Das gottgelobte Herz. Erwin Guido Kolbenheyer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das gottgelobte Herz - Erwin Guido Kolbenheyer страница 10

Das gottgelobte Herz - Erwin Guido Kolbenheyer

Скачать книгу

den Anruof, den Zuruof“, stößt es aus dem Ulrich durch, und er atmet auf.

      „Und der Anruof machet us dem Dominus ein’ – ?“

      „O domine", entfährt es licht.

      Der Magister nickt, er schwingt über alle aus: „Insgemein! Was bedüt’ O?“

      „Den Anruof, den Zuruof“, schreien alle.

      „Was machet der Anruof us deme Dominus? Insgemein!“

      „Domine“, schallt das Refectorium.

      Margarete ist sehr befriedigt, der Mengenwart ist gut davon gekommen. Sie hat inzwischen ihrer Tafel die Sentenz einverleibt. Die Donatisten stehen die Köpfe zusammen und beraten darüber.

       Ubi plures sunt opes, plures sunt cosumunt eas.

      Im Rat der Donatisten hört man Margaretes Stimme willig. Aber sie werden nicht klug, denn „sunt“ und „consumunt“ sind zwei Tätigkeiten auf einmal und in einem Satz, und daß kein Wort zuviel sei, das wissen alle.

      Von den Tabulisten ist der Rüssel-Peter vorgelangt, und das Spiel der Fragen und Antworten hat merklich an Laut gewonnen. Die Donatisten fahren zusammen, denn der Magister verläßt den Katheder und hat auch schon mit einem Griff die Hosen des Rüssel-Peter gepackt und gespannt. Kein Trommler paukt hurtiger und sicherer. Der Rüssel-Peter ist rot, aber er schreit nicht. Margarete preßt ihre um den Griffel geballte Hand auf das Knie. Wenn er nur schon! Alles kann sie sehen, auch Blut, nur soll sich keiner verhalten. Es steigt ihr in den Hals, als müsse sie für den Rüssel-Peter schreien. Die anderen wissen das: Ihr Gesicht nimmt einen Ausdruck an, vor dem die anderen stumm werden, neugierig und befangen zugleich. Manche schauen nur auf sie und nicht dorthin, wo die Zucht geübt wird, wohin sie des Beispiels halber eigentlich sehen müßten.

      Es fällt ihr wie ein Nebel vor die Augen, wenn sie zu lange auf den Schmerzensschrei warten muß. Und der Rüssel-Peter ist so einer. Der wird nur rot und gibt keinen Laut. Das macht auch den Magister wild. Sie sieht den Magister vor ihren offenen Augen nicht mehr. Es ist der fahrend Schüler, der Wendlein, der hat eine Zeitlang an des alten Reinwards Statt Schule gehalten. Da hat sie auch zum erstenmal in der Schule Blut gesehen. Der Wendlein hat sie alle das Veni Creator singen heißen, daß man draußen das Wehgeschrei nicht vernehme. Es ist Konz, der Grüß, gebunden auf der Bank gelegen, und der Wendlein war mit seiner Gerte über ihm …

      Da hört sie den Rüssel-Peter. Seine Seele ist entbunden, gelobt sei der Heiland! Ihre Tränen tropfen auf die Wachstafel und funkeln im Kerzenschein wie Sternscheibchen über die Sentenz hingestreut. Der Peter geht heulend in den Winkel: „ad … te … verdat … ad te verdat …“

      Magister Reinwardus besteigt nach hochgeübter Zucht den Lehrstuhl, er sagt, noch ein wenig benommen:

      „Derselb do! Alls verhärt’ in dem unde verstocket ganz!“ Seine Stimme wird wieder voll und gemessen: „Dannocht so ist deme von Gott geben ein’ Zucht us sins Meisters Hand, die sull er empfahen ungeschmächt!“ Er sieht, daß die Wangen der Ebnerin naß sind. „Jedannocht so ihr nit mügent das Wort nießen der Weishet us minem Mund“, das ist ganz deutlich auf sie hingesagt, „als ganget in die Schuol ze Werde. Do habent sie uf z’letzt ein Schuolmeister bstellt, der wird üch lernen brun und blou, daß ihrs an ürem Leib zu Hus tragent, nützlich unde kräftiglichen!“

      Sie wissen, was diese Drohung bedeutet. Der Alte war bis vor kurzem der Einzige gewesen, und nun ist eine Schule von der Stadt aufgetan worden. Keiner möchte dorthin, von dorther wußte man andere Dinge.

