Das gottgelobte Herz. Erwin Guido Kolbenheyer

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Das gottgelobte Herz - Erwin Guido Kolbenheyer

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ist nur voll Sorge, denn von dem Kinde läßt der Frost nicht. Die Alheid ist noch da, sonst keine mehr, und die Alheid läuft mit der Ann, Kolter und Kissen Margaretleins herunterzuholen. Jetzt soll sie wieder daneben schlafen, denn das Büeble ist da, und die Agnes-Mutter schreit nicht mehr.

      Allein mit der Mutter, flüstert sie:

      „Der heilig Ulrich häts ton und die heilig Margaret … die hat din dicken Bouch zerrissen als dem Drachen sin Bouch, do ist das Büeble kummen.“

      Die Hand der Mutter streichelt über die schmale, heiße Stirn und die flammenden Augen. Die Augen der Mutter sind weit, sie ist im tiefsten Herzen erschrocken.

      „Bis still, Margret … bis still.“

      Margaret löst sich vom Bette, sie leidet es nicht, gestreichelt zu sein, auch nicht wenn sie vor Frost zittert. Sie schleicht auf den Zehen zur Wiege, wo es schläft, und sie sieht das kleine Runzelgesichtlein, das von feinem Linnen umfaltet ist; gemalte Heiligenbilder gegen die Freisen sind in das Linnen eingebunden. Und das Gesichtlein liegt in sich und seinen Schlaf vertieft. Sie nickt dazu, sie weiß ihr Teil daran und ists zufrieden. Scheu betrachtet die Mutter das unkindliche Gehaben.

      „Kumm, Margretle, Gretle, kumm.“

      Die Kleine winkt nur.

      Man bringt sie fiebernd und lallend ins Bett. Die alte Ann wäscht später den zarten glühenden Leib mit Essig und gibt den dürstenden Lippen Welschwein, darin Zitronensaft, Nägelin, Zimmt und Honig gesotten sind, dann – als Friede ins Haus gekommen ist und man eines Kranken warten kann.

      ***

      Heinrich, der Ebner, hat aus den noch flatternden Worten des Kindes abgefangen, daß es in dieser bewegten Nacht mit ihm gewesen sei. Dann folgt er eilig dem Ruf der Ratsglocke. Er muß ans untere Ende des Marktes.

      Der König war zunächst vor die Ratsstube geritten und hatte den Rat einläuten lassen. Heinrich, der Ebner, trat als der letzte in den Saal. Die Ratsverwandten machten runde Augen auf ihn, denn sie glaubten ihn zu Hochstätt.

      Es traf sich alles fast zufällig noch und ungefüge. Der König saß in der Brünne, und auf dem Ratstisch standen Krug und Becher, eine irdene Schüssel mit gesottenem Fleisch, ein Holzteller mit Käse und Brot. Der Koch war noch nicht zur Stelle, und es sollte der erste Hunger gestillt sein nach der rumorigen Nacht. Zwei Junker warteten ihm auf, Ministeriale und Ritterschaft standen dahinter.

      Er war ein Herr von blühendem Leib und gesunden Farben, das rostbraune, krulle Haar klebte ihm an den Schläfen, und in seinem Barte hingen etliche Perlen Weins. Er kam vorerst nicht zum Reden, musterte, mit vollen Backen kauend, die zwölf, in ihrer Mitte die drei Bürgermeister. Der Ammann Sifried von Auchseßheim, der Barwich, stand daneben, denn er war von Reichs wegen.

      Der König ließ sein linkes funkelndes Auge hin und wider blitzen. Es lag tief und hatte ein sonderbares Leben, weil das rechte nur stumpf seinen Bewegungen folgte. Wußte man, daß es blind war, ertrug man den geschärften Blick unter den Buschbrauen leichter. Ein Neuling wurde befangen. Der König mochte auch sonst von einer sonderlichen Lustigkeit sein, der nicht in allen Lagen zu trauen war. Und hätte es ihm nicht offensichtlich geschmeckt, dem Rate von Werde würde noch bänger geworden sein. Das Häuflein wagte sich gleichwohl, je länger, je ungewisser des Schicksals der Stadt, kaum zu regen. Denn den Magister Reinwardus, als er mit seinem besten Latein beginnen wollte, hatte der König niedergewinkt und damit alles schallende Mundwerk eingestellt. Aber nun schien der letzte Fleischbissen an das Messer gespießt, in Salz und Pfeffer getaucht, auch das letzte Brotstück eingeführt. Der König spreizte die Arme seitwärts auf den Tisch, leckte die Zähne hinter den Lippen, sog und schnalzte noch ein wenig nach. Er sah unter einer gekräuselten Stirn vor sich nieder, als sei er des ersten Wortes nicht schlüssig. Dann blinkte er auf.

