Das gottgelobte Herz. Erwin Guido Kolbenheyer

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Das gottgelobte Herz - Erwin Guido Kolbenheyer

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Mund ein wenig, und der Brust des Rüssel-Peter entringt sich ein tiefer Seufzer. Der Alte zuckt mit dem Zeigefinger gegen den Platz hin, ein wenig nur, und der Rüssel-Peter springt davon. Die anderen haben aufgehört zu flüstern, nun schwillt das Geschwüre wieder an.

      Die Schule nimmt ihren Fortgang. Die Donatisten mit den ersten Ansätzen des Abwandeins und Biegens, und später die Tabulisten, nur mehr im Paternoster und Credo erprobt. Aber endlich schlägt der Türmer eins in den Tag, und alle können in die helle Frühe. Mit Schlag drei sind sie auf Sankt Ulrich vor den Kantor bestellt, der ist des Magisters Feind, er führt die Stadtschule, dort dürfen sie schon ein wenig jücken, wo sie der Hafer sticht.

      Die Buben stürmen voraus. Margarete hat nur mehr die Tafel mit der Sentenz unter dem Arm. Sie geht wie immer als die letzte fort. Es hat aufgehört zu schneien, und alle Erwartung, daß es hell und weiß auf Weg und Dächern liege, ist unerfüllt. Sie zögert. Vor ihr geht Uta, die Vetterin, und die soll warten. Die Uta hat einen Mantel mit einem Saum, beinahe eine Spanne breit, und der Mantel ist an den Lenden gefältelt. Dagegen ist die baumwollene Gugel mit dem Lammsfutter nichts, und weil die Gugel nichts ist, muß die Uta in dem schönen Mantel, der wie neu aussieht, warten. Sie wird, denn ihr großer Bruder, der Matthies, das burgundisch Vetterle – so heißen sie ihn, weil er sehr höfisch ist – darf seit Mariä Himmelfahrt im Ebnerhaus aus und ein. Es ist wegen der Alheid. Und der Vater Ebner trifft mit dem Vater der Uta, dem alten Hans, dem Vetter von der Ilgen, zusammen. Sie wollen wegen der Aussteuer reden. Das hat Margaret herausbekommen. Es wäre aber auch noch der Konz von Katzenstein, ritterbürtig, da, und sie brauchten nicht auf den Mattthies zu spannen, wenn er auch ein Vetter von der Ilgen ist und nicht vom Panther. Die Vetter von Panther sind das mindere Geschlecht und nicht ratsmäßig. Die Alheid aber ist eine Ebnerin, und das muß gemerkt sein.

      So geht Margretlein verhalten und abwartend. Es ist der Familie wegen. Lieber ginge sie schnell, denn sie hat ihr Mus nicht mehr aufessen können. Wo es auf das Rote Tor einbiegt, bleibt die Uta stehen, und Margaret kann voran.

      Sie zotteln zunächst schweigend nebeneinander. Die Uta hat auch Handschuhe an und streicht mit der Rechten über die Mantelfalten hinunter, lupft den Saum ein wenig und wendet ihn. Sie spitzt hinauf zur Margaret und sagt:

      „Karmesin-Siden, die ist von miner Muotter ihrm Sorkett.“

      Margaret bekommt wieder ein weißes, hochmütiges Näschen.

      „Min Vater hat der Muotter dri Ellen Maramat mitbracht, der ist ein Siden mit gülden Fäden ingspunnen – vor Ärmel. Davor ist die Siden an dinem Mantel gring, als ein Rupfen.“

      So hat die Uta ihre Lehre. Sie sieht auch verstockt drein, denn ihr Vater, wiewohl ein Handelsherr und hochangesehen wie der Ebner, hat nichts mit Tuch zu tun; die Margaret ist ihr um hundert prachtvolle Namen und Kenntnisse voraus.

      Margaret fährt weiter im Text: „Die tragent jetzo ze Mailand Ärmel, die sänt mit Gluften ans Kleid gheft’t, wit unde lang, und hangent abe bis uf die Füeß, sänt als ouch gelappet und gefuderet mit Ormasin-Siden, etwan Camocato …“

      Uta reißt die Augen auf: unheimlich, was die weiß. Dann aber schlägt doch etwas aus den Vettern von der Ilgen durch, und sie wird rot. Ohne den Mantelkragen Margaretes eines Blickes zu würdigen, meint sie:

      „Din Gugel ist von dem schäffen Futter bockstif und ist als ein Glocken; so du inkummst, do müssent es all verbeißen, daß sie nit helluf lachent und der Alt merkets.“

      Die Uta erschrickt vor der eigenen spitzigen Stimme. So weit hat sie nicht vor wollen. Die Ebnerin wird losfahren, und gegen die Ebnerin kommt sie nicht auf. Aber Margaret senkt ihren Kopf tief nieder, sieht zu Boden, schließt fast die Augen und schweigt.