       Donatistae, jetzo ze üch. Was for ein Sentenz habet ihr in üer Täfelin ingraben“, fragt er und fügt beiseits hinzu: „Tabulistae, ihr sullt schriben, was ihr behalten hänt.“

      Er wartet. Es regt sich keine Hand.

      „Daß ihr wisset“, meint er ermunternd, „dies ist ein Spruoch und us des Salomonis Weishet. Ist üch nit ingangen? Ebnerin?“

      „Sunt und consumunt sänt zween“, haucht es zu ihm auf, „und wir nit wissen, wohin“.

      Die Donatisten sind zufrieden, daß es die Ebnerin war. Die bringt die längste Kerze mit und wirft dann den größten Stumpf in das Körbchen, das dem Magister gehört, wenn der Tag durch die hohen Fenster herein alle Kerzen blendet. Die Ebnerin bringt auch immer zwei Scheite und oft einen eidienen, der lang nachhält und angesehen ist vor den Buchenscheiten. Sie hat noch wenig Pfoten bekommen und ist am geschicktesten voran, wenn es gilt, über einen Text mit dem Alten einig zu werden.

      Und lange geht es über die Weisheit Salomonis hin. Der Magister Reinward gibt nichts frei, er weiß, wie man eine Sentenz zerschlägt, durchpflügt, leimt und stülpt und wieder zerpflückt, um sie endlich silbenweis wie Paternosterperlen aufzufädeln. Er ist ein großer Meister, weit berühmt, und kann aus jedem Wort die gefährlichsten Lehrgänge walken. Da vergeht eine Zeit, und wehe jedem, der nicht dabei bleibt mit seinem ganzen Verstand.

      Endlich kommt selbst der längste Sinn Salomonis an seinen Ort. Er hat auf dem Wege nicht allzuviel Zucht abgesetzt, auch sind schon über dem Rüssel-Peter die morgendlichen Kräfte des Magisters nahe an den Rand gebracht worden.

      „Nu merkent ihr wohl, was Weishet es bedüt’. Das wellent wir in ein’ Reim satzen.“

      Der Magister Reinward erhebt sich, und die gelehrten Donatisten mit ihm. Es muß feierlich genommen werden, was der Alte in einem Reim bringt. Sie wissen, daß nach Jahren noch ihre älteren Brüder und auch ihre Eltern abgefragt werden, wenn es eine fröhliche Gelegenheit ergibt. Er schlägt den Takt:

      „Salomo besaget in dieser Sentenz:

      Wer groß Guot bsitzet, derselb Mann Muoß als ouch manich Zehrer han.“

      Das schallt aus allen viele Male, die Tabulisten müssen mit. Hoch steht die Weisheit Salomonis bis an die Decke des Refectoriums, unter der noch ein Rüchlein der ausgekniffenen Lichtstümpfe schwebt.

      Um die Weihe nicht zu kränken, die Gottes Allmacht aus der Weisheit Salomonis in die Herzen einer aufgehenden Weltlust senken möge, läßt der Magister den Unterricht für eine Weile ruhen, nicht aber die Zucht. Sein Blick geht von einem zum anderen und steht gleichwohl über allen wie das böse Gewissen. Sie dürfen nur flüstern. Zuletzt trifft der Blich den in der Ecke.

      „Kumm, sündhaftig, verstocket Kreatur!“

      Der Rüssel-Peter weiß, daß er nichts mehr zu fürchten hat, er setzt aber seine Füße einwärts einen vor den anderen und dreht seine hangenden Hände nach außen, als müßten sie bereit sein, nach hinten zu fahren und aufzufangen; er fängt auch mit den Lippen zu zucken und zu spielen an, als müsse der Jammer seiner gemarterten Seele ausbrechen. Der alte Reinward ist damit zufrieden. Treib allerweg dein Gugelwerk, Büeble, bist du nicht weich im Herzen, so gib dich und lern aus einer Gebärden der Demut. Es ist schon manches Bäumlein an einem hölzernen Pfahl strack aufgewachsen. Nur wenig, die in Gnade stehen, können aus sich selber werden, die anderen treiben den Gebärden nach. Stell schrittweis einen Fuß vor den anderen und einwärts in Züchten, Büeble!

      Der Rüssel-Peter blinzelt hie und da auf und hat das Gefühl, daß der Alte, ohne ein Wort zu sagen, mit ihm spricht. Er weiß gut: der hat ihn am gestrigen Tag raufen sehen, am Kirchhof, über den Gräbern dazu. Jetzt weiß er es, gestern hat er gehofft, daß der Alte doch nicht hingesehen habe. Er steht vor dem Katheder, und

Скачать книгу