      „Weller ist der Boumeister von euch?“

      Herr Sifried von Trugenhoven trat vor. Er war in jungen Jahren bei Hof gewesen und wußte seiner dürftigen Gestalt einen geübten Schwung zu geben.

      „Sifried von Trugenhoven“, erklärte der Barwich, da der König die höfische Verbeugung mit dem Erheben einer Hand bedankt und den Ammann fragend angesehen hatte.

      „Du mogist wohl den Schlüssel han, Trugenhoven?“

      „Üer küniglich Hochwirdigkeit, der Stadtschlüssel … denselbigen hät der Barwich genommen an, derwil Uer Gnaden unser Stadt stürment.“

      „Den gehr ich nüt meh. Du bist der Boumeister, mich dunket, du habest den Schlüssel, den ich will.“

      Die zittrigen Hände des Trugenhoven hasteten unter sein Wams, und er zog an einer langen Kette den Schlüssel hervor, mit dem der „Stein“ zu öffnen war. Im „Stein“ lagen neben den Briefen, dem Salbuch der Stadt und anderem wichtigen Pergament und neben dem Pitschiersiegel leider auch Silbergetriebenes zu festlichem Aufwand, zwei Beutel mit Goldfloren, venezianischen Dukaten und Solidi, ein stattlicher Haufen Mark Silberschmelze für die Münze, eine Masse Messing und, was am wehesten tat, drei Stangen lauteren Goldes. Sifried von Trugenhoven hatte brav zusammengehalten. Der Rat wollte das Rote Tor aufheben und das Kreuzkloster in die Mauern einziehen. Auch das Rathaus mußte neu erstellt werden. Alles war lange vorbedacht. Und wäre der alte Kasten nicht so wackelig gewesen, der König hätte das Stadtregiment anders empfangen. Planen, Bauen! Nun aber hatte der König den Schlüssel.

      Und er winkte nur, gab den Schlüssel einem Ritter, der ihn samt der eingerafften Kette etliche Male auf der flachen Hand tanzen ließ, ehe er ihn in die Tasche schob.

      „Ihr sullt wissen“, sagte der König, strich sich den Bart, merkte die Nässe des Weins, sah seine flache Hand an und wischte sie am Tischlaken trocken, „ich will diese Stadt Werde nicht lossen durchloufen mit dem Schwert schätzende – us Gnad. Allein Gnad ze lossen ohn aller Tugende, das könnte alleinig der allvermügend Gott. Ihr sullet meiner Gnad und großen Milde recht werdin gewahr und billig us euern Pfennigturn ustätigen, darin mein Gnad und Milde gefangen leit. Als hab ich den Schlüssel zuo dem Turn willig von euch empfahen und hofentlich. Doruf ich hoff, er möge gar eben und nicht gering sein, der Wucher in deme Pfennturn der Stadt Werde, und daß es glangt.“

      Das war eine über Erwarten lange Rede und so gepfeffert sie schmeckte, sehr gnädig. Darauf war nichts zu erwidern. Die Ehrsamen verneigten sich tief und hofften das gleiche wie der König, nur bangen Herzens, denn es lag eine schöne Sach in dem „Stein“. Gott helf zu Genügen!

      Der König stand auf.

      „Ammann, du gohst zu dem Abten uf das Kloster. Die Süllen einen Ufzug oder Prozeß stellen ufs höchst an Gwand, Gerät, daß es wohl seie, und sullen das heilig Kreuzholz mit ihn’n führen. Daß sie gewärtig sein in der kürzesten Frist! Es wird gläut’ mit allen Glocken. Der Abt und der Convent sullen kommen, wenn ich das Gläut befehl ufs würdigest und mit Singen. Gang!“ Sifried von Auchseßheim verschwand. „Der ehrbar Rat sull alsbald zu unserin Stuohl gon, ze obrist uf dem Markt, und unser wartin.“

      Er war ein Herr und stand auf strammen Beinen. Der Rat von Werde, obgleich es ihn durchfahren hatte, als des unschätzbaren Heiltums, das alle Welt begehrte, erwähnt wurde, verzog sich, so eilig es die tiefen Bücklinge zuließen, im innersten Herzenswinkel doch von Hoffnung und Freude durchzittert, daß dem König der „Stein“ fruchtbar genug dünke. Und sie fanden rücklings so treffend aus der Tür, als hätten sie ihre Augen sitzen, wohin der Lichtstrahl des Tages nur selten fällt.

      Der König Albrecht wartete auf die Truhe. Die Pferde standen vor den Ratsstufen. Nach seiner Einkleidung ließ er blasen, ließ

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