      Es ist ihr zugleich mit der Uta heiß aufgestiegen, als sei sie mit ihrem Reden sündfällig geworden. Sie hat nicht gelogen, und doch ist ihr bang vor Schuld. Die Worte der Uta treffen sie zurecht. Sie ist angelobt, und der heilige Martin, an dessen Kirchhof sie vorübergehen, will sie durch den Mund der Uta strafen. Ganz leise und demütig kommt es über ihre Lippen.

      „Ich wellt, sie lacheten öffentlich min.“

      Uta, die Vetterin, bleibt ratlos stehen. Sie war auf alles mögliche gefaßt gewesen, nur darauf nicht. Margarete bleibt sanft und leise.

      „Kumm, Uta, mich hüngert.“

      Uta geht, wie ihr geheißen ist, bestürzt, befangen, sie läuft einfach mit, sie ist nicht viel jünger als die Ebnerin, es ist ihr, als liefe sie neben der Priorin von Sankt Ursel, wohin sie beide ins Nähen und Sticken gehen.

      Das wissen schon viele: man kann mit der Ebnerin nicht gut allein sein. Sie sagt oder tut immer etwas, und man kann nichts dazu tun und möchte am liebsten entlaufen.

      Sie kommen zum Kirchhofeingang. Die Buben sind wieder über den Gräbern und suchen. Die beiden Mädchen springen die Stufen hinauf. Der Rüssel-Peter ist immer der wildeste, fährt dahin und dorthin und bringt alle durcheinander wie der Eber den Sauhaufen, wenn der Ecker schon ausgefressen ist und die Schweine noch einmal über ihn nachgetrieben werden. Wo etliche glauben, etwas blinken zu sehen, fährt der Rüssel-Peter dazwischen hinein.

      Nur wenig arme Seelen haben in diesem Jahr am Allerseelentag einen Heller auf ihr Grab geworfen. Der Umbreit hat einen gefunden, der Joß Schorp und der Ott Gogel, des Herrenfischers Ältester, der ihnen allen über ist, auch dem Rüssel-Peter. Mit dem Schorp sind sie alle zum Probstbäcken gezogen, und der hat drei Seelenzöpf für den Heller gegeben. Die Zöpf haben sie verteilt. Der Schorp ist ein guter Kerl, und nur der Hertlin hat nicht mitgegessen, obwohl er mitgezogen war. Und alle haben sie vergessen, für die Arme Seel zu beten, den Heller aber haben sie verzehrt. Das hat die Margret dem Hertlin zu verstehen gegeben, und der ist mit ihr nach Sankt Ulrich zurück, weil er ein Barwich ist und des Ammanns Sohn, und er hat mit ihr drei Paternoster gebetet, um den Seelenheller zu entgelten.

      Die Uta stößt sie in die Seite, denn der Rüssel-Peter geht schon wieder den Mengenwart an. Der ist heute zu gut weggekommen, und er, der Rüssel-Peter, hat die Hiebe einstecken müssen. Aber der Mengenwart ist ein geschmeidiges Büeble, er huscht hinter die beiden Mädchen, der Rüssel-Peter will zwischendurch. Die beiden haben einander schnell an den Händen gefaßt und halten ihn auf. Das Margretlein blickt den Rüssel-Peter zutraulich an, daß der Bengel stutzt, und der Mengenwart entkommt über die Staffeln.

      „Loß gähn …" flüstert Margret.

      Die andern Buben stehen dicht dabei. In dem Rüssel-Peter steigen Zorn und Schande hoch, denn er ist von den beiden Zärteldocken um seinen Willen an dem Mengenwart geprellt worden.

      „Nunnaschliefle! Schinbarlichs, heilichs Gluetwörmle!“

      Er steckt seine Fäuste in die Hosentaschen, zieht die Schultern hoch und trollt sich durch die anderen, knurrend und murrend, und bleibt dann abseits stehen, mit der Fußspitze im nassen Rasen wühlend.

      Margarete wendet sich langsam zurück, sie sieht die anderen nicht mehr an, auch Uta, die Vetterin, nicht, sie schleicht davon. Der Rüssel-Peter weiß nicht, daß sie an diesem Morgen alle seine Hiebe gespürt hat, als seien sie an ihr geschehen.

      Auf dem kurzen Weg hinüber ins Ebnerhaus verschluckt sie das Weinen und wird wieder leicht und froh. Was vorbei ist, ist dahin, und es ist doch alles so gut geworden, wie es hat werden können. Der Rüssel-Peter unter den Streichen hat endlich geschrien und ist von dem Mengenwart abgestanden. Etliches Speiwerk über sie hinterdrein – aber das fühlt sie kaum mehr. Und auch die Vetterin ist still geworden und mitgezogen. Und jetzt kommt das Müesle, die Ann wird es gewärmt haben, und Hertlin, das kleine Männle

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