Schellenberg jenseits des Kaibachs, höher als Burg und Stadt, das war der Ort für das Gewerfe des Königs, und von dort mußten sie hinan. Wer den Mangoldstein hat, hat die Stadt. Sein Plan blieb gut. War das Kaibachpförtl nicht zu gewinnen, so lag vielleicht schon eine Bresche offen. Vom Ried aus berannten sie die Stadt nicht, Werde stünde längst in Lärm und Flammen. Auch das ließ den welterfahrenen Mann über die Absicht des Königs ruhiger werden. Auf der Burg im Rücken der Stadt lag der Vogt des Pfalzgrafen Rudolf. Der sollte getroffen sein und mochte getroffen bleiben.

      Sie preschten aus dem Wald, ritten um die Rüedlinger Zäune, in weitem Bogen um Werde und um das Königslager. Die Wörnitzfurt ober den Bleichen lag frei. Noch einmal waren die Pferde heiß geworden, sie stoben erregt durch das Wasser.

      Hinter den Burger Höfen, aus denen der Troß lärmte, saß er ab und gab seinen Hengst an die Hand. Der Junge sollte auf den Roßhof zuhalten und selber sehen, er aber schlich um die Ziegelgruben an den Kaibach und hinüber in den Wald. Da konnte er unbemerkt vorwärts.

      Sie hatten vom Steinbruch her eine Schneise geschlagen. Das Astwerk lag zu beiden Seiten, dabei halb zugehauene Stämme und, er merkte es an einem jähen Riß, benagelte Stämme, also für das Hochgewerf schon zugerichtet. Im Waldboden zogen die tiefen Rillen der Lastschleifen. Es hatte lange und ausgiebig geregnet. Er sank zuweilen bis ans Knie ein. Der Wald lag still. Etliche Dutzend Schritte vor dem Rand standen die Wagen im weiten Ring hintereinander.

      Der Ebner setzte den freien Hang hinunter in den Schatten der Wagen und duckte sich. Auch da in aller Nähe kein Laut mehr. Er schlich dicht hinzu, hielt sich an der gestrafften Kette zwischen zwei Wagen und starrte über den Bach hinüber. Es verschlug ihm doch den Atem: Werde, die Stadt … gedacht, erwartet, angesetzt tut das anders als gesehen … dort an der Burg- und Mauerbrust wirbelte, lärmte das Gerenne. Pechkränze auf langen Stangen, darunter huschende Fackeln. Aus den zertrümmerten Dächern der Burg quoll es dick und schwer, und der Wind trugs herüber. Leitern, die sich aufrechten, schwankten, anprellten, etliche wurden berannt und bogen sich und wippten unter der Last. Von oben her noch Schutt, dampfendes Wasser, Flammenbälle. Zwei „Katzen“ waren bis an den Fels vorgeschoben, dort legten sie Stufen, unter den Schutzdächern geborgen. Und dort aus der Nähe spielte auch noch das niedere Gewerfe, Steine, Pfeile. Nicht weit vor ihm streckte ein Tribock den langen Schleuderarm gegen die Burg. Er stand verlassen, Felstrümmer und Balken lagen daneben. Man fürchtete den eigenen Sturm zu treffen. Da stieg neben dem Mangoldturm von der Burgzinne her das Geschrei hoch. Leitern wuchsen aus dem Boden, taumelten von allen Seiten hinzu. Aus dem spitzen Turmdach brach die lichte Lohe. Dort hatten sie es.

      Der Ebner kroch unter der Kette weg, sprang zum Kaibachweiher hinunter, dessen Staudamm zerrissen war, und kauerte hinter einem Busch diesseits der Schlammulde. Sie hatten die Bresche geschlagen und sie drangen ein. Das schmale Burgnest mußte bald voll sein. Die zersplitterten Dächer gingen rotqualmend auf. Der Vogt des Pfalzgrafen hat immer zu wenig Leute gehabt, und der Sifried Barwich wird brav die Tore und Mauern der Stadt halten. Soll die Vogtburg fallen! Tut einer wohlbestellten Stadt die Vogtburg im Nacken gut? Werde, der Stadt, war sie längst zum Verdruß geworden. Vielleicht hat der König auch das bedacht. Wieder kein schlechtes Zeichen! Die Rieder Fronfischer haben brennen müssen, daß der Burgvogt hinters Licht geführt sei. Die Stürmer stießen und drängten einander vor und verschwanden. Demnach: sie fanden kaum Widerstand.

      Er versuchte durch den Schlamm und hinüber zu kommen. Die Sporen verfingen sich im Kalmus. Er schnallte ab und besann sich noch einmal. Drüben ein verglimmendes Feuer. Er rieb die Hände an einem Kohlenstück und wischte den Schweiß von Stirn und Wangen. Sein Schwert ließ er in der Scheide, aber einem Toten zog er im Aufspringen einen Sauspieß unter dem zertrümmerten Schädel hervor und lief unter den letzten an eine Leiter: Brüder, die es nicht eilig befunden hatten und dem Auge des Weibels entgangen waren. Zum Schätzen kamen sie hinterher immer noch recht, und in der Stadt gab es Seitenschluffe genug, durch die man vorwärts fand. Dann nicht beim Kleinen hängen bleiben, weiter und hübsch in die breiten Gassen! Hinauf also und acht auf die dreckigen Fersen vor der Nase! Da brach links neben dem Ebner eine Leiter. Fluchend, schreiend sanken die Männer, und von der Tiefe: Aufschlag, Brüllen und Ächzen. Es waren immerhin anderthalb Dutzend Ellen in die Höhe. Die vor ihm stutzten, auch seine Leiter bog sich, da die anderen nachdrängten. Das Herz stockte, und der Sauspieß glitt aus der Hand. Von unten schoben die Flüche mit. Es kam glücklich wieder in Gang, Bedachtsamkeit in allen Gliedern.

      Kein übles Ding, wieder auf festem Boden zu stehen! Aber die vorne mochten aufgehalten sein, man schob auf den Burghof, eine dicke Masse, Schritt für Schritt gegen das Innentor. Von den Dächern schlurften und sprangen glühend heiße Ziegel, und die wenigsten Leute hatten Schilde, sich zu decken. Man mußte durchkommen, ehe der Dachstuhl einbrach.

      Der